Süddeutsche Zeitung

Seubersdorf:Mit Kniffen zur Umgehung

Um den Ort zu entlasten, sollen zwei Staatsstraßen mit einem Neubau verbunden werden. Laut Zusage von Ex-Verkehrsminister Dobrindt (CSU) will das der Bund bezahlen. Doch der ist dafür nicht zuständig. Zudem halten Kritiker das Projekt für komplett überflüssig

Von Christian Sebald, Seubersdorf

Wenn es um den Bau von Umgehungsstraßen geht, hat die CSU einen langen Atem. Der Streit um die Umgehung für Seubersdorf (Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz) aber dürfte ziemlich einmalig sein in Bayern. Und zwar nicht nur, weil er sich schon so viele Jahre lang hinzieht. Sondern auch deshalb, weil er zeigt, mit welchen Kniffen CSU-Politiker in Bund und Freistaat arbeiten, wenn sie sich einmal so ein Projekt in den Kopf gesetzt haben.

Das Besondere an der Umgehung für Seubersdorf, einen 5000-Einwohner-Ort nordwestlich von Regensburg, ist, dass der Bund die Finanzierung übernehmen will. Dabei wären der Bau und damit die Kosten für die neue Straße - wenn sie denn schon unbedingt errichtet werden soll - Sache des Freistaats. Die Umgehung verbindet schließlich zwei Staatsstraßen, die St 2660 und die St 2251. Doch das Bundesverkehrsministerium hat 2016 eine Kostenübernahme unterzeichnet. Damals war der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, Bundesverkehrsminister.

Der Oberpfälzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Schmidt, spricht empört von "Politik nach Gutsherrenart". Denn der Bund bezahle hier nicht nur für eine Straße, "die völlig überflüssig ist", sagt er, "sondern auch für eine, für die er keine Verantwortung hat". Alles in allem beziffern sich die Baukosten laut Vereinbarung auf 3,5 Millionen Euro. Aus Schmidts Sicht ist das Projekt "unnütz und schädlich", die Kostenübernahme durch den Bund nennt er "leichtfertiges und intransparentes Rauswerfen von Steuergeld".

Die Geschichte der Ortsumgehung für Seubersdorf reicht bis in die Sechzigerjahre zurück. Damals soll es laut einer Lokalzeitung die ersten Überlegungen für das Projekt gegeben haben. Die St 2660 war seinerzeit eine Bundesstraße, nämlich die B 8. Unterhalt, Modernisierung und alles andere, was mit ihr zu tun hatte, waren Sache des Bundes. Die Forderungen nach der Umgehung wurden immer wieder verworfen. Erst nach der Jahrtausendwende fand die Gemeinde Gehör. Ein Hauptgrund dafür war, so sagt der Seubersdorfer Bürgermeister Eduard Maier (CSU), "die schmale und niedrige Bahnunterführung in unserem Ort". Sie sei eine extreme Behinderung für den Lkw-Verkehr. Mit der Umgehung wäre das Nadelöhr kein Problem mehr. Die 1,8 Kilometer lange Straße soll die frühere B 8 und jetzige St 2660 im Norden von Seubersdorf mit der St 2251 verbinden. Auf ihr könnten die Lastwagen die Bahnunterführung problemlos umfahren. Auch die Seubersdorfer wollen die Umgehung. Zumindest stimmten sie vor zehn Jahren in einem Bürgerentscheid dafür.

Aus Sicht der Kritiker, allen voran des Bundes Naturschutz (BN), herrschte schon auf der B 8 und erst recht jetzt auf der St 2660 so wenig Verkehr, dass die Umgehung schlicht überflüssig ist. "Außerdem sollen 30 000 Quadratmeter Wald für sie geopfert werden", sagt BN-Chef Mergner. "Das akzeptieren wir nicht." Der BN hat früh gegen das Projekt geklagt.

Tatsächlich herrscht auf der früheren B 8 bei Seubersdorf eher wenig Verkehr. Sonst wäre sie nicht zur Staatsstraße herabgestuft worden. Zentrales Kriterium dafür ist, dass eine Bundesstraße ihre Bedeutung für den Fernverkehr verloren hat. Das ist in Seubersdorf der Fall. Keine zehn Kilometer von dem Ort entfernt verläuft die Autobahn 3. Der Fernverkehr ist längst auf der A 3 unterwegs, die B 8 wurde deshalb schon 2016 zur Staatsstraße abgestuft.

Damals wähnten sich die Gegner der Umgehung als Sieger. Ihr Kalkül: Wenn die B 8 ihren Status als Bundesstraße verliert, ist auch die Umgehung obsolet. Aber schon damals versuchte es die CSU mit einem Kniff. Der damalige Bundesverkehrsminister Dobrindt wollte die Abstufung der B 8 bei Seubersdorf so lange aussetzen, bis der Bund die Umgehungsstraße gebaut hat. Das machte jedoch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) nicht mit. Als er Wind von der Sache bekam, ließ er wissen, dass sie unzulässig ist. Also hob die Bezirksregierung die Baugenehmigung für die Straße auf. Der BN glaubte sich am Ziel.

Doch nun will der Freistaat in die Stapfen des Bundes treten und die Umgehung bauen. Das bayerische Verkehrsministerium teilte dem Grünen-Landtagsabgeordneten Jürgen Mistol auf eine Anfrage hin mit, dass die Staatsregierung an dem Projekt festhält. Als Grund nannten die Beamten von Ministerin Kerstin Schreyer (CSU), die enge und niedrige Bahnunterführung und eine beabsichtigte Entlastung der Ortsdurchfahrt selbst. Außerdem erwarte man in den nächsten Jahren bis zu zehn Prozent mehr Verkehr auf der St 2660. Dass der Bund die Baukosten übernimmt, dürfte der Staatsregierung die Entscheidung womöglich erleichtert haben.

Inzwischen läuft auch ein neues Genehmigungsverfahren. Dass Seubersdorf nun schnell zu seiner Umgehung kommen wird, gilt aber weiter als eher unwahrscheinlich. "Ich rechne fest mit einer neuen Klage", sagt der Grünen-Abgeordnete Mistol. "Denn das Projekt ist so was von aus der Zeit gefallen."

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SZ vom 20.11.2020
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