Seehofer verärgert Prag:Ein diplomatischer Patzer und seine Folgen

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Die tschechische Regierung ist verstimmt, weil sich Horst Seehofer selbst nach Prag eingeladen hat - jetzt lässt sie ihn zappeln.

Klaus Brill

Es war ein simpler Satz, der den Verdruss bewirkte. "Ich möchte im Herbst dieses Jahres nach Prag fahren", sagte Horst Seehofer am 23. Mai beim Pfingsttreffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Augsburg. Der Wunsch wird kaum in Erfüllung gehen.

Auf dem Sudetendeutschen Tag in Augsburg kündigte Ministerpräsident Horst Seehofer im Mai an, er wolle nach Tschechien reisen. (Foto: dpa)

Seinen lange angedachten offiziellen Besuch in der Tschechischen Republik wird der bayerische Ministerpräsident wohl frühestens im nächsten Frühjahr antreten können. Sowohl die Art seiner Ankündigung als auch die Reaktionen der Tschechen lassen nicht erwarten, dass die Eiszeit in den politischen Beziehungen demnächst vorbei ist.

Sie dauert nun schon 17 Jahre. Ein bayerischer und ein tschechischer Ministerpräsident trafen sich offiziell zuletzt am 22. März 1993 in der Staatskanzlei in München - Max Streibl und Vaclav Klaus. Zwei Monate später dankte Streibl ab, Edmund Stoiber kam ins Amt. Nachdrücklich machte er im beidseitigen Verhältnis die Dekrete des einstigen tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes zum Thema, die nach Kriegsende 1945 als Legitimation für die Enteignung und Vertreibung der drei Millionen Sudetendeutschen dienten.

Dies förderte einen Geist der Konfrontation, der Jahr um Jahr bei den Sudetendeutschen Tagen in der Forderung nach Aufhebung der Benes-Dekrete mündete. Hingegen wurde ihre Gültigkeit in Tschechien vom Parlament bekräftigt.

So kam es, dass in Stoibers 14 Jahren Amtszeit ein Staatsbesuch in Prag nie zustande kam. Danach verhinderten politische Turbulenzen die Annäherung - die nur gut ein Jahr dauernde Regierungszeit von Stoibers Nachfolger Günther Beckstein ebenso wie der Sturz des tschechischen Premiers Mirek Topolanek im März 2009. In München erhoffte man sich, dass die Neuwahl des tschechischen Parlaments Klarheit bringen würde. Sie fand am 28. und 29. Mai dieses Jahres statt - fünf Tage nach Seehofers Auftritt in Augsburg.

Wahlsieger war eine bürgerliche Dreier-Koalition unter Petr Necas, dem Führer der Bürgerdemokraten (ODS). Er gilt als erzkonservativ, mit Blick auf das Verhältnis zu Deutschland teilt er wohl die Skepsis des Staatspräsidenten Vaclav Klaus. Jedenfalls empfanden es die neuen Herren in Prag als diplomatischen Patzer, dass Seehofer sich selber nach Tschechien eingeladen hatte, noch ehe er dort mit einem kompetenten Gesprächspartner die Reise abklären konnte.

Jetzt lässt man ihn warten. Eine förmliche Einladung hat Bayerns Ministerpräsident bis heute nicht, es gibt auch keine direkten Gespräche zwischen den Kanzleien der Regierungschefs in München und Prag. In Kontakt steht man über das Bundesaußenministerium und die tschechische Botschaft in Berlin. Bewegung ist kaum vor der Kommunal- und Senatswahl zu erwarten, die in Tschechien am 15. und 16. Oktober stattfindet.

Heikel bleibt auch danach die Frage, welches Programm sich der Besucher Seehofer in Tschechien vornimmt. Dem Vernehmen nach plant er, mehrere Tage im Land zu bleiben und nicht nur politische Termine in Prag wahrzunehmen, sondern auch Konzerte, Wallfahrtsorte oder Museen zu besuchen.

Ein Besuch "ohne zu wissen, ob er die Tür aufmachen wird"

Aber fährt er auch nach Lidice und Theresienstadt, um der Massaker der Nazis und der Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg zu gedenken? Reist er nach Usti nad Labem (Aussig) und Postoloprty (Postelberg) zu den Gedenktafeln für die Sudetendeutschen, die dort 1945 nach Kriegsende von Tschechen umgebracht wurden? Es wird ein Staatsbesuch der bedeutsamen Gesten sein, wenn er denn zustande kommt.

Einstweilen ist man in Prag noch ungehalten, dass Seehofer an Pfingsten nicht nur die Reise ankündigte, sondern auch anfügte, er werde dort "die Wahrheit" ansprechen, "von den Benes-Dekreten bis zu vielem anderen". Als Necas jüngst in Berlin bei Kanzlerin Angela Merkel weilte, die sich wärmstens für Seehofer verwandte, da gab er vor Journalisten schroff zu erkennen, für ihn habe der Besuch des Bayern keinen Sinn, wenn dieser "wieder vor allem Dinge aus der Vergangenheit hervorkramen" wolle.

Und Tschechiens Botschafter in Berlin, Rudolf Jindrak, merkte an: "Ich kann doch nicht sagen, ich komme zu jemandem auf Besuch, ohne zu wissen, ob der Betreffende mir auch die Tür aufmachen wird."

© SZ vom 15.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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