Seehofer und die CSU:Der kleine Strauß

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Die CSU macht jetzt durch, was die CDU schon hinter sich hat: Eine Erneuerung. Bei Seehofer bleibt die Frage: Wer führt die Partei, und wer das Land?

Heribert Prantl

Im Leben einer Partei gibt es Katastrophen, die wie eine Zeitmaschine funktionieren: Bei der CDU passierte das vor zehn Jahren, nach der Wahlniederlage gegen Schröder und dem Kohl-Spendenskandal. Die CDU wurde hineingestoßen in die Maschine, Ziel unbekannt. Sie wurde geschüttelt, gerüttelt und ramponiert. Aber nach ein paar Monaten hatte die Partei zehn Jahre übersprungen.

Alle Hoffnung ruht jetzt auf Horst Seehofer. (Foto: Foto: dpa)

Aus einer Partei, die Angst vor Frauen in der Politik hatte, wurde eine Partei mit einer Frau an der Spitze, aus dem Patriarchat Kohl wurde das Matriarchat Merkel; aus der CDU eine Partei, die in der Familienpolitik neue Wege ging.

Ab in die Zeitmaschine

Nach der Wahlkatastrophe ist nun die CSU in die Zeitmaschine geraten. Dass sie weiblicher wird (das wäre eine noch größere Sensation als bei der CDU), kann man nicht erwarten. Aber immerhin kriegt sie den schäfchenweichen Vorsitzenden Seehofer. Mehr weiß man noch nicht. Landet sie in neuen Zeiten, wenn ja in welchen? Kann Seehofer das CSU-Klima so verändern, wie Merkel es in der CDU verändert hat?

Die Zeitmaschine rüttelt noch, die Christsozialen murmeln verängstigt ein Stoßgebet: "Führung ist durch nichts zu ersetzen." Der Spruch stammt vom früheren CDU-Chef Rainer Barzel - und darin verdichtet sich das Hoffen und Sehnen der CSU. Der Spruch sagt sich leicht, aber die Schwierigkeiten beginnen schon bei der Frage, wie viel Macht die Führung haben soll: Darf es ein bisschen mehr sein? Darf ein Parteichef gar sehr viel mehr sein, nämlich auch noch Regierungschef?

Addieren sich die Ämter des Partei- und des Regierungschefs automatisch zu einer starken Führung - oder ist es besser, eine Doppelspitze zu haben, also das Spitzenamt der Partei und das Spitzenamt der Regierung zu trennen? Diese große Frage, welche die CSU plagt, ist nicht in Leadership-Seminaren zu klären. Dort lassen sich zwar Sätze formulieren wie: Getrennt marschieren, vereint schlagen. Dort kann man auch warnen vor der Rumpelstilzchen-Gefahr: Dass sich also der Inhaber des Doppelamts mitten entzwei reißt.

Das ist die Theorie. In der Praxis entscheidet darüber, ob und wie Führung funktioniert, nicht ein Modell, sondern die Frage, welche Personen für welche Modelle zur Verfügung stehen - simpel gesagt, ob die Politiker, die eine Doppelspitze bilden, es miteinander können. Weil Spitzenpolitiker es meistens nicht gut miteinander können, weil sie konkurrieren und wetteifern, funktioniert das Modell Doppelspitze meist nicht so gut.

Im Tandem eher schlecht

Trennung von Parteivorsitz und dem Amt als Regierungschef: Bei Huber/Beckstein funktionierte das mäßig, bei Waigel/Streibl war es nicht besser, bei Waigel/Stoiber noch schlechter; die Kombination Lafontaine/Schröder in der SPD war ein Desaster. Helmut Schmidt hat sein Scheitern als Kanzler auch darauf zurückgeführt, dass derweil nicht er, sondern Willy Brandt Parteichef war.

Gerade in der CSU gibt es freilich auch ein glänzendes Beispiel dafür, wie gut eine Doppelspitze arbeiten kann: Strauß war Parteichef während der bayerischsten Zeit der CSU - damals, als Alfons Goppel, von 1962 bis 1978, Ministerpräsident war. Es war dies die beste Zeit der CSU: Goppel als Hausvater in München, Strauß als Weltpolitiker in Bonn. Sie ergänzten sich gut, kamen selten über Kreuz, hatten ihre eigenen Kreise und ihre eigene Art, dem anderen seine Rolle zu lassen. Es lag an den Personen.

Machtmenschen wie Kohl oder Adenauer haben ihre große Macht als Kanzler auch aus ihrem Amt als Parteichef geschöpft. Einer wie Ludwig Erhard, zuvor glänzender Wirtschaftsminister, war dagegen sowohl in der Rolle des Kanzlers, als auch in der als Parteichef überfordert; die Kombination beider Ämter hat Erhards Schwächen nicht reduziert, sondern potenziert. Summa summarum: Man darf der oder den Personen nicht einfach Modelle überstülpen.

Autorität verspielt

Bei der CSU als einer Regionalpartei gibt es ein Sonderproblem, das sich bei Strauß gut zeigen lässt: Als der, nach seiner Niederlage als Kanzlerkandidat der Union, CSU-Parteichef blieb und sich als Ministerpräsident nach München zurückzog, hatte selbst er, mit all seiner Autorität, arge Schwierigkeiten, sich in Bonn Gehör und Gewicht zu verschaffen; er liebäugelte deshalb mit einem Spitzenamt in der Regierung Kohl. Aber da blieb er Zauderer, wie später sein Schüler Stoiber in der Regierung Merkel.

Diese Erfahrungen könnten einem Parteichef Seehofer nahelegen, lieber in Berlin Minister zu bleiben, als in München Ministerpräsident zu werden - um als Minister das bundespolitische Gewicht der CSU zu sichern. Aber wer macht dann zu Hause in München den braven Goppel? Ist es der Sohn des alten? Oder sind es Leute namens Schmid und Herrmann? Das Amt bräuchte Persönlichkeiten.

© SZ vom 2.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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