Sicherheitspolitik:Bayern sucht nach 67 untergetauchten Neonazis

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Rechtsextremisten bei einer Kundgebung in Dortmund (Archivbild). Unter den 67 untergetauchten Neonazis in Bayern werden nicht alle explizit wegen politischer Delikte verfolgt. (Foto: Bernd Thissen)
  • In Bayern hat sich die Zahl der untergetauchten Rechtsextremisten, die per Haftbefehl gesucht werden, im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Viertel erhöht.
  • Nach 67 Personen aus dem extrem rechten Spektrum werde derzeit gefahndet, unter ihnen mutmaßliche Mörder, Schläger und Volksverhetzer.
  • Nicht alle Gesuchten werden wegen rechter Straftaten verfolgt, aber alle sind bereits wegen extrem rechter Taten oder Verbindungen ins Visier der Behörden geraten.

Von Wolfgang Wittl, München

Die Zahl von rechtsextremen Straftätern, deren Aufenthaltsort den Behörden unbekannt ist, hat in Bayern erneut zugenommen. Lagen 2014 noch 73 Haftbefehle gegen Personen aus dem rechten Milieu vor, so waren es im vergangenen Jahr schon 76. Diese verteilen sich auf 67 Beschuldigte. Die Angaben stammen aus einer Antwort des bayerischen Innenministeriums an die Abgeordnete Katharina Schulze (Grüne). Schulze spricht deshalb von einer sicherheitspolitischen Bankrotterklärung: "67 untergetauchte Neonazis in Bayern - darunter ein mutmaßlicher Mörder und weitere schwerste Gewalttäter: Das ist erschreckend und besorgniserregend." Im Vorjahr waren es lediglich 53 gesuchte Rechtsextreme.

Ein offener Haftbefehl wurde bereits 2011 wegen Mordes ausgestellt, dazu kommen jeweils zwei Haftbefehle wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls von und mit Waffen. Die Zahl der Gewaltdelikte ist laut Schulze in einem Jahr von drei auf acht angestiegen. 32 der 67 mutmaßlichen Straftäter hatten ihren letzten bekannten Aufenthaltsort in Bayern, der Rest verteilte sich über das Bundesgebiet und Europa. In einem Fall führen Spuren sogar nach Paraguay. Von sieben Gesuchten ist keine Adresse bekannt.

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Mit Blick auf die Zahlen fordert Schulze die CSU-geführte Staatsregierung zu mehr Engagement in der Verfolgung der rechten Szene auf. Der Fahndungsdruck müsse "endlich massiv erhöht werden". Die innenpolitische Sprecherin der Grünen fürchtet Parallelen zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), dessen Mordserie in Bayern mehrere Leben gekostet hatte. "Die untergetauchten Neonazis führen ein Halbwelt-Dasein. Meine große Sorge ist, dass sie schwere Verbrechen begehen und es wieder zu spät bemerkt wird."

Das Innenministerium verweist darauf, dass die 67 Gesuchten nicht zwangsläufig mit Neonazis gleichzusetzen seien. Es gehe um Personen, bei denen ein rechter Hintergrund in der sogenannten politisch motivierten Kriminalität angenommen werde. Das bedeute nicht, dass in allen Fällen rechte Straftaten vorlägen. 20 Prozent der Haftbefehle seien etwa auf Eigentumsdelikte zurückzuführen. In 15 Prozent der Fälle ging es um Körperverletzung und Tötung. "Der Fahndungsdruck ist nach wie vor hoch", sagte ein Sprecher. Allein von März 2014 bis September 2015 seien 77 Haftbefehle vollstreckt worden. Für Schulze indes befinden sich immer noch "viel zu viele Neonazis auf freiem Fuß".

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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