Fußballstadion:Augsburg, du kannst so hässlich sein

Eröffnung impuls Arena Augsburg

Eine Baustelle? Nein, ein Bundesliga-Stadion. Seit sechs Jahren wartet die Fußball-Arena des FC Augsburg auf eine Fassade.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)
  • Sechs Jahre nach der Eröffnung des Augsburger Fußball-Arena steht das Stadion immer noch ohne Fassade da.
  • Nun entschied der Wirtschaftsausschuss der Stadt, die Planungen bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zurückzustellen.
  • Titus Bernhard hat zusammen mit seinem Kollegen Peter Kögl die 30.000-Mann-Arena geplant. Er ist über diesen Beschluss nicht begeistert.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Titus Bernhard ist bekennender Fan des FC Augsburg. Immer wenn er Zeit hat, besucht er die Heimspiele des aufstrebenden Bundesligisten in der SGL-Arena. "Was der Verein da auf die Beine gestellt hat, ist große Klasse und macht sehr viel Spaß", lobt der 51-jährige Augsburger. Aber jedesmal, wenn er das Stadion von außen sieht, spürt er einen heftigen Schmerz im Herzen. "Ich bin traurig, wenn ich das Ding sehe."

Titus Bernhard ist Architekt. Zusammen mit seinem Kollegen Peter Kögl hat er die 30 000-Mann-Arena geplant. Mit allem Drum und Dran und gleich mehreren Vorschlägen für eine sehenswerte Fassade. Doch auch sechs Jahre nach der Eröffnung steht das Stadion immer noch splitterfasernackt da. Wie ein Rohbau, um es neutral auszudrücken. Wie das hässlichste Bundesliga-Stadion Deutschlands, um es emotional zu sagen. Die Fachleute von der Architektur-Zeitschrift Baumeister formulierten es so: "Ohne Außenhülle beeindruckt das Stadion als erratische Sitzmaschine."

Bernhard ist über den Beschluss alles andere als begeistert

Dieser Zustand wird trotz jahrelanger anderslautender Beteuerungen der Stadtoberen bis auf weiteres so bleiben. Am Mittwoch entschied der Wirtschaftsausschuss der Stadt, die Planungen bis auf den Sankt Nimmerleinstag zurückzustellen. Titus Bernhard ist über diesen Beschluss alles andere als begeistert: "Die Fassade fehlt einfach."

Was diesen Beschluss noch umstrittener macht: Das Stadion liegt an äußerst repräsentativer Stelle. Am südlichen Stadteingang, direkt an der Bundesstraße B 17. Jeder, der aus Richtung Landsberg/Allgäu in die Stadt fährt, kommt daran vorbei. Es sind täglich Tausende Fahrzeuge, und so mancher ortsfremde Insasse wundert sich, wie die Stadt so etwas zulassen kann. Rechts ein Zweckbau-Kubus eines Möbelhauses mit gigantischen Werbeplakaten. Und links der Stadiontorso mit grell leuchtendem Schriftzug des Namensgebers. Und ansonsten: hüllenlose Hässlichkeit.

Als die Stadt den Bau genehmigte, war noch die Rede von einer neuen Visitenkarte, einem repräsentativen Hingucker. Seit Mittwoch steht fest, dass die Arena bis auf weiteres in grauem Beton verharren wird.

Ursprünglich hatten die Architekten eine schmucke Außenhaut aus Glas vorgesehen, die sich wie ein sanfter Schleier über das Dach wölbt. Irgendwann musste der damalige FCA-Präsident Walther Seinsch einräumen, dass für dieses Konzept das Geld fehlt. Daraufhin planten Titus Bernhard und Peter Kögl einen Kokon aus Alu-Rohren, mit eingewebten Leuchtstäben. Doch aus dieses Konzept blieb in der Schublade. Der FCA konnte und wollte die drei Millionen Euro nicht locker machen - stattdessen wollte er als Bundesliga-Neuling jeden Cent in Spieler investieren.

Wie die Stadt den Verein aus seiner Verpflichtung entließ

Die Stadt, offensichtlich noch im Aufstiegsrausch, drückte beide Augen zu. Sie entließ den Verein aus der Verpflichtung, eine Fassade zu errichten. Damals, im Jahr 2011, tönte Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), die Stadt werde die Fassade "mittelfristig selbst errichten". Er sprach von einer "Vision" mit "ansprechender Fassade mit Solarmodulen, das stünde der Umweltstadt Augsburg gut zu Gesicht". Gribl ist bis heute im Amt, aber seine Vision ist vergessen.

Die offizielle Begründung der Stadt lautet: Es könnte ja sein, dass der FCA irgendwann seine Arena erweitert, in diesem Fall würde ein Fassadenbau zum jetzigen Zeitpunkt "unnötige Kosten" verursachen. Diese Argumentation kann Titus Bernhard nicht nachvollziehen: "Ich halte es für verfrüht, jetzt über eine Erweiterung des Stadions nachzudenken." Tatsächlich stellte auch der FCA klar, dass es derzeit "keine konkreten Pläne" für einen Stadion-Ausbau gibt. Auch im Stadtrat wurden die Argumente der Stadt als "an den Haaren herbeigezogen" und "durchsichtig" bezeichnet. Dennoch stimmte die Mehrheit der Räte zu, die Planungen auf Eis zu legen.

"Wir stehen für qualitätsvolle Architektur"

Das Stadion wird also hüllenlos bleiben, und die Architekten müssen hilflos zuschauen. Nun ist Titus Bernhard nicht irgendein Architekt. Er hat viele Preise gewonnen und einen Namen zu verlieren. "Wir stehen für qualitätsvolle Architektur", sagt er. "Natürlich hätten wir gerne, dass unsere Planung fertiggestellt wird."

Innen ist die Arena wohlgemerkt ein Schmuckstück. Die FAZ schrieb angesichts Architektur und Atmosphäre von der "schwäbischen Anfield-Road" - in Anspielung an das legendäre Stadion des FC Liverpools mit seiner einzigartigen Stimmung.

Im Sommer wird der FCA erstmals in der Klubgeschichte ein Pflichtspiel auf Europa League-Ebene austragen. Titus Bernhard wird dabei in der Sitzmaschine Platz nehmen. Stolz wie Bolle auf den FCA - aber auch voller Scham angesichts der Nicht-Fassade. Ob er es peinlich findet, wie sich die Stadt international präsentiert? Diese Frage lässt er lieber unbeantwortet.

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