Süddeutsche Zeitung

Klausur in Seeon:Warum die CSU eine Kirchenmusikerin nicht mehr für sich orgeln lassen wollte

Weil sie für die Freien Wähler kandidiert hat, wollte die CSU eine andere Organistin bei ihrer Klausur-Andacht in Seeon. Das ließ man sich dort nicht gefallen.

Glosse von Matthias Köpf, Seeon

Gut, der Geist von Kreuth hat sich längst verflüchtigt, seit die CSU dem Wittelsbacher'schen Wildbad vor ein paar Jahren den Rücken gekehrt hat. Stattdessen geht die CSU-Landesgruppe im Bundestag seit 2018 winters im oberbayerischen Kloster Seeon in Klausur. Aber ob dieses Seeon wirklich das Richtige ist für die christsozialen Bundespolitiker? Schließlich liegen Ort und Kloster im Landkreis Traunstein, welcher mit dem Berchtesgadener Land den Bundestagswahlkreis Traunstein bildet.

Und in dem fuhr die CSU 2021 ein "miserables Ergebnis" ein, wie der mit 36,6 Prozent der Erststimmen trotzdem noch direkt gewählte Peter Ramsauer hinterher feststellen musste. Dafür kamen dort die sogenannten Sonstigen auf 18,3 Prozent der Erststimmen und 20,1 Prozent der Zweitstimmen, was vor allem an der Freie-Wähler-Kandidatin Andrea Wittmann lag. Die CSU hätte die Seeoner Kirchenmusikerin dafür jetzt am liebsten nicht mehr für sich orgeln lassen.

Dabei orgelt Wittmann in Seeon schon sehr viel länger als sich die Landesgruppe dort in Klausur begibt. Und bis neulich gab es mit der ökumenischen Andacht an Dreikönig auch nie Probleme. Der inzwischen pensionierte Leiter der zuständigen Trostberger Polizeiinspektion, Martin Hammerl, sollte wieder Trompete spielen und Wittmann eben Orgel. Dass Hammerl sich an der Hand verletzt hatte und von einem anderen Trompeter vertreten wurde, war nicht das Problem. Das Problem war plötzlich Wittmann.

Denn die Landesgruppe hatte sich wegen Corona zuletzt zweimal nur in Berlin getroffen, und in der Zwischenzeit hatte sich Wittmann von der konservativen Konkurrenz als Bundestagskandidatin aufstellen lassen. Die in einem Anruf aus Berlin vorgetragene Bitte, zur Klausur doch wen anders musizieren zu lassen, hat der Seeoner Pfarradministrator Florian Schomers laut Wittmann aber zurückgewiesen. Schon der Versuch hat ein Mitglied der Landesgruppe aber so verwundert, dass es die Sache einem Lokalreporter des Oberbayerischen Volksblatts gesteckt hat.

Dabei ist Wittmann nach eigenen Worten von Fraktionschef Alexander Dobrindt ebenso begeistert wie von Ministerpräsident Markus Söder. Sie sei ja "nur zufällig bei den Freien Wählern gelandet" und wäre eigentlich "die ideale CSU-Kandidatin" - und das nicht, weil sie nebenbei noch Biersommelière ist oder weil sie 2016 einem Österreicher in 15 Stunden und elf Sekunden den Rekord im Dauerjodeln abgejagt hat. Über beides hat sich aber bisher kein Christsozialer beschwert.

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