Süddeutsche Zeitung

Sekte der "Zwölf Stämme":Kind flüchtet vor Pflegeeltern

Sie wurden regelmäßig von ihren Eltern geschlagen, bis die Behörden eingriffen: Anfang September hat die Polizei der ultrakonservativen Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" 40 Kinder weggenommen und auf Pflegefamilien verteilt. Nun ist erneut eines der Kinder abgehauen.

Von Stefan Mayr und Dietrich Mittler

In den Fall um die 40 Kinder der ultrakonservativen Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" aus den Landkreisen Donau-Ries und Ansbach kommt keine Ruhe: Am Mittwoch hat sich einmal mehr ein Kind der Sekte aus seiner Pflegefamilie entfernt. Das zwölfjährige Mädchen verbrachte eine Nacht bei seinen Eltern auf dem Hofgut der Zwölf Stämme in Klosterzimmern.

Anfang September hatte die Polizei 40 Kinder in einer aufsehenerregenden Aktion aus den Familien genommen und den Jugendämtern übergeben. Diese brachten die Kinder in Pflegefamilien und Heimen unter. Grund des Eingriffs: Den Eltern wird vorgeworfen, ihre Söhne und Töchter regelmäßig mit Weidenruten zu schlagen. Die zuständigen Familiengerichte entzogen den Eltern vorläufig das Sorgerecht, die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt wegen des Verdachts derMisshandlung von Schutzbefohlenen.

Nach Angaben des Landratsamts Donau-Ries hatte die Pflegefamilie das Mädchen am Mittwochnachmittag bei der Polizei als vermisst gemeldet. Die Zwölfjährige war nach Informationen der Süddeutschen Zeitung im Raum Illertissen unterwegs. Dort wurde sie von ihren Eltern noch in der Nacht abgeholt. Das Kind übernachtete bei den Eltern, ehe diese am Donnerstagmorgen die Behörden kontaktierten. Daraufhin wurde das Mädchen abgeholt und vorübergehend in einem Heim untergebracht.

Bereits Anfang November waren zwei Geschwister von ihren Pflegeeltern abgehauen und hatten sich zu ihrer Großmutter in die Schweiz abgesetzt. Wenige Tage später wurden sie von der Schweizer Polizei nach Bayern überstellt.

Am Donnerstag beschäftigte sich auch der Sozialausschuss des Landtags mit den Zwölf Stämmen. Alle Fraktionen stimmten für einen Berichtsantrag der Grünen. Spätestens bis zum 23. Januar sollen nun das Sozial- und das Kultusministerium alle Fakten zusammentragen.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2013/wib
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