Prozess in Landshut:"Ich hoffe, es brennt"

Prozess in Landshut: Die Überreste eines abgebrannten Papiercontainers vor der Asylbewerberunterkunft im niederbayerischen Simbach.

Die Überreste eines abgebrannten Papiercontainers vor der Asylbewerberunterkunft im niederbayerischen Simbach.

(Foto: Generalstaatsanwaltschaft München/dpa)

Nach dem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Niederbayern ist ein Mann für versuchten Mord in 56 Fällen schuldig gesprochen worden. Er selbst hält sich nicht für rechtsradikal - obwohl Sprachnachrichten das Gegenteil nahelegen.

Von Patrick Wehner

56 Menschen, davon 22 Kinder und Jugendliche, schlafen im Asylbewerberheim mitten im Zentrum der niederbayerischen Stadt Simbach am Inn, als sich Andreas B. in einer Oktobernacht vor einem Jahr auf den Weg macht. Betrunken und voller Hass auf Geflüchtete will er das Haus anzünden. Er setzt Fußmatten und Stofffetzen vor beiden Notausgängen in Brand, um den Bewohnern die Fluchtwege zu versperren. Dann schiebt er auf der Rückseite des Gebäudes einen Altpapiercontainer an die Hauswand und zündet diesen an.

Ein Fahrdienstleiter des nahen Bahnhofs bemerkt den Brand und verständigt die Polizei. Mittlerweile aufgewachte Bewohner der Unterkunft können das Feuer noch vor Eintreffen der Feuerwehr löschen. Verletzt wird niemand, der Schaden am Gebäude beläuft sich auf 15 000 Euro. B. kann in dieser Nacht fliehen. Zwei Monate später wird er festgenommen und sitzt seitdem in Haft.

Am Montag ist der Versicherungskaufmann aus Pilsting nun zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden, das Urteil ist rechtskräftig. Die Generalstaatsanwaltschaft München hatte ihm unter anderem versuchten Mord in 56 Fällen und schwere Brandstiftung vorgeworfen. Bei der Generalstaatsanwaltschaft ist auch die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus angesiedelt, die in diesem Fall auch die Ermittlungen übernommen hatte.

B. feierte in der Tatnacht in einer Diskothek im österreichischen Braunau seinen 42. Geburtstag, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Vanessa L. und dem gemeinsamen Freund Thomas K. Die Nachbarstädte Braunau und Simbach werden lediglich durch den Inn voneinander getrennt. Als das Trio in die Simbacher Wohnung von Thomas K. zurückkehrte, kam es zum Streit zwischen B. und seiner Freundin. Die Generalstaatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass dieser Streit, B.s rassistische Grundeinstellung und der Alkoholkonsum zu dessen Plan führte, die Asylbewerberunterkunft anzuzünden und den Tod der 56 Menschen dort billigend in Kauf zu nehmen. Diese stammten überwiegend aus Kriegsländern wie Syrien, Somalia und Äthiopien.

Andreas B. sagte, dass er sich an die Tatnacht nicht mehr erinnern könne

Vor Gericht sagte Andreas B. aus, dass er sich an die Tatnacht wegen seiner starken Alkoholisierung kaum erinnern könne. Zudem bestritt er, eine rechtsradikale Einstellung zu haben. Die Staatsanwaltschaft stützte sich allerdings auch auf mehrere Sprachnachrichten, die der Mann in der Tatnacht verschickte hatte und die ein anderes Bild zeichnen. Als B. sich auf den Weg machte, sendete er zuerst eine Sprachnachricht an seine Ex-Frau: "I geh jetzt ins Asylantenhaus... und dann stürm i des in Simbach (...) I stirb für meine Kinder, weil i koane Asylanten in meinem Land dulde.., keine! Meine Kinder soin aufwachsen ohne Asylanten und soin seng - da Papa hod wos da... "

Wenige Minuten später schickte er an seine damalige Lebensgefährtin L. eine weitere, eindeutig rechtsradikale Sprachnachricht: "Hi, du herst mei Sprachnachricht jetzt zum letzten moi. Ähm, I geh jetzt ins Asylantenheim auffe.., und wenn es ned überleb, dann überleb i's ned - scheißegall (...) I woas ned wie vui dase niederhau, aber i haus nieder. Und i zünds a! Und wene stirb dann stirb i... dann stirb i für meine Kinder und für mei Vaterland, ok?"

An seinen Freund K. schickte er ein Bild von der brennenden Fußmatte vor einem der Notausgänge und schrieb: "Ich hoffe, es brennt."

Prozess in Landshut: Der Angeklagte im Verhandlungssaal des Landgerichts. Er wurde zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Der Angeklagte im Verhandlungssaal des Landgerichts. Er wurde zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Der Hauptbeschuldigte sagte vor Gericht, dass er sich diese Nachrichten nicht erklären könne und selbst auch "extrem schockiert" deswegen sei. Die Strafkammer ordnete zudem die Unterbringung des Mannes in einer Entziehungsanstalt an. Dem psychiatrischen Sachverständigen zufolge ist die Gefahr groß, dass der 42-Jährige unter Alkoholeinfluss weitere Straftaten begehen könnte. Auch seine Lebensgefährtin L. und Freund K. waren angeklagt, weil sie trotz der Nachrichten nicht die Polizei riefen. L. war zwischenzeitlich sogar selbst am Tatort gewesen - und wieder gegangen. Beide wurden zu Geldstrafen verurteilt.

Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, ist froh über dieses Urteil: "Wir begrüßen es sehr, dass Gewalt gegen Geflüchtete nicht als Bagatelle abgetan wird. Wer versucht, Wohnhäuser anzuzünden und damit Menschenleben gefährdet, muss natürlich wegen versuchten Mordes vor Gericht gestellt und dafür bestraft werden!"

Prozess in Landshut: An der Asylbewerberunterkunft in Simbach wurde das Sicherheitspersonal verstärkt. Dennoch konnte nicht verhindert werden, dass vor fünf Wochen die Wände mit Nazi-Symbolen beschmiert wurden.

An der Asylbewerberunterkunft in Simbach wurde das Sicherheitspersonal verstärkt. Dennoch konnte nicht verhindert werden, dass vor fünf Wochen die Wände mit Nazi-Symbolen beschmiert wurden.

(Foto: Regierung von Niederbayern)

Auch die Organisation B.U.D. aus Nürnberg, die sich für Opfer rechter Gewalt engagiert und rechte Straftaten dokumentiert, sieht in dem Urteil ein "klares Zeichen" gegen Rechtsextremismus. Sprecherin Anna Reimann warnt jedoch, dass es in einigen Gegenden gehäuft zu rechtsmotivierten Vorfällen kommt. Simbach am Inn gehöre dazu. Das bestätigt auch das Polizeipräsidium Niederbayern auf Anfrage. Seit 2015 wurden sowohl am Asylbewerberheim als auch an anderen Orten im Simbach immer wieder Hakenkreuz-Schmierereien und volksverhetzende Schriftzüge dokumentiert.

Die Regierung von Niederbayern, die das Asylbewerberheim in Simbach seit Mai 2021 betreibt, hat nach eigenen Angaben nach dem Brandanschlag das Sicherheitspersonal aufgestockt. Damit konnte aber nicht verhindert werden, dass erst vor fünf Wochen abermals unbemerkt Hakenkreuze und rechtsradikale Parolen an die Wände der Unterkunft gesprüht wurden.

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