Süddeutsche Zeitung

Sicherheit in Bayern:Wie die Menschen in Bayern mit dem Gefühl der Bedrohung umgehen

Flüchtlinge spüren die Angst, in Bamberg wächst der Widerstand gegen eine Asylunterkunft, Autofahrer zeigen Verständnis für die Kontrollen.

Von Katja Auer, Matthias Köpf, Maximilian Gerl, Mirjam Uhrich und Wolfgang Wittl

Schleierfahndung

Der Fahrer des schwarzen Kombis lässt das Fenster runter, der Motor läuft noch. "Ist wieder irgendwas passiert? Ein Terroranschlag?", fragt er. In seiner Sonnenbrille spiegelt sich die Uniform der Polizistin. "Nein, reine Routinekontrolle." Im Hinterland der deutsch-österreichischen Grenze bei Simbach hält die Polizei Autos an. Der Mann öffnet Motorhaube und Kofferraum. "Ist wirklich nichts passiert?" Die Polizistin schüttelt nur den Kopf und lugt in eine Plastiktüte im Kofferraum. Der Mann hat sich inzwischen eine Zigarette angezündet. "Ist ja auch richtig so, wegen dem Terror", sagt er. Auch andere werden angehalten, aber niemand schimpft oder wirkt genervt. "Die Kontrollen sind sehr wichtig", sagt ein Fahrer in gebrochenem Deutsch, sein Transporter hat ein tschechisches Kennzeichen. "Waffen. Terror." Er zuckt mit den Schultern.

Flüchtling aus Syrien

Manchmal, wenn Khalil durch Regensburg läuft und Deutschen begegnet, sieht er die Angst in ihren Augen. Die Angst vor ihm, dem Flüchtling aus Syrien. "Ich kann die Leute verstehen", sagt Khalil, "nach allem, was jetzt passiert ist." Khalil heißt eigentlich anders, aber seinen richtigen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. "Khalil ist ein guter Name", sagt er, arabisch für "guter Freund".

Genau das möchte Khalil sein. Vor elf Monaten kam er in Regensburg an. "Ich habe mir von Anfang an deutsche Freunde gesucht", erzählt er, "ich will mich integrieren." Das funktioniere nur, wenn man Deutsche kenne und Deutsch spreche. Aber nicht alle in Regensburg wollen Khalil zum Freund haben. "Ja, ich bin Muslim, ich bin stolz darauf", sagt Khalil. Aber deshalb sei er kein Terrorist, er sei doch vor dem Islamischen Staat nach Deutschland geflohen.

Khalil zitiert aus der fünfte Sure des Korans: "Wer ein menschliches Wesen tötet, so ist es, als ob er alle Menschen getötet hat. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält." Khalil hofft, dass nun die Stimmung nicht gegen Flüchtlinge wie ihn kippt. Falls es zu weiteren Anschlägen kommen sollte, befürchtet er das Schlimmste. "Schon davor hatten viele Menschen Angst vor uns", sagt Khalil. Und: "Wir müssen alle zusammenhalten gegen die Terroristen."

CSU-Arbeitskreis Polizei

In Holzkirchen trifft sich der Arbeitskreis Polizei und Innere Sicherheit des CSU-Kreisverbands Miesbach. Der Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan hat aus Berlin Innenstaatssekretär Günter Krings und aus Rosenheim Polizeipräsident Robert Kopp eingeladen. Im Saal zwei Dutzend Gäste, meist Männer mit grauen Haaren, ein Trachtenhut, einige Uniformen. Radwan sagt, er höre bei seinen Veranstaltungen schon seit einem Jahr jedes Mal ein Wort, das er vorher nie gehört habe: "Angst." Dieser Abend, lang geplant, ist bedrückend aktuell geworden, und trotzdem ist er eine Ausnahme.

Hier wird lieber von Sorgen und vom schwindenden Sicherheitsgefühl gesprochen als von Angst. Davon, dass es jetzt jeden treffen kann, auch in Holzkirchen, wo die Sicherheitsbedenken sich sonst auf Einbrüche und auf ein paar Leute am Bahnhof beziehen. Auch bei der Polizei herrsche einige Aufregung, sagt ein Beamter am Rande. Statt Ansbach hätte es auch Rosenheim sein können, statt Würzburg auch Holzkirchen.

Viele Kollegen waren neulich in München, andere hatten sich darauf vorbereitet, zu allem entschlossenen Terroristen die Fluchtwege nach Österreich abzuschneiden. Dabei kennen selbst erfahrene Polizisten solche Lagen nur aus den Erzählungen der älteren Kollegen über die bleiwestenbewehrte RAF-Zeit. Und jetzt ist dieser Druck wieder da, wenn nachts um zwei Uhr einer anruft und sagt, in den Nachbarwohnung hantierten seltsame Menschen mit Kanistern. Ein Zuhörer war am vergangenen Freitag auf einem Festival im nahen Bad Tölz. "Plötzlich schaut man sich um, schaut sich seinen Tischnachbarn genauer an", sagt er. Für gute Stimmung könne die Polizei nicht sorgen, antwortet Kopp, aber sie könne präsent sein, auch das Sicherheitsgefühl verbessern. "Ob wir das ganz schaffen?", fragt er zweifelnd.

Ein kleiner Wochenmarkt in Regensburg, fünf Stände am Rande der Altstadt, die Meinungsvielfalt ist so bunt wie die Gemüsesorten in den Auslagen. "Wissen Sie, wir haben ein Publikum, das ist schon etwas älter", sagt eine Verkäuferin. "Wie sonst auch" verhielten sich die Menschen, "das Leben läuft weiter wie davor." Eine Kundin ruft dazwischen, die Medien würden alles nur aufbauschen, "das muss wieder runtergefahren werden". Der Mann gegenüber hat eine völlig andere Meinung: Ganz klar, die Leute seien beunruhigt, er kenne keinen, den die vergangene Woche kalt ließe, auch wenn man zwischen den Taten in Würzburg und Ansbach einerseits und München andererseits schon unterscheiden müsse.

Im Radio hat er gerade gehört, dass die Polizei besser ausgerüstet werden soll, "aber da haben wir wenig davon". Für ihn steht fest: "Der Staat muss die Sache jetzt wieder in den Griff kriegen." Irgendwie sei es ja schon in Ordnung gewesen, die Grenzen zu öffnen und Menschen in Not Schutz zu bieten. Irgendwie aber auch nicht: "Wir haben die Türen unkontrolliert aufgemacht, jetzt hammas halt und müssen das Beste daraus machen." Zum Eisessen in die Stadt würde er im Moment zwar schon gehen, sagt der Mann, nicht aber auf ein großes Volksfest. Dann spricht er einen Satz, dessen Doppeldeutigkeit ihm erst später bewusst wird: "Man stirbt ja nicht, wenn man nicht hingeht." Für die Polizei fordert der Mann mehr Rechte, etwa bei der Überwachung des Internets. "Wer ehrlich mit diesem Medium umgeht, dürfte kein Problem damit haben."

In den Nachrichten war gerade der Innenminister zu hören mit der Forderung, dass niemand mehr ins Land kommen dürfe, der sich nicht ausweisen könne. "Das hätten wir halt vor einem halben Jahr schon gebraucht", seufzt die Verkäuferin. Ein paar Meter neben ihr plätschert ein Brunnen, Vögel hüpfen über das Kopfsteinpflaster.

Gregory Pfeiffer, ein Kunde, der sich für kernlose Trauben interessiert und als einziger seinen Namen preisgibt, findet: "Wenn man die Leute ins Land holt, muss man sich besser um sie kümmern." Und auch um die Länder, aus denen sie kommen. "Weniger Waffenexporte, mehr Flüchtlingshilfe", das wünsche er sich. Natürlich, für die Sicherheit müsse schon auch etwas getan werden, sagt Pfeiffer, aber letztlich behandle man damit nur die Symptome und nicht die Ursachen: "Es wäre nicht schön, wenn hier immer zwei Polizisten stehen müssten auf unserem Markt."

Bamberger Allianz

4500 Menschen sollen bis zum Jahresende in den ehemaligen Kasernen in Bamberg einziehen können, 4500 Asylbewerber. So sehen es die Pläne der Staatsregierung vor, und bislang haben die meisten Bamberger das so hingenommen. Derzeit sind Flüchtlinge vom Balkan auf dem Gelände untergebracht, aber die sogenannte Ankunfts- und Rückführungseinrichtung hat ihren Zweck erfüllt: Es kommen kaum noch Asylbewerber aus den Balkanländern. Deswegen sollen nun auch Menschen aus anderen Ländern einziehen.

Die "Bamberger Allianz", eine neue Fraktion im Stadtrat, hat den SPD-Oberbürgermeister Andreas Starke nun aufgefordert, dagegen zu protestieren. Es sei falsch, mehr als 1500 Flüchtlinge aufzunehmen. Von den jüngsten Attentaten ist zwar nicht die Rede, der Antrag beruft sich dennoch auf den wachsenden Widerstand in der Bevölkerung. Die CSU, die den Plänen bislang zustimmte, schließt sich jetzt dem Nein zum Ausbau an. In der nächsten Woche wollen zudem verschiedene Gruppen aus Solidarität mit den Asylbewerbern in Bamberg mehrere Tage gegen die große Unterkunft protestieren. Das könnte noch mehr Unruhe bringen.

Helfer in Würzburg

Burkhard Hose gehört zu den Unerschütterlichen, zu denen, die immer vorne stehen, wenn es gegen Rassismus und Gewalt und für Toleranz zu fechten gilt. Der katholische Hochschulpfarrer ist eine der zentralen Figuren der Flüchtlingshilfe in Würzburg und er will nicht so tun, als wäre alles gut. "Die Atmosphäre hat sich verändert", sagte er, "alles andere wäre Schönfärberei." Und zwar auf allen Seiten. Gerade war dieses Konzert beim Würzburger Hafensommer, da wollte er mit einem jungen Syrer hingehen. Der traute sich aber nicht, erzählt Hose, er hatte Angst vor einer Bombe. "Wie zum letzten Mal in Syrien."

Hose versprach ihm, dass er dort sicher sei und musste sich insgeheim fragen, ob man das tatsächlich einfach so behaupten dürfe. Es war dann doch ein schöner Abend mit guter Stimmung. "Die Leute haben sich Mut zugesungen." Der droht bei manchen Helfern zu schwinden, das stellt Hose ebenfalls fest. Denn es zerrt an den Nerven, jede neue Schreckensmeldung, auch wenn die meisten immer noch entschlossen dagegen halten wollten. Er auch. Natürlich.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3098418
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.07.2016 / kaa, kpf, maxi, miu, wiw/amm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.