Süddeutsche Zeitung

Seehofer-Vorstoß:Pkw-Maut für mehr Profil

Farblos sei die schwarz-gelbe Koalition in Berlin, lästert man in der CSU. Parteichef Seehofer will nun das Profil der Union schärfen - und bringt prompt eine Pkw-Maut ins Gespräch.

Frank Müller

CSU-Chef Horst Seehofer verstärkt beim Thema Verkehr den Druck auf die Berliner Bündnispartner CDU und FDP. Die Koalition müsse sich rasch darauf verständigen, wie sie den "Investitionsstau" bei zahlreichen Straßen- und Bahnprojekten auflösen will, verlangte der Ministerpräsident am Mittwoch im Landtag. Notwendig dazu sei die Einführung einer Pkw-Maut oder -Vignette.

Der Regierungschef forderte einen raschen Durchbruch bei dem Thema: "Das richtet sich an die Spitzen der Berliner Koalition, da müssen wir ernsthaft, wenn die Sommerpause vorbei ist, drüber reden", sagte Seehofer. Zurzeit herrsche bei vielen Projekten Funkstille, mangels Geld könne noch nicht einmal geplant werden. Seehofer: "Das sind doch alles keine Verhältnisse." Kanzlerin Angela Merkel habe er diese Kritik schon verdeutlicht, sagte er. Verantwortlich für den Stillstand seien alle Bundesregierungen seit der Ära Kohl.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer äußerte sich am Mittwoch zurückhaltend: "Das Thema muss reifen", sagte er. Die CSU-Vorstand habe die Einführung schon 2006 gefordert, aber "da gibt es Widerstände", erklärte Ramsauer unter Verweis auf CDU und FDP.

Seehofers Initiative schließt an die sich verstärkende Kritik aus der CSU am Erscheinungsbild der Berliner Koalition. Viele Abgeordnete der CSU fürchten, dass sie bei den Landtagswahlen 2013 in einen Berliner Abwärtssog geraten könnten. Landtags- und Bundestagswahl finden entweder gleichzeitig oder im Abstand von wenigen Wochen statt.

Erst am Vortag hatte Seehofers Vorgänger Erwin Huber "gewaltige Irritationen" bei den CSU-Wählern beklagt. Vielen Anhängern fehle die "ordnende Hand" in der Koalition, weil sie in der Arbeit von Schwarz-Gelb die "Sinnhaftigkeit" vermissten, sagte Huber. Gestern legte der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis nach. Die Kanzlerin und alle Führungskräfte der Union müssten endlich an einem klaren Profil arbeiten.

In der CSU-Spitze wächst nun bereits die Sorge vor einer Sommerdiskussion über die Lage der Union. Seehofer sagte gestern: "Öffentliche Belehrungen der Kanzlerin sind nicht gut." Er bezog sich auf Erwin Huber. Auch CSU-Fraktionschef Georg Schmid mahnte zur Geschlossenheit.

Seehofer will gleichwohl als Strategie für 2013 "auf die bayerische Karte setzen". Dies sage er auch derzeit auf allen Bezirksparteitagen der CSU. Auch seine Verkehrsinitiative sieht Seehofer als Teil einer Stärkung des Freistaats. Als besonders dringend sieht der Ministerpräsident einen Ausbau der Bahnstrecke München-Stuttgart zwischen Augsburg und Ulm an sowie die Anbindung des Münchner Flughafens, den Ausbau der A94 und bessere Verbindungen nach Prag und nach Südosteuropa.

Der Ausbau-Standard hinke dem immer weiter wachsenden Verkehr hinterher, meinte Seehofer, das erlebe er auch selbst permanent. Für die Strecke von seiner Heimatstadt Ingolstadt nach München brauche er bis zu zwei Stunden. "Früher bin ich eine Dreiviertelstunde vor der Vorstandssitzung von zu Hause losgefahren."

Die Koalition werde an der von der CSU schon wiederholt geforderten Mautlösung zur Finanzierung von Verkehrsprojekten nicht vorbeikommen, prophezeite Seehofer: "Ich wüsste nicht, wie das sonst finanziert werden sollte, man kennt ja den Bundeshaushalt." Er sei aber offen, wie eine solche Gebühr genau aussehen soll. "Am sympathischsten", so Seehofer, wäre ihm eine Lösung, die nur ausländische Autofahrer zur Kasse bittet. Schließlich zahlten deutsche Autofahrer auch in vielen Nachbarländern.

Bayerns SPD-Chef Florian Pronold lehnte eine Pkw-Maut umgehend ab. Anstatt die "Autofahrer zu melken" solle die CSU lieber einen Ausbau der Lkw-Maut forcieren. Die Laster seien schließlich hauptverantwortlich für viele Straßenschäden.

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SZ vom 14.07.2011/tob
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