Seehofer-Nachfolge in Bayern:Es lebe die Kronprinzessin

Ilse Aigner, CSU, Bayern

Ilse Aigner posiert bei einem Wanderausflug in der Nähe von Marquartstein. Sie gilt als Favoritin für die Nachfolge Horst Seehofers als bayerischer Ministerpräsident.

(Foto: Getty Images)

Kaum haben die Bayern Horst Seehofer als Ministerpräsidenten bestätigt, reden bereits alle über seine Nachfolge. Wer den CSU-Chef beerben wird, ist für viele klar: Ilse Aigner soll künftig die CSU-Fraktion im Landtag führen. Höchstens einer will dies noch nicht wahrhaben.

Von Mike Szymanski

So hört sich in Bayern ein Ministerpräsident und CSU-Chef an: "So, guten Morgen allerseits." Dabei ein entschlossener Blick, der die Journalisten herausfordert. Was wollt ihr wissen? Ich erkläre euch die Welt! Viel Ruhe, viel Gelassenheit. So war das immer, wenn Horst Seehofer montagmorgens vor die Medienleute trat, kurz bevor sich der CSU-Vorstand trifft.

Aber jetzt steht Ilse Aigner hier.

Es ist der Montag nach der Landtagswahl, bei der die CSU so eindeutig mit 47,7 Prozent gesiegt und die Alleinregierung für sich zurückgeholt hat. Und wer schon mal einen Blick in die Zukunft dieser Partei wagen will, sollte die Auftritte vor der Vorstandssitzung auf keinen Fall verpassen, und den von Aigner, 48, sowieso nicht.

Seehofer hat schon angekündigt, dass er bald den Generationenwechsel in Angriff nehmen will. Nach dieser Wahl sei "Schluss für ihn". Fünf Jahre immerhin noch, aber 2018 tritt er nicht mehr an. Das sind Sätze, die die CSU elektrisieren, weil sich gleich alle fragen: Wer macht es dann?

Eine Entscheidung könnte schon bald nach der Bundestagswahl fallen, vorher definitiv nicht. Das hat Seehofer angeordnet. Keine Personaldiskussionen, solange die Union in Berlin noch kämpft. Aber trotzdem reden alle, nur ohne sich mit Namen zitieren zu lassen. Die CSU muss den mächtigen Posten des Fraktionsvorsitzenden neu besetzen. Dazu muss man wissen, dass die Fraktion wiederum den Ministerpräsidenten wählt. Wer die Landtagsabgeordneten anführt, hat eine kleine Armee hinter sich. So einfach ist das.

Und muss man diesen Auftritt von Ilse Aigner nicht schon als Bewerbung verstehen? Für Seehofer, für die CSU hat die Bundeslandwirtschaftsministerin ihre Karriere in Berlin sausen lassen und ist zurückgekehrt nach Bayern. In ihrem Heimatbezirk Oberbayern hat die CSU knapp acht Prozent zugelegt, auf 47,1 Prozent.

Das Herz wieder zum Schlagen gebracht

Die Oberbayern verstehen sich als Herzkammer der CSU, die meisten Abgeordneten kommen da her. Aber 2008, nach dem Abgang Edmund Stoibers, war die CSU dort abgestürzt. Aigner hat das Herz wieder zum Schlagen gebracht. Sie nennt ihre eigene Arbeit ohne falsche Bescheidenheit eine "gewaltige Leistung". Die Rückkehr der CSU habe, "mit Verlaub", auch etwas mit "meiner Wenigkeit" zu tun, sagt sie.

Kurz darauf der Auftritt von einem, der normalerweise nicht dazu neigt, sich kleinzumachen: Markus Söder. Finanzminister. Und einer, der immer mehr will. Er hat nie ein Geheimnis draus gemacht, dass er Seehofer einmal beerben will.

Aigner und Söder sind Konkurrenten.

An diesem Montag hört sich Söder nicht sonderlich siegessicher an. Die CSU in Nürnberg hat ihr schlechtestes Landtagswahlergebnis seit 43 Jahren eingefahren. Söder selbst hat in seinem Stimmkreis Nürnberg-West sein Ergebnis von 2008 um 2,9 Punkte verbessert. Seehofer hat vor der Wahl gesagt: "Die Wahrheit liegt in der Wahlurne."

Die Machtbalance hat sich verschoben

Söder findet gerade keinen guten Boden vor, um sich besonders breitbeinig hinstellen zu können. Er sagt, der CSU-Sieg in Bayern sei ein "persönlicher Erfolg" für Horst Seehofer. "Respekt!"

Doch nicht nur Seehofer hat gewonnen. Am Wahlsonntag hat sich die Machtbalance in der CSU noch einmal eindeutig zugunsten von Ilse Aigner verschoben. Auf einen offenen Machtkampf wird Söder es nicht ankommen lassen, heißt es aus dem Lager seiner Unterstützer. Er hätte auch keine Chance. Seehofer hat gleich am Wahlabend klargemacht, dass er alle Personalentscheidungen in "Harmonie, Eintracht und Einvernehmen" treffen will. Und am Montag wird er noch mal deutlich: "Keine Kampfabstimmungen!" Er will jetzt die Bezirksvorsitzenden zu Vier-Augen-Gesprächen treffen. Die Bezirkschefs sind mächtige Leute, die Kurfürsten der CSU.

Noch in der Wahlnacht haben die Mächtigen der CSU-Oberbayern mit Seehofer in der Wahlkampfzentrale zusammengehockt. Die scheidende Fraktionschefin Christa Stewens, der frühere Parteichef Edmund Stoiber, Generalsekretär Alexander Dobrindt, die Chefin der Bundestagsabgeordneten, Gerda Hasselfeldt - und Ilse Aigner. Stewens spricht schon wie selbstverständlich von ihrer Nachfolgerin, wenn sie auf diese Personalie angesprochen wird, und beeilt sich dann, dies hinterher als Versehen darzustellen.

Söder war in dieser Nacht in Nürnberg.

Am Montag lässt sich die Lage so zusammenfassen: Wenn Seehofer Aigner an der Fraktionsspitze nicht verhindert, dann wird sie wohl den Posten bekommen. In der CSU Oberbayern heißt es übereinstimmend, Aigner müsse sich um diesen einflussreichen Posten bewerben. Ein erfahrener CSUler beschreibt die Situation so: "Dieses Signal wird sich Ilse Aigner nicht entgehen lassen dürfen."

"Wir sind uns einig"

Die eigenen Leute wären enttäuscht, wenn sie es nicht macht. Ein anderer aus der Parteispitze sagt: Aigner habe die CSU in Oberbayern geschlossen hinter sich: "Wir sind uns einig." Der Einzige, der noch glaube, hier seien die Machtverhältnisse noch nicht geklärt, sei Söder. Auch in anderen Landesteilen hat Aigner schon Unterstützer. Bei den Niederbayern heißt es: "Ohne starke Oberbayern gibt es keine starke CSU." Aigner dränge sich daher nahezu auf. Auch die Schwaben haben große Sympathien für Aigner. Gegen so viele Aigner-Fans kommen die Franken nicht an.

So laufen in der CSU Personaldiskussionen, die es offiziell noch nicht geben darf. Das letzte Wort in dieser Frage wird Seehofer haben. Mit dem Triumph ist er mächtig genug, er spricht die Beförderungen aus. Dass er sich für Söder starkmacht, ist unwahrscheinlich. Ein Fraktionschef ist für ihn schwer zu kontrollieren. Söder wäre eine Dauergefahr. Aigner und Seehofer bilden dagegen seit Monaten ein Team, wenn man in der Zusammenarbeit mit Seehofer überhaupt von Teamarbeit reden kann. Sie sind voll des Lobes füreinander. Und Aigner wäre nicht dort, wo sie heute steht, wenn Seehofer sie nicht gefördert hätte.

Es besteht noch die Möglichkeit, dass Seehofer den Fraktionsvorsitz jemandem anderen anvertraut und Aigner vielleicht zur Wirtschaftsministerin macht. Dann bliebe die Nachfolgefrage noch eine Zeit lang spannend. Aber Aigner ist eigentlich schon zu mächtig geworden, um sich vertrösten zu lassen.

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