Innere Sicherheit:Bayerische Grenzkontrollen laut Gutachten verfassungswidrig

Seehofer besucht deutsch-österreichische Grenze

Ein bayerischer Polizist bei einer Grenzkontrolle in Freilassing. Einem Gutachten der Grünen zufolge sind diese Kontrollen verfassungswidrig.

(Foto: dpa)
  • Seit August 2018 führt die bayerische Polizei an der Grenze zu Österreich eigene Kontrollen durch.
  • Die polizeiliche Überwachung des grenzüberschreitenden Verkehrs sei aber Aufgabe der Bundespolizei, heißt es in einem Gutachten. Die Maßnahmen verstießen gegen das Grundgesetz.
  • In einem Brief an Innenminister Seehofer (CSU) fordern die Grünen nun, die Bundespolizei müsse die Zusammenarbeit mit den bayerischen Kollegen beenden.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Der Einsatz bayerischer Landespolizisten bei Grenzkontrollen zwischen Bayern und Österreich ist nach einem von den Grünen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten rechtswidrig. "Der bayerische Grenzschutz verstößt nach seiner Konzeption im bayerischen Recht gegen das Grundgesetz", schrieb die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Sonntag an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Zusammenarbeit der Bundespolizei mit diesem unter Verstoß gegen die Verfassung konstruierten bayerischen Grenzschutz müsse "eingestellt werden", heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Seit Herbst 2015 kontrolliert die Bundespolizei drei Grenzübergänge zwischen Bayern und Österreich, obwohl das dem Schengen-Abkommen widerspricht. Im August 2018 reaktivierte die bayerischen Staatsregierung zudem die bayerische Grenzpolizei, die ebenfalls Grenzkontrollen übernimmt. Dies sei verfassungswidrig, heißt es im Gutachten des Regensburger Staatsrechtlers Thorsten Kingreen und der Düsseldorfer Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger: "Die Errichtung einer bayerischen Grenzpolizei mit den ihr parallel zur Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen untergräbt die föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes."

"Entweder ist der Bund zuständig oder es sind die Länder", hieß es vom Bundesverfassungsgericht

So sei in Bayern 1945 per Verordnung eine eigenständige "Landesgrenzpolizei" eingerichtet und später wieder aufgelöst worden. 2008 habe man Bayerns Landespolizei für die "Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs" zuständig gemacht - allerdings nur für den Luftverkehr. Im bayerischen Polizeiaufgabengesetz weitete Bayerns Staatsregierung 2018 die Zuständigkeit der Landespolizei aus. Nun wurde sie generell "mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs" betraut.

Das aber ist Aufgabe der Bundespolizei. Der Schutz der Staatsgrenze werde in Bayern "zu einer gemeinsamen Angelegenheit von Bund und Land", rügen Kingreen und Schönberger. "Die bayerischen Bestimmungen berühren daher die föderale Kompetenzordnung und damit insgesamt das Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland." Das Rechtsstaatsprinzip in Artikel 20 des Grundgesetzes fordere eine "klare" Zuordnung der Kompetenzen von Staatsorganen. Auch das Bundesverfassungsgericht habe Doppelzuständigkeiten abgelehnt: "Entweder es ist der Bund zuständig oder es sind die Länder."

Bayern habe aber, so das Gutachten weiter, "keine Gesetzgebungskompetenz" für das materielle Grenzschutzrecht, etwa für Passkontrollen. Laut Grundgesetz müsste Bayern für die Grenzkontrollen "ausdrücklich durch ein Bundesgesetz ermächtigt" werden. Ein solches Gesetz aber gebe es nicht. Bayern komme auch "keinerlei Verwaltungskompetenz für den Bereich des Grenzschutzes" zu. Daher seien die landesrechtlichen Regelungen zu Grenzkontrollen "nichtig".

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