Süddeutsche Zeitung

Kanzlerkandidatur:Warum Söder nicht aufgibt und worauf manche in der CSU hoffen

Ohne Groll würde er verzichten. Und nun? Dass Markus Söder weiter Kanzlerkandidat werden möchte, überrascht zumindest in Bayern kaum.

Von Katja Auer, Roman Deininger, Johann Osel und Christian Sebald

Es bleibt wohl alles, wie es immer war: Aus Bayern kommt Störfeuer. Auch wenn es so aussah, dass das kleine Fenster, durch das ein Kanzlerkandidat Markus Söder hätte schlüpfen können, gleich wieder zuging. So ganz wollte sich die CSU damit noch nicht abfinden. Die CSU stemmt sich gegen eine Entscheidung für Armin Laschet. Ganz so einfach soll es doch nicht sein. Als eine der ersten twittert Landtagspräsidentin Ilse Aigner: "Die @CSU steht selbstverständlich geschlossen hinter @Markus_Soeder und würde ebenso geschlossen für ihn kämpfen! Er wäre ein hervorragender #Kanzlerkandidat. Mit ihm hätte die Union beste Chancen, stärkste Kraft in Deutschland zu bleiben & den nächsten Kanzler zu stellen."

Für Aigner würde sich an diesem Montag ebenfalls ein Fenster schließen, sie galt als aussichtsreiche Nachfolgerin für den Chefposten in München, sollte Söder nach Berlin wechseln. Daraus wird natürlich nichts, und Personaldebatten sind überflüssig, wenn Söder bayerischer Regierungschef bleibt. Dann wird er die CSU aller Voraussicht nach auch in die nächste Landtagswahl 2023 führen. Zehn Jahre Amtszeit hat er sich selbst gegeben bei seinem Amtsantritt 2018, länger nicht, wie er in neuer Demut angekündigt hatte. Das hieße 2028, dann wäre es wohl zu spät für Ilse Aigner. Aber das nur am Rande.

Später am Montag tritt das CSU-Präsidium virtuell zusammen, dort bekräftigt Söder seine Bereitschaft. Wenn seine Partei das wolle und eine breite Mehrheit in der CDU. Eine breite Mehrheit sei nicht ein Gremium, sagt Söder Teilnehmern zufolge. Und dass dieser Montag nicht der Tag der Entscheidung sei, sondern der Beginn eines Prozesses.

So einfach will die CSU Laschet die Kanzlerkandidatur offenbar nicht überlassen, Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer fordert gar eine Mitgliederbefragung in beiden Parteien. Wohl wissend um die guten Umfragewerte von Markus Söder. Manch einer in der CSU kritisiert die Arroganz des CDU-Präsidiums, scheinbare Bevormundung mögen sie gar nicht in der kleinen Schwesterpartei.

Geht Söder vielleicht gar gestärkt aus dem Kandidaten-Duell hervor?

Auch wenn es Laschet wird, geschwächt sei Söder dadurch nicht, sagt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, "der Mann tut nichts, was ihn schwächen würde". Eher gestärkt gehe er aus dem Kandidaten-Duell hervor, gerade weil er seine Bereitschaft am Sonntag - endlich - offen erklärt habe. "Auge in Auge", sagt Münch, nicht mit Sticheleien hintenrum, wie sie zu Söder speziellem Politikstil gehören. Das Risiko war minimal, da er seine Kandidatur an die Unterstützung der CDU gekoppelt hatte. "Er hat es angeboten und kann jetzt sagen: Macht's was draus", sagt einer aus dem CSU-Vorstand, und es klingt schon durch, wie die Legende lauten könnte, sollte die Union am Ende mit Laschet die Bundestagswahl verlieren. Dann würde es wohl nicht lange dauern, bis aus dem Süden zu vernehmen wäre, dass es ja auch eine Alternative gegeben hätte. Und in vier Jahren, das gibt Politikwissenschaftlerin Münch zu bedenken, könnte sich durchaus noch einmal ein Fenster auftun für Söder. Denn wenn Laschet scheitert im Herbst, könne es gut sein, dass der eine oder andere in der CDU noch einmal ernsthaft über die Option Söder nachdenke. Der wäre dann immer noch jünger als Laschet heute bei seiner Kandidatur.

"Ohne Groll" werde eine Nominierung Laschets durchgehen, sollte diese am Ende des Prozesses stehen, soll Söder in der Sitzung der CSU-Spitze angekündigt haben, und selbst die eifrigsten Söderianer plädieren für einen geschlossenen Bundestagswahlkampf. Was freilich keineswegs heißt, dass es mit den Störmeldungen aus Bayern nicht sofort wieder losgehen könnte, sollte die Union weiterregieren. So ist es ja das Prinzip der CSU seit jeher. "Es wird wichtig sein, wie die CSU im Bundeskabinett eingebunden ist", sagt Professorin Münch.

Um seinen Stand in Bayern muss der CSU-Chef nicht fürchten, niemand spricht von einer Schwächung. Nachfolger oder gar Herausforderer sind ohnehin nicht in Sicht. Schon vor drei Jahren, im März 2018 hatte Söder sich seinen politischen Lebenstraum erfüllt: Ministerpräsident.

Und sollte er das erst einmal bleiben, wäre das auch in Ordnung. Der Koalitionspartner im Freistaat, die Freien Wähler, können sich mit der Idee ganz gut anfreunden. Zwar leidet die Partei als der kleinere Partner der schwarz-orangen Koalition in schöner Regelmäßigkeit darunter, dass Söder sie missachtet und so tut, als würde seine CSU den Freistaat weiter alleine regieren. Aktuelles Beispiel ist die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes. Söder hat dabei Kanzlerin Angela Merkel die volle Unterstützung Bayerns zugesichert, ohne mit den Freien Wählern ein Wort darüber gesprochen zu haben. Aber Parteichef Hubert Aiwanger und seine Parteifreunde haben sich das Mitregieren inzwischen so angewöhnt, dass sie diese und natürlich auch andere Kröten schlucken werden, die vielleicht sonst noch des Weges kommen. Auch wenn sie strikt gegen die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes sind. "Wir haben uns an Söder gewöhnt", sagt ein führender Freie-Wähler-Mann, "wenn er weiter in München ist, bleibt es halt alles, wie's ist."

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