Umfrage in der CSU:Kann Söder auch Kanzler?

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Als Landesvater macht Markus Söder eine gute Figur - hier mit Ehefrau Karin in einer Kutsche beim Trachten- und Schützenzug am ersten Wiesnsonntag 2018. (Foto: Stephan Rumpf)

Die CSU-Basis ist voll des Lobes für ihren Parteichef und Ministerpräsidenten - insbesondere wegen seines Umgangs mit der Corona-Krise. Viele würden ihn sogar nach Berlin ziehen lassen.

Von Maximilian Gerl, Clara Lipkowski und Olaf Przybilla, München

Soll er, darf er, will er, kann er, muss er gar? Was Markus Söder vorhat, ob er insgeheim doch ein Auge auf die Kanzlerkandidatur der Union geworfen hat, wird immer heftiger debattiert. Wer aber sollte es besser wissen, was eigentlich Sache ist, als die CSU-Basis? Die SZ hat sich mal in allen Regierungsbezirken umgehört.

Anna Niedermaier ist stellvertretende CSU-Kreischefin und Stadträtin in Bamberg, und sie teilt gerne. "Gutes im Leben soll man ja bekanntlich teilen", erklärt sie, und deshalb fände sie es auch gut, "wenn wir in Bayern unseren Ministerpräsidenten mit ganz Deutschland teilen würden". Söder also als Kanzlerkandidat. 33 Jahre alt ist Niedermaier, in ihrem Bekanntenkreis in der Uni-Stadt Bamberg gibt es viele "Rote und Grüne", aber fast alle, erzählt sie, hätten in der Krise ihren Respekt bekundet: "Boah, der Söder!"

Klar wäre der Mann dann, sollte er nach Berlin gehen, "weg aus Bayern". Niedermaier aber ist zuversichtlich, dass "Söder auch künftig an Bayern denken würde". In Franken hätten sie die Erfahrung gemacht, "dass Söder seine Wurzeln nicht vergisst". Ob Söder aber antritt? Das weiß Niedermaier freilich nicht, sie weiß nur, dass es in der Politik üblich ist, "sich heute so zu einer Bewerbung zu äußern, morgen ganz anders". Wer aber würde im Falle eines Falles an Söders Stelle rücken in Bayern? "Das, genau das ist unser Problem", sagt sie, "wir gäben ja unser bestes Pferd im Stall." Und nach Söder würde es dann "ganz, ganz schwierig".

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Wenn einer von sich behaupten kann, ein intimer Kenner der Söder'schen Politlaufbahn zu sein, dann ist das Kilian Sendner, 71. Der Vizechef der CSU-Fraktion im Nürnberger Stadtrat begleitet den Politiker Söder seit mehr als einem Vierteljahrhundert, schon als Söder seine ersten politischen Schritte gemacht hat, war Sendner an seiner Seite, zumindest beobachtend. Also, Herr Sendner: Steigt Söder in den Ring? "Glaube ich nicht", sagt Sendner, und er kenne ihn "lang genug", um das einigermaßen einschätzen zu können. "Wenn Söder erklärt, er bleibt in Bayern, dann bleibt er auch in Bayern", sagt er, "Söder ist da gradlinig." Nach Berlin ziehe es diesen schon aus offenkundigen Motiven nicht: "In Bayern hast du es mit einem Landesverband der Partei zu tun, nicht mit 15 verschiedenen", das sei dann doch komfortabler als in Berlin. "Und du kannst als CSUler mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass du im Land immer mitregierst."

Ob Söder für alle Zeiten seine eigene Zukunft in Bayern sieht, dass freilich weiß auch Sendner nicht zu sagen. Die von Söder präferierte Beschränkung des Ministerpräsidentenamtes auf zehn Jahre könnte ein Hinweis sein, dass Söder nach dieser Zeit noch etwas anderes vorhat, politisch. Glaubt Sendner. Womöglich dann in Berlin.

Söder in Berlin? Das hätte schon was, "als Bayer kann man das nur begrüßen", sagt Carola Höcherl-Neubauer, 52, Stadträtin in Bad Kötzting in der Oberpfalz und Ortsverbandschefin. "So wie wir damals Papst geworden sind, wären wir dann Kanzler." Und auch für Deutschland wär das bestimmt nicht schlecht, glaubt sie, Söder könne das Amt fraglos ausfüllen - "ohne anderen Ministerpräsidenten zu nahe treten zu wollen".

Ähnlich wie der spätere SPD-Kanzler Helmut Schmidt beim Hamburg-Hochwasser habe Söder in der Corona-Krise "das Heft des Handelns" in die Hand genommen, Führungsqualitäten bewiesen. Das komme an bei den Menschen. Bleibt nur ein Problem: "Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass er sich umentscheidet." Söder habe immer gesagt, dass sein Platz in Bayern sei. Und wenn er's sich doch anders überlegen sollte? Dann ernte sein Nachfolger ein "bestelltes Feld", sagt sie. In den sozialen Netzwerken habe sie ein Bild von Söder und Finanzminister Albert Füracker beim Radln gesehen, darunter habe ein User kommentiert: der Ministerpräsident und sein Nachfolger. "Warum nicht", findet Höcherl-Neubauer.

Ein Krisenmanager für ein Land im Krisenmodus - das würde passen, glaubt Bastian Bohn, 39, Stadtrat von Abensberg in Niederbayern. Söder sei bislang "sehr konsistent" und "erfolgreich" mit der Corona-Krise in Bayern umgegangen. Bohn ist auch Vorsitzender des Fördervereins für die Musikschule Abensberg, mindestens auf dem Feld weiß er, wo die Musik spielt und wie man einzelnen Instrumenten mehr Raum und Bedeutung verleiht. Sollte Söder tatsächlich Kanzler werden, bedeute das auf jeden Fall "mehr Gewicht für Bayern in Berlin", sagt er. Inwiefern aber ein bayerischer Kanzler auch für die CDU denkbar sei, maße er sich nicht zu beurteilen an. Trotzdem mal spekuliert: Wenn Söder in Berlin den Krisenmanager machen sollte, wer machte den dann in München? "Eine natürliche Nachfolge gibt es in der Politik nicht", sagt Bohn, er sehe mehrere geeignete Kandidaten. Manfred Weber zum Beispiel habe längst gezeigt, dass er das Zeug zum Ministerpräsidenten habe.

Stephan Noll, 29, hat eigentlich gerade anderes im Kopf, als sich über die Karriereplanung anderer einen Kopf zu machen. Noll ist am Sonntag zum Bürgermeister im unterfränkischen Alzenau gewählt worden, sein Vorgänger ist zum Aschaffenburger Landrat aufgerückt. Söder? Wenn man Noll zwingen würde, eine Wette abzuschließen, ob's den Ministerpräsidenten nach Berlin zieht, so würde Noll darauf wetten, dass Söder danach trachtet.

"Er hat Blut geleckt", sagt Noll, "und er kennt sich mit Journalismus aus und lotet das gerade aus." Im Übrigen hoffe Noll auch, dass es so kommt. "Mein Herz schlägt für Söder", sagt er, "schon wenn ich mir die anderen in Frage kommenden Kandidaten anschaue." Und wer käme dann in Bayern als Nachfolger in Frage? Da ist Noll tiefenentspannt. "Schauen Sie, ich bin 29", Vize-Chef der JU in Aschaffenburg-Land - und gerade zum Rathauschef gewählt geworden, sagt er. In der CSU fände sich immer genug Personal, auch junges, um verantwortungsvolle Stellen angemessen zu besetzen.

Keine Sekunde zögert Justus Pfeifer, 30, aus dem oberbayerischen Ruhpolding: Söder als Kanzler? "Auf jeden Fall", sagt der CSU-Bürgermeister. Auch wenn Bayern dann ohne Söder dastünde? Das sei ein "Opfer", das die CSU und die Bayern für "das Wohl ganz Deutschlands" gerne geben würden. Söder beweise derzeit gutes Krisenmanagement. "Er hält, was er verspricht." Und er habe die Urbanisierung in Bayern aufgehalten, das Abwandern international aufgestellter Firmen und hochqualifizierter Arbeitskräfte - und so Bayerns ländliche Gegenden gestärkt. Dass Söder immer wieder betont, sein Platz sei in Bayern? Auch Politiker solle zugestanden werden, sich weiter zu entwickeln, findet Pfeifer - und das könne Markus Söder gut in Berlin.

Auch aus dem schwäbischen Kaufbeuren kommt Unterstützung für einen potenziellen Kanzlerkandidaten Söder. "Er hätte das Zeug dazu", findet CSU-Stadträtin und Krankenschwester Gertrud Gellings, 61, weil er in der Corona-Krise fachlichen Rat etwa beim Robert-Koch-Institut gesucht habe und damit souverän aufgetreten sei. Dass Söder dem Tagesspiegel sagte: "Nur wer Krisen meistert, wer die Pflicht kann, der kann auch bei der Kür glänzen", zeige, dass er sich das Amt zutraue, das befähige ihn einmal mehr, findet Gellings. Sie hätte sich auch einen anderen Kanzler vorstellen können, Friedrich Merz zum Beispiel. Doch der habe nicht die Chance gehabt, sich in der Corona-Krise zu beweisen.

© SZ vom 07.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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