Sketchcomedy von "Y-Titty":Eine Affäre mit Besen und Staubsauger

Drei junge Hilpoltsteiner begeistern Tausende Menschen im Internet mit ihren selbstgedrehten Comedy-Clips.

Peter Wagner

Philipp und Matthias streifen im Haus ihre Klamotten vom Körper und ziehen sich schwarze Boxershorts über. Mit Filzstift malen sie die Konturen von Brust- und Bauchmuskeln auf ihre Oberkörper und knüpfen sich rote Umhänge um den Hals. Philipps Klassenkamerad Oguz greift nach der Videokamera und geht mit den anderen vor die Haustür. Matthias und Philipp bibbern. Der Frühling in Hilpoltstein ist noch ziemlich frisch. Die drei marschieren durch die Neubausiedlung zu einem Sandhügel, der neben einer Baustelle aufgeschüttet wurde.

Hier wollen sie eine Szene aus dem Film "300" parodieren. In der Comicverfilmung kämpfen 300 muskelbepackte Spartaner gegen eine persische Übermacht. Fans des Films zitieren gern die Szene, in der der Anführer der Spartaner einem Kontrahenten den Satz "Das ist Sparta!" ins Gesicht brüllt. Philipp macht das jetzt auch. Er steigt auf den Sandhügel und schreit "Das ist Sparta!" in die Siedlung. Oguz filmt ihn. Dann schwenkt er zu Matthias, der einen Spaten in der Hand hält und nun auch brüllt: "Und das - ist ein Spaten!" Dann tut Matthias so, als schlage er den Spaten gegen Philipps Kopf. Ende.

Als Philipp Laude, 19, Matthias Roll, 18, und Oguz Yilmaz, 18, wieder im Warmen sitzen, erzählen sie, wie das mit den Videosketchen vor vier Jahren begann. Philipp hatte eine Kamera geschenkt bekommen. Mit Matthias, seinem Freund aus der Nachbarschaft, begann er zu experimentieren. Erst drehen die beiden Parodien der MTV-Serie "Jackass", in der durchgeknallte Jungs sich bei Mutproben filmen.

Sie schicken das Video an Freunde und die haben ihren Spaß an dem Ergebnis. Zu dieser Zeit stellen immer mehr Menschen selbstgedrehte Videos online. Vor allem in Amerika erkennen Hobbykomiker, dass man im Internet schnell ein großes Publikum für kleine Sketche finden kann. Philipp und Matthias eifern den US-Vorbildern nach und nennen sich "Y-Titty". "Die ersten beiden Buchstaben stehen für YouTube", sagt Philipp. Der Rest sei Wortspielerei.

Eine Affäre mit dem Besen

Einmal sind sie Günni und Franz, zwei fränkische Fußballfans vor dem Fernseher. Ein andermal verkleidet sich Matthias als Frau und beginnt eine Affäre mit einem Besen. Philipp - in der Geschichte mit Matthias verheiratet - bekommt Wind von der Sache und rächt sich. Er hat eine Affäre mit einem Staubsauger.

Der Film löst etwas aus. Er wird mit einem Web-Video-Preis ausgezeichnet und läuft im Programm eines Jugendfilmfestivals. Die Resonanz motiviert die beiden. Sie machen sich daran, die Twilight-Saga zu parodieren. Philipp spielt Vampir Edward, Matthias dessen Freundin Bella. In einer Folge werfen sich Philipp und Matthias Wortwitze mit "Bis(s)" an den Kopf: "Bisstazie" oder "Bisskuitrolle". Das ist leicht verdaulicher Vampirhumor, aber die Zuschauer, vor allem Mädchen zwischen 13 und 17, sind hingerissen. Und nicht nur sie. Im Internet suchen viele Menschen nach Infos über "Twilight" und stoßen auf Y-Titty-Parodien.

So kommt es, dass manche Videos aus der Hilpoltsteiner Produktion schon mehr als 500.000 Mal geklickt wurden. Den YouTube-Kanal, der über y-titty.de zu erreichen ist, haben fast 50.000 Menschen abonniert. Philipp, Matthias und Oguz, der etwas später dazu stieß, sind, könnte man sagen, so etwas wie Pioniere im deutschsprachigen Internet. Nur wenige Jugendliche schreiben eigene Drehbücher für ihre Sketche und verbringen nachher Nächte vor dem Schnittpult.

Der Hausmeister schaut mit

Florian Hoffmann hat sich die Videos mit Genuss angesehen. Der 36-Jährige ist vielleicht so etwas wie der bayerische Comedy-Papa. 2001 gründete er die "Comedy Lounge" im Würzburger Chambinzky, wo jeden Monat junge Comedians und Kabarettisten für Kurzauftritte vorbeischauen. Mittlerweile gibt es die Lounge in mehr als zehn anderen Städten. "Das ist perfekte Sketchcomedy", sagt Hoffmann über Y-Titty. "Der Clip mit dem Besen ist phantastisch. Spätestens bei der Sache mit dem Staubsauger hatten sie mich."

"Das Fernsehen macht die Karriere"

Florian Hoffmann weiß ganz gut, wie Comedy-Karrieren beginnen. Er verdient sein Geld als Mitglied der Kabarettgruppe TBC und als Regisseur, unter anderem für den Kabarettisten Claus von Wagner. Er erzählt von Matthias Egersdörfer, der häufig bei Comedy-Lounge-Abenden auftrat und nun von Sendung zu Sendung gereicht wird. "Das Fernsehen macht die Karriere", sagt Hoffmann. Dass Internetvideos künftig Veranstaltungen wie die Comedy Lounge hinfällig machen, mag er noch nicht glauben. "Die Clips sind wie Appetizer. Mein Mitbewohner zum Beispiel hat sich Rainald Grebe auf YouTube angesehen und ging dann zur Liveshow."

Vielleicht ist es so: Der Weg zum Publikum führt für Kabarettisten und Comedians nicht mehr ausschließlich über Kleinkunstbühnen. Y-Titty erfahren das gerade. Neulich haben sie wieder einen Internetvideo-Award gewonnen. Veranstalter war der Fernsehsender Kinderkanal. Vor kurzem hat sich wieder ein Sender mit der Bitte um Probeaufnahmen gemeldet. Viele Produzenten suchen im Internet nach neuen Talenten. "Eine TV-Sendung wäre unser absoluter Traum", sagt Philipp. "Wir haben sogar schon ein Konzept dafür."

Der Hausmeister schaut mit

Matthias hat für die mögliche Fernsehzukunft einen Ausbildungsplatz bei der Polizei abgesagt. "Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ich es nicht wenigstens probieren würde." Philipp will sich nach dem Abitur im Frühjahr an Schauspielschulen bewerben und weiter Comedy machen. Vielleicht geht es auch gar nicht mehr anders. In den Kommentaren auf der Website fragen Fans ungeduldig nach dem nächsten Video. Selbst der Hausmeister an Philipps Schule schaut mit. Er hat sich Philipps Autogramm gesichert und manchmal, beim Pausenverkauf, steckt er ihm eine Breze zu. Eine Art der Talentförderung.

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