CSU nach den SondierungenSeehofer greift Söder offen an

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Horst Seehofer (rechts) und Markus Söder galten jahrelang als erbitterte Rivalen. Nun greift der ehemalige CSU-Chef seinen Nachfolger an.
Horst Seehofer (rechts) und Markus Söder galten jahrelang als erbitterte Rivalen. Nun greift der ehemalige CSU-Chef seinen Nachfolger an. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der ehemalige CSU-Chef wirft seinem Nachfolger bei den Schuldenplänen Wortbruch vor und kritisiert dessen Wahlergebnisse als historisch schlecht. Auch in der eigenen Bayern-Koalition droht Ungemach.

Von Thomas Balbierer und Johann Osel

Der frühere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat die Schulden-Pläne von Union und SPD scharf kritisiert – und auch seinen Nachfolger Markus Söder. In der Bild am Sonntag warf Seehofer CDU und CSU vor, sich eines „Wortbruchs“ schuldig gemacht zu haben. Die angekündigte Lockerung der Schuldenbremse für höhere Militärausgaben sowie ein 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur sei „das Gegenteil dessen, was wir vor der Wahl gesagt haben“. Die Union hatte sich vor der Bundestagswahl gegen höhere Schulden ausgesprochen, wie sie zum Beispiel die SPD gefordert hatte. „Offenbar mussten SPD und Grüne die Wahl verlieren, um am Ende das zu bekommen, was sie schon immer haben wollten“, so Seehofer. Er warnte angesichts der staatlichen Milliardenschulden vor einer hohen Inflationsrate.

Seehofer griff außerdem seinen Nachfolger als Ministerpräsident und CSU-Chef offen an: „Markus Söder ist jetzt seit sieben Jahren Parteivorsitzender. In dieser Zeit gab es zwei Landtags- und zwei Bundestagswahlen. Alle vier Wahlen gehören zu den schlechtesten in der Geschichte der CSU.“ Bei den von Seehofer angesprochenen Wahlen lagen die Ergebnisse der Partei in Bayern zwischen 31 und 37 Prozent – auch weil Freie Wähler und AfD teils stark zugelegt hatten. Die AfD holte bei der Bundestagswahl im Februar 19 Prozent in Bayern und wurde zweitstärkste Kraft. Die Partei sei inzwischen „auf Schlagdistanz“, warnte Seehofer. Mit „Bierzeltreden“ lasse sich die Partei nicht kleinmachen.

Söder weist Kritik zurück

Söder wies die Kritik am Sonntagabend in der ARD-Sendung Caren Miosga zurück: Der CSU-Vorstand habe die Beschlüsse der Sondierungen und den Schritt zu Koalitionsverhandlungen "einstimmig beschlossen.“ Er stimme zu, dass einem bei mancher Zahl „schwindelig werden“ könne. Angesichts der Herausforderungen, vor denen Deutschland wegen der internationalen Entwicklung stehe, sei vereinbart worden, die Schuldenbremse an einer Stelle zu öffnen, „was ich für richtig halte“.

Zugleich betonte Söder, dass die Union bei den Sondierungen mit der SPD auch viele zentrale Dinge durchgesetzt habe, die sie im Wahlkampf versprochen hatte. Als Beispiel nannte er den härteren Kurs bei der Migration und verschiedene Steuersenkungen. „Wir tun, was das Beste für das Land ist“, sagte der CSU-Chef.

Persönliche Kritik ließ Söder auch auf Nachfragen bei Caren Miosga abperlen. Eigentlich hätten er und Seehofer vereinbart, "dass wir nichts über uns sagen". Nachdem er nun sechs Jahre lang nichts von Seehofer gehört habe, "freue ich mich, dass er offenbar noch ganz munter ist".

Das Verhältnis zwischen Söder und Seehofer ist seit Langem belastet. Als Seehofer noch Ministerpräsident und Söder sein Finanzminister war, lieferten sich beide einen jahrelangen Machtkampf, der zum Teil auf offener Bühne ausgetragen wurde. 2012 attestierte Seehofer seinem Konkurrenten auf einer Weihnachtsfeier „charakterliche Schwächen“ und einen Hang zu „Schmutzeleien“. 2018 verdrängte ihn Söder schließlich aus dem Amt des Ministerpräsidenten, 2019 übernahm er auch den CSU-Vorsitz. Seehofer zog sich nach der Bundestagswahl 2021 aus der aktiven Politik zurück.

Als Ehrenvorsitzender der CSU bringt sich Seehofer dem Vernehmen nach in den Parteigremien intern nicht ein, gestaltet also nicht aktiv mit; anders, als es andere Altvordere der Partei handhaben. Seehofers Zwischenruf gilt daher zunächst als Einzelmeinung. Er greift aber eine These auf, die als Stimmung hinter vorgehaltener Hand in der CSU schon länger kursiert – dass nämlich Söders Erfolgsbilanz bei Wahlen eher dürftig sei.

Der „Knallhart-Plan“ der CSU wurde in den grundsätzlichen Linien durchgeboxt

Offiziell machten sich nach den 37,2 Prozent bei der Bundestagswahl aber bislang keine Anzeichen von Revolte breit. Es gibt keine Indizien, dass Söders Quasi-Alleinherrschaft in der CSU wanken könnte. In der Partei scheint man sich darauf geeinigt zu haben, dass der Status als mit Abstand stärkste Kraft halbwegs passabel verteidigt wurde. Offen ist, ob sich in der CSU nun weitere Stimmen Seehofers Kritik am Sondierungsergebnis in Berlin oder an Söder persönlich anschließen werden.

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Der CSU-Vorstand ebnete am Sonntagmorgen als erste Partei den Weg für den nächsten Schritt nach der Sondierung. Das Gremium stimmte formal der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu, einstimmig, wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Teilnehmer meldete. Söder sagte demnach, es seien harte Gespräche mit der SPD gewesen, doch sei ein „Richtungswechsel“ gelungen.

Tatsächlich kann Söder darauf verweisen, dass zahlreiche CSU-Themen im Sondierungspapier verankert sind, zuvorderst in der Migrationspolitik. Aus dem „Knallhart-Plan“ (Zitat CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt) im Wahlkampf sind viele Forderungen zwar nicht in der vor der Wahl versprochenen Schärfe und Konsequenz, aber doch im Grundsatz durchgeboxt worden: etwa bei der Grenzsicherung inklusive Zurückweisungen, sofern rechtlich möglich, mehr Abschiebungen (auch nach Syrien und Afghanistan), weniger Familiennachzug oder eine bundesweite Bezahlkarte für Asylbewerber.

Aiwanger könnte daheim in München noch Ärger machen

Söder dürfte jede womöglich aufkeimende Kritik in der Partei damit kontern. Auch einige Liebhaber-Themen der CSU wie die Mütterrente, die Agrardiesel-Subvention für Bauern oder die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie zumindest für Speisen haben den Sondierungsprozess erfolgreich überstanden.

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Offener Streit könnte Söder weniger in der eigenen Partei als in der bayerischen Koalition zwischen CSU und Freien Wählern drohen. Die bei der Sondierung ebenfalls verabredete Lockerung der Schuldenbremse auf Landesebene benötigt eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Und auch die Finanzpläne für den Bund gehen nicht ohne Einigkeit zwischen den Partnern CSU und FW; sonst müsste sich der Freistaat im Bundesrat enthalten. Zuletzt hatten die FW offen gelassen, ob sie die schwarz-roten Pläne mittragen. Söder gab sich zuversichtlich, auch die Aiwanger-Partei werde den Nutzen der Finanzreformen erkennen.

Bei den FW verlangte man dagegen ausführliche Erläuterungen des Schuldenpakets. Aiwanger nutzte auf der Plattform X sogar „Wählertäuschung“ als Hashtag. Die Dinge müssten nun „genauer unter die Lupe genommen“ werden. Nicht vergessen hat man bei den Freien Wähler Söders Schmähungen, gerade in jüngster Zeit. Beim politischen Aschermittwoch sagte er über Aiwanger: „Ich habe keine Lust mehr, bundespolitisches Gequake von Leuten zu hören, die null Ahnung von der Sache haben.“

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