Süddeutsche Zeitung

Seehofers Asylpolitik:Wer abschiebt, wird entlastet

Horst Seehofer präsentiert sich in der Asylpolitik als harter Hund. Den bayerischen Landräten schlägt er einen besonderen Deal vor.

Von Dietrich Mittler, Heiner Effern, Katja Auer, Lisa Schnell und Wolfgang Wittl

Horst Seehofer ist mit sich im Reinen. Hier ein kleines Späßchen, da ein Seitenhieb - die Reaktionen auf seine Ankündigung, in Bayern zwei Abschiebezentren für Flüchtlinge einzurichten, haben den Ministerpräsidenten nicht sonderlich überrascht. Nicht einmal der Applaus von Pegida-Gründer Lutz Bachmann kann Seehofer etwas anhaben.

"Völlig piepegal" seien ihm solche Menschen. Er habe eine "große demokratische Grundüberzeugung", seine 40 Jahre in der Politik seien geprägt vom "ständigen Werken gegen Radikalismus von links und rechts".

Seehofers Plan steht: In spätestens drei Monaten soll es zwei Aufnahmezentren geben, in denen Verfahren von Flüchtlingen mit geringer Bleibeperspektive - überwiegend aus dem Balkan - in zwei Wochen abgewickelt werden können. Danach sollen die Asylbewerber umgehend abgeschoben werden. Die Opposition im Landtag sieht das als "eine Schande für Bayern". Doch Seehofer erfährt auch viel Zustimmung, gerade von Lokalpolitikern, die täglich neue Flüchtlinge unterbringen sollen.

Landräte

Das sind in erster Linie die Landräte. Am vergangenen Freitag unterrichtete sie ihr Präsident Christian Bernreiter (Deggendorf, CSU) telefonisch über die Pläne Seehofers. Er stieß dabei überwiegend auf Zustimmung, wie er sagt. "Wir brauchen dringend rasche Abhilfe." Noch sucht die Staatsregierung nach geeigneten Flächen, die nahe an den Flüchtlingsrouten aus dem Balkan liegen sollen. Am besten also in den Kreisen Passau und Rosenheim.

Grundsätzlich findet der Rosenheimer Landrat Wolfgang Berthaler (CSU) Abschiebezentren richtig. "Wir müssen neue Wege gehen. Einen Versuch ist es wert." Die Flüchtlinge aus dem West-Balkan würden die Plätze für tatsächliche Kriegsflüchtlinge blockieren. Immer neue Unterkünfte zu finden, sei schwierig. "Der Ton mit den Bürgermeistern wird rauer."

Auch sein Passauer Kollege begrüßt die Beschlüsse. Sie enthielten vieles von dem, was er selbst in München vorgeschlagen habe. Beschleunigte Verfahren und rasche Klarheit würden auch den Flüchtlingen helfen, sagt Franz Meyer (CSU). Sollte der Landkreis Passau als Standort für eines der beiden Zentren ins Auge gefasst werden, würde sich Meyer wohl nicht verschließen. Er sagt: "Wir stellen uns der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe."

Der Rosenheimer Landrat Berthaler sieht dagegen nur den Freistaat in der Pflicht. "Ich halte mich da raus." Nur so viel sagt er: An dem Ort, der gewählt wird, könnte es "einen Aufschrei geben". Seehofer macht den Landkreisen ein Angebot: Wer ein Abschiebezentrum einrichtet, werde von zusätzlichen Belastungen in der Asylfrage befreit.

Bürgermeister

"Das Problem lösen wir nicht durch Abschreckung hier, sondern durch Hilfe dort", sagt Nürnbergs Oberbürgermeister und Städtetagspräsident Ulrich Maly (SPD). Dort, das sind der Balkan, Kosovo, Albanien, Serbien. Die Länder, die dringend Unterstützung bräuchten. Maly ist - wie die CSU - dafür, diese zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, um den Zuzug von Flüchtlingen zu minimieren. Dennoch hält er den Tonfall von Seehofer für völlig daneben. Maly warnt davor, die "moralischen Ressourcen" im Land, also die große Hilfsbereitschaft der Bürger, zu destabilisieren.

"Wir stoßen jeden Tag an unsere Grenzen", sagt Stephan Winter (CSU), Bürgermeister von Mindelheim in Schwaben. Von den Plänen der Staatsregierung, vor allem Balkanflüchtlinge schneller abzuschieben, erhofft er sich Entlastung. Zeltstädte, wie sie Seehofer erwägt, seien "eines Landes wie Deutschland" aber "nicht würdig". Er spricht sich dafür aus, jedes Jahr ein gewisses Kontingent von Einwanderern aus den Balkanstaaten aufzunehmen. Denn in seiner Region bräuchten sie Arbeitskräfte - gerne auch aus Kosovo.

Auch Gerhard Jauernig weicht von der Linie seiner Partei ab: Er ist nicht nur bei der SPD, sondern auch Sprecher für Schwaben im Städtetag und damit "viel näher am Geschehen wie mancher Parlamentarier", sagt er. "Wenn wir die positive Haltung der Bevölkerung erhalten wollen, müssen wir den Mut haben, dort, wo Missbrauch offenkundig ist, in schärferer Weise vorzugehen", sagt er.

Jauernig unterstützt deshalb alle Maßnahmen, die Flüchtlinge aus dem Balkan abschrecken. Auch Zeltstädte, obwohl sie für ihn eigentlich "keine menschenwürdige Unterbringung" sind.

Björn Jungbauer (CSU) lässt gerade die Turnhalle in Kirchheim (Landkreis Würzburg) für 75 Flüchtlinge herrichten, die am Donnerstag kommen sollen. Die Hilfsbereitschaft ist groß. "Wir wollen ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen", sagt er. Damit die Stimmung nicht kippt, sei es aber wichtig, solchen Menschen Asyl zu gewähren, die es wirklich benötigten, sagt Jungbauer. Kriegsflüchtlinge also, Menschen aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea. Für Asylbewerber aus dem Balkan gebe es kaum Rückhalt in der Bevölkerung.

Die ehrenamtlichen Helfer

Ursula Stahlbusch aus Prien setzt sich seit Jahren in ihrer Freizeit für Flüchtlinge ein. Beim Wort "Abschiebelager" kommt ihr das Grausen. Sie erlebt aber auch, dass in Einzelfällen das Asylrecht missbraucht wird. Und vor allem, dass es schwierig ist, die Flüchtlinge unterzubringen. Das müsse man in erster Linie durch schnellere Bearbeitung der Anträge in den Griff bekommen, sagt sie. Es dürfe jetzt nicht zu "Schnellschüssen kommen, die nur Stimmung gegen Flüchtlinge machen".

Sollte Seehofer seinen Plan umsetzen, müssten rechtsstaatliche Grundsätze auch bei schnellen Abschiebungen unbedingt beachtet werden. Insbesondere auch die Rechte der verfolgten Roma müssen gewahrt sein. Sie dürften keinesfalls in Abschiebezentren landen.

Pfarrer Max Bauer hat den "Asylkreis Affing-Anwalting" bei Augsburg ins Leben gerufen. Was er von dem harten Durchgreifen der Staatsregierung halten soll, weiß er nicht so genau. Einerseits kritisiert er Aufnahmelager fast ausschließlich für Balkanflüchtlinge als eine "Zweiklassengesellschaft". Andererseits gebe es so viele Asylbewerber aus Kriegsgebieten wie Syrien, dass das Verständnis für Armutsflüchtlinge vom Balkan in der Gesellschaft sinke.

Die professionellen Helfer

Bei den Wohlfahrtsverbänden stößt die neue Asylpolitik auf Widerstand: "Mit markigen Worten löst man die Probleme nicht", sagt Caritas-Chef Bernhard Piendl. Thomas Beyer, der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Bayern, wirft der Staatsregierung eine brandgefährliche Politik vor: "Die von der CSU gewollte Einteilung von Menschen in gute und schlechte Asylbewerber halte ich für Diskriminierung in Reinform." Zum wiederholten Mal übe sich die Staatsregierung "in Meinungsmache, mit der sie Gefahr läuft, extremen Tendenzen Vorschub zu leisten". Die Diakonie fordert "sehr schnelle Asylverfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen". Doch die Ausgrenzung einer Flüchtlingsgruppe will Michael Bammessel, der Chef des Diakonischen Werkes, auf gar keinen Fall akzeptieren: "Das ist inhuman und gefährlich."

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SZ vom 22.07.2015/doen
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