Seehofer-Nachfolge:Wie die CSU auf das Duell Söder gegen Herrmann reagiert

Seehofer-Nachfolge: Ein Bild aus alten Tagen, als von einer Nachfolge für Horst Seehofer noch lange nicht die Rede war: Joachim Herrmann und Markus Söder auf einem CSU-Parteitag im Jahr 2009.

Ein Bild aus alten Tagen, als von einer Nachfolge für Horst Seehofer noch lange nicht die Rede war: Joachim Herrmann und Markus Söder auf einem CSU-Parteitag im Jahr 2009.

(Foto: imago stock&people)
  • Zum ersten Mal steht der CSU eine Kampfabstimmung um das Amt des Ministerpräsidenten bevor.
  • Innenminister Joachim Herrmann tritt gegen Finanzminister Markus Söder an.
  • Herrmann äußert sich bisher nicht dazu. Söders Freunde sind empört.

Von Roman Deininger, Lisa Schnell und Wolfgang Wittl

Es ist kurz nach fünf, als die Nachricht am Mittwoch im Bayerischen Landtag einschlägt. Ein CSU-Abgeordneter nach dem anderen starrt auf sein Handy, einer nach dem anderen verlässt das Plenum. Was da besprochen wird? Egal. Wichtig ist nur diese Zeitungsmeldung: Innenminister Joachim Herrmann tritt gegen Finanzminister Markus Söder an, dabei hat sich noch keiner der beiden erklärt. Zum ersten Mal steht der CSU eine Kampfabstimmung um das Amt des Ministerpräsidenten bevor. Die erste Reaktion: Schockstarre. Die zweite: helle Aufregung. Überall wird diskutiert, hektisch ins Handy getippt. Dann kommt Joachim Herrmann.

Langsam schreitet er hinein in die Unruhe, sofort bestürmt von zwei aufgewühlten CSU-Frauen. Herrmann trägt sein sanftes Lächeln auf den Lippen, durch die in solchen Momenten nichts anderes kommt als: "Ich sage dazu nichts." 93 Mal wird er den Satz nach eigener Zählung wiederholen, ehe er dem Trubel wieder entschwebt. Länger bleibt Georg Eisenreich, Kultusstaatssekretär und überzeugter Söderianer. Etwas erhöht steht er in einer Traube von Söder-Unterstützern im leeren Parlamentssaal und leitet eine Art Kriegsrat. Am Ende ist folgende Sprachregelung festgelegt: "Wir lieben die Demokratie", sagt Eisenreich und muss dabei selbst lachen.

An allen Ecken und Enden bebt die CSU-Landtagsfraktion. Am Montag will sie ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018 wählen, sofern Horst Seehofer wie erwartet erklärt, dass er nicht mehr antritt. Es soll die Vorentscheidung für den Parteitag Mitte Dezember sein. Seit Monaten haben die zahlreichen Söder-Freunde in der Fraktion auf diesen Tag hingearbeitet.

Und nun diese Schlagzeile. Auch Herrmann melde Ansprüche an - als Ergebnis eines Geheimtreffens mit ausgewiesenen Söder-Widersachern in der Staatskanzlei: Seehofer, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Parteivize Manfred Weber. Kann das sein? Darf das sein? Ausgerechnet der brave Parteisoldat Herrmann tritt gegen seinen fränkischen Landsmann Söder an?

Söders Freunde sind empört, vor allem wegen des Geheimtreffens. Mit welcher Legitimation sich dieses Quintett treffe, wird geschimpft. Sie werfen Seehofer Trickserei vor. Der CSU-Chef unternehme alles, um Söder zu verhindern - und Herrmann lasse sich vor seinen Karren spannen. Die Worte "Hinterzimmerpolitik" und "Verrat" machen die Runde. Und dass die Nachricht Herrmann massiv schade, weil sie Söders Reihen noch mehr schließe.

Herrmann legt völlig unangefochten die alte Platte auf

Einige wollen auch am Donnerstag noch nicht glauben, dass Herrmann wirklich aufsteht. Doch es gibt auch solche, die mit einem versteckten Grinsen durch die Flure ziehen. "Endlich Hoffnung", schreibt ein Abgeordneter. Auch andere freuen sich über die Alternative Herrmann, denn: Es müsse sichtbar werden, dass die CSU mehr zu bieten habe als Markus Söder.

Viele fragen sich: Was wurde in dieser Geheimrunde genau besprochen? Wirklich eine Kandidatur? In seiner Anwesenheit sei das nicht vereinbart worden, sagt Herrmann am Mittwochabend zu CSU-Abgeordneten, er habe sich auf nichts festgelegt. Offenbar gibt es unter den Beteiligten unterschiedliche Wahrnehmungen: Von einer festen Zusage wird in der CSU getuschelt, andere wollen gehört haben, Herrmann stehe womöglich bereit.

Nur: wofür? Vielleicht wolle man dem Innenminister ja durch Gerüchte schaden, sagen welche. Das dürfte mit Blick auf die vier Gesprächspartner unwahrscheinlich sein. Wollten sie Herrmann auf diese Weise zur Kandidatur drängen? Herrmann sagt öffentlich nichts. Nur dass er Seehofers Erklärung abwarte. Ein Dementi vermeidet er aber.

"Gemach, gemach"

Genauso hält es Joachim Herrmann auch bei seinen öffentlichen Terminen am Donnerstag. Es mag ein neuer Tag sein, aber Herrmann legt völlig unangefochten die alte Platte auf: Respekt und Anstand, erst muss Seehofer sich äußern. Zum Schluss noch ein Satz, der so schwer ist, dass er bei jedem Wort abzustürzen droht: "Danach ist gegebenenfalls zu sehen, inwieweit sich Nachfolgefragen ergeben."

Andere können es kaum erwarten, die Nachfolgefragen klar zu beantworten. "Guten Morgen, Herr Ministerpräsident", ruft Siegfried Balleis seinem Partei- und Privatfreund Herrmann entgegen, als dieser am Vormittag in der Orangerie im Erlanger Schlossgarten ankommt. Es ist der einzige Moment, in dem Herrmanns Grundruhe kleinste Risse bekommt. "Gemach, gemach", sagt er, lachend, aber eher laut.

Erlangen ist Herrmanns Heimat, die Feierstunde zum zehnten Geburtstag der Forschungsstiftung Medizin der örtlichen Uni so was wie die Hauptversammlung des Joachim-Herrmann-Fanklubs. Ständig wird in der Orangerie "unserem Herrn Staatsminister" für irgendwas gedankt.

Hinterher erklärt Balleis, der 18 Jahre lang Oberbürgermeister in Erlangen war, warum Herrmann für ein anderes Amt "herausragend geeignet" sei: "Ein Ministerpräsident muss in sich ruhen, der darf nicht wie ein Rotor rumwirbeln. Das ist ein Amt, das Verantwortung und Würde erfordert. Das alles bringt nur eine gereifte Persönlichkeit wie Joachim Herrmann mit." Balleis hat damit auch gleich erklärt, wen er für herausragend ungeeignet hält.

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