Der Industriekonzern wartet diskret, bis die Kunst ihre Spiele beendet hat, man ist kein Spielverderber. Aber dann schlägt er zu: Nur acht Tage nach dem letzten "Tristan" auf dem Grünen Hügel, dem Abschluss der diesjährigen Richard-Wagner-Festspiele von Bayreuth, gibt der Technikkonzern Siemens bekannt, dass er sich von den Bayreuther Festspielen zurückzieht, mit sofortiger Wirkung.
Die Bayreuther Festspiele müssen künftig ohne Geld von Siemens auskommen.
(Foto: dpa)Der Hauptsponsor bricht nach vier Jahren die Zusammenarbeit mit dem weltweit berühmtesten Opernfestival ab. Das Festspielbüro in Bayreuth hat auf Anrufbeantworter geschaltet, die fleißigen Akteure im Hintergrund sind bis 19. September im Urlaub.
Aber auch ohne eine Stellungnahme vom Grünen Hügel ist klar, dass der Siemens-Rückzug für die Festspiele und das Leitungsteam der Wagner-Urenkelinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier nicht nur einen finanziellen, sondern, vielleicht mehr noch, einen Ansehensverlust bedeutet.
Betroffen sind zwar nicht die Aufführungen im Festspielhaus, aber gerade das, was seit vier Jahren an demokratischer Öffnung praktiziert wurde: die "Festspiele für alle", zum einen der Live-Stream im Internet, zum anderen die Live-Open-Air-Übertragung. Diese "Siemens-Nächte" von Bayreuth, Volksfeste des Public Viewing, bedeuteten viel für die Stadt und darüber hinaus.
Manuel Becher, Geschäftsführer der Bayreuther Tourismus-Gesellschaft und Veranstalter des Public Viewing, hat vom Siemens-Rückzug aus der Zeitung erfahren und spricht von einer "Katastrophe für das Stadtmarketing".
Der Rückzug von Siemens spielt sich auf drei Ebenen ab: der wirtschaftlichen, der konzeptionellen und der symbolischen - er ist ein negatives Signal, eine Beschädigung des kulturellen Ansehens der Festspiele, der Stadt Bayreuth, des Landes Bayern, schließlich auch des Bundes, der ebenfalls im Stiftungsrat der Festspiele vertreten ist.
Siemens hat offenbar das inhaltliche Interesse an den Bayreuther Festspielen verloren, die Konzern-Manager glauben nicht mehr an den kulturellen Mehrwert, den ihr Geld in Bayreuth bringt. In der Stellungnahme des Konzerns heißt es, der Ausstieg sei "schon vor vielen Monaten mit der Festspielleitung besprochen" worden. Gab es da auch noch ein massives Kommunikationsproblem?
Vom Bayreuther Oberbürgermeister Michael Hohl - Mitglied des Festspiel-Stiftungsrats - hört man nämlich ganz andere Töne. Hohl sagt, er habe noch Mitte August einen Brief an Siemenschef Peter Löscher geschrieben und darin für die "Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit" geworben. Von einer Entscheidung gegen das Sponsoring, erläutert ein Stadtsprecher, sei damals keine Rede gewesen; entsprechend überrascht sein man nun.