Seehofer gegen Söder:Ende einer Männerfreundschaft

Horst Seehofer, Markus Söder, Bayern, CSU

Beziehung auf des Messers Schneide: Auch beim Starkbieranstich war das schwierige Verhältnis von Horst Seehofer (gespielt von Wolfgang Krebs) und Markus Söder (Stephan Zinner) Ziel von Spott.

Dass das Verhältnis zwischen Horst Seehofer und Markus Söder wieder in Ordnung ist, betonen die beiden ständig. Quatsch. In Wirklichkeit herrscht zwischen Ministerpräsident und Finanzminister Eiseskälte. Bei einer internen Besprechung geriet Seehofer jetzt wieder einmal in Rage. Selbst Kraftausdrücke sollen gefallen sein.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

"Das Ding ist erledigt." Die Fernsehzuschauer, die Markus Söder am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" verfolgen, hören diesen Spruch gleich mehrmals, immer neu variiert. "Wir haben die Dinge geklärt", sagt der bayerische Finanzminister. "Das hat sich dann auch geklärt." Und zur Sicherheit gleich noch einmal: "Wir haben mehrfach darüber geredet, und das Ding ist erledigt."

"Wir": Das sind die früheren Parteifreunde Horst Seehofer und Markus Söder. "Das Ding": Das ist die berühmte Eskalation nach den Beschimpfungen Seehofers über Söder bei einer CSU-Weihnachtsfeier.

Doch "erledigt": Das ist eine beschönigende Irreführung des Publikums. Nichts ist erledigt. Denn wie wenig die Dinge zwischen dem Ministerpräsidenten und seinem Finanzminister geklärt sind, das macht ein Vorfall deutlich, der der SZ von mehreren Seiten bestätigt wird.

Staatskanzlei, vorvergangener Freitag. Bei Horst Seehofer ist eine Sitzung angesetzt. Es tagt der Stiftungsrat der Bayerischen Landesstiftung, eine kulturell und sozial aktive, wohltätige Organisation des Freistaats. Weil sie wegen ihres Aktienportfolios in die Krise geraten ist, will das mit Parlamentariern aller Fraktionen besetzte Gremium ein neues Konzept der Vermögensverwaltung beschließen. Doch der Beschluss fällt aus.

Seehofer ist so erbost über Söder, dass das Gremium unverrichteter Dinge wieder auseinandergehen muss. Denn Söder fehlt. Zwar lässt er sich von seinem Staatssekretär Franz Pschierer ordnungsgemäß vertreten. Doch das reicht Seehofer nicht. Wütend, so wird es berichtet, schickt er Pschierer hinaus wie einen Schulbuben. Er soll Söder holen. Denn er erwarte, das macht Seehofer deutlich, dass bei einem Beschluss dieser Tragweite zumindest die beiden da sind, die kraft ihrer Ämter in der Staatsregierung dem Stiftungsrat angehören: Seehofer als Chef. Und Söder als sein Stellvertreter.

Doch Söder ist nicht greifbar, er ist nicht in München, sondern in Nürnberg. Seehofer bricht die Sitzung ergebnislos ab, man vertagt sich, nicht gerade zur Freude derjenigen Mitglieder des Gremiums, die sich den Termin am Freitagnachmittag frei gehalten haben. Die Anwesenden haben die Atmosphäre als höchst unangenehm in Erinnerung. Seehofer sei außer sich gewesen, die Atmosphäre schneidend. "Mir bleibt ja nicht oft der Mund offen stehen, aber da war es so", sagt einer. Selbst Kraftausdrücke sollen gefallen sein, jemand anderer meint, eher ironisches Abkanzeln herausgehört zu haben. Ein Dritter sagt, eine normale Skala reiche gar nicht aus, um die Wut Seehofers zu beschreiben. Ein Vierter ergänzt, es gehe offenbar um rein Atmosphärisches. "Ich weiß auch nicht, was die für ein Problem miteinander haben."

Sie haben eines, immer noch, und der Fall weckt Erinnerungen an den mittlerweile legendären Auftritt Seehofers im Café Reitschule am 10. Dezember 2012. Bei der CSU-Weihnachtsfeier kanzelte Seehofer den abwesenden Söder vor versammelter Journalistenmannschaft ab: "vom Ehrgeiz zerfressen", "charakterliche Schwächen", "zu viele Schmutzeleien". Es folgt ein ernst zu nehmender Protest in der Landtags-CSU, die den sonst so ungeliebten Söder in Schutz nimmt. Dann ein Krisengipfel, der nur einen Waffenstillstand bringt. Bis heute ist nicht aufgeklärt, was Seehofer so in Rage brachte. In der CSU wird erzählt, es sei um abfällige Bemerkungen Söders über seine kommende Landtagskonkurrentin Ilse Aigner gegangen.

"Ich bin auch, ehrlich gesagt, nicht so eine Heulsuse"

Seitdem hat man Söder und Seehofer nie wieder in herzlicher Verbundenheit gesehen. Sie treffen häufig aufeinander, stets steht erkennbar etwas mit im Raum, trotz all der Bekenntnisse, man habe sich ausgesprochen. So ist es auch an diesem Mittwoch. Söder und Seehofer treffen sich im Landtag vor dem Fraktionsraum. Keine Geste der Herzlichkeit, kein freundliches Wort. Ihre Wege kreuzen sich. Nicht mehr.

Seehofer nennt, was vorgefallen ist, "Pipifax". Und räumt ein: "Ich hätte ihn gerne dabeigehabt." Schließlich sei es um eine Grundsatzfrage gegangen. Nun werde demnächst entschieden. "Das passt so." Die Zusammenarbeit mit Söder funktioniere "sehr gut". Auch an Söders Auftritt bei Lanz störe er sich nicht. Söder sei "mit einem Maße an Humor an das Gespräch herangegangen, das mir gefällt".

Auch Söder spielt alles herunter, zuckt mit den Achseln. "Ich sehe das nicht so dramatisch", sagt er "Wenn man sich wegen der politischen Dimension noch mal besprechen will - kein Problem." Er, und das schwingt in seinen Worten mit, bräuchte ein neuerliches Treffen jetzt nicht unbedingt. Sein Staatssekretär sei ein guter Mann. Pschierer habe sich federführend um die Stiftung gekümmert. "Dafür haben wir Staatssekretäre. Pschierer war sprechfähig", sagt Söder.

Seehofers engster Machtzirkel

Auf die Frage, wie er das Verhältnis zu Seehofer beschreiben würde, erkundigt er sich zunächst, was Seehofer geantwortet hat. Dann sagt auch er: "Sehr gut."

Über Seehofers mitunter ruppigen Stil, wie er in dieser Woche auch durch die hämische Attacke auf seinen bisherigen SPD-Gegenkandidaten im Stimmkreis, Mahmoud Al-Khatib, wieder offenbar wurde, ist seitdem in der CSU viel gesprochen worden. Söder dagegen scheint das Zerwürfnis mit Seehofer nicht geschadet zu haben. Auch er aber muss, wie zuletzt am Nockherberg, damit leben, dass das Thema nicht wieder verschwindet. Auch wenn er es bei Lanz dann noch einmal betont: "Wenn's dann mal ausgesprochen ist, muss man's auch mal für sich erledigt sein lassen."

Söders Talkshow-Auftritt ist interessant, auch weil es nach einem bei Maybrit Illner der zweite in nur sechs Tagen ist. In der Runde und im Publikum bei Lanz scheint sich Söder Sympathien zu erspielen, auch damit, dass er einräumt, "getroffen" und "schon auch verletzt" gewesen zu sein. Und dann anfügt: "Ich bin auch, ehrlich gesagt, nicht so eine Heulsuse."

Dass Söder die Talkshows gerne aufsucht, weiß man schon länger. Ironischerweise kündigt die SPD genau am Tag des neuerlichen Aufeinanderpralls eine Anfrage zu Söder an: weil er zu viel Zeit in den Talkshows verbringe und zu selten in den Sitzungen sei. Während all das passiert, hat Söder schöne Termine: Am Vormittag macht er eine Pressekonferenz mit dem Dirigenten Enoch zu Guttenberg, am Nachmittag lässt er sich am Nürnberger Flughafen beim 40-jährigen Jubiläum der Turkish Airlines ablichten. Wenn Seehofer ihn braucht, hat er keine Zeit. Der Machtmensch Söder, das ist unübersehbar, nimmt gerade wieder Fahrt auf.

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