Seehofer auf dem CSU-Parteitag:Liebesgrüße nach Berlin

CSU-Parteitag

Host Seehofer auf dem CSU-Parteitag: "Ich bin froh, dass wir keine Diskussion brauchen."

(Foto: dpa)

Strauß und Stoiber hat er schon lange eingeholt: CSU-Chef Horst Seehofer ist auf dem Höhepunkt seiner Macht. Unmut in seiner Partei kann er im Keim ersticken, Widerspruch gibt es nicht. "Ich bin froh, dass wir keine Diskussion brauchen", kommentiert er das trocken. Doch allzu deutlich darf er seine Machtfülle nicht zeigen, will er die SPD in Berlin nicht verschrecken.

Vom Parteitag berichtet Sebastian Gierke

Als Innenminister Joachim Herrmann das Wahlergebnis verkündet, bleibt Horst Seehofer erst einmal sitzen. Für eine Sekunde. Und noch eine. Die Welle des Applauses hat ihn schon lange überspült, da erhebt er sich langsam, fast träge, als wäre er gerade aus dem Schlaf erwacht.

95,3 Prozent der Delegierten haben für Seehofer gestimmt auf dem CSU-Parteitag in München. Auch seine Stellvertreter schnitten allesamt ordentlich ab: Der Euro-Kritiker Peter Gauweiler als neuer im Kreise der Vizes erhielt 79,1 Prozent der Stimmen, Landtagspräsidentin Barbara Stamm 89,0 Prozent, Verkehrskehrsminister Peter Ramsauer 86,4 Prozent und Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt 88,8 Prozent.

Für Seehofer ist es ein sehr gutes Ergebnis. Vor zwei Jahren hatte er noch 89,9 Prozent erhalten. Bei seiner ersten Wahl 2009 waren es 88,1 Prozent. Doch dieses Abschneiden überrascht nicht. Nach den für die CSU so triumphalen Wahlausgängen bei Landtags- und Bundestagswahl wäre alles andere eine herbe Enttäuschung gewesen.

Vielleicht hat Seehofer ja ein wenig darauf gehofft, noch mehr Stimmen zu bekommen. Bei der CSU ist das durchaus möglich. Es gab schon Abstimmungsergebnisse von 102 Prozent, damals wurden einfach ein paar Journalisten mitgezählt. Mit über 97 Prozent wäre Seehofer nämlich auch nach nackten Zahlen endgültig in historischen Höhen angekommen. Auf Augenhöhe mit Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, die beide zu ihrer Zeit jeweils 97 Prozent bekommen haben.

Kein Unmut mehr zu spüren

Tatsächlich hat Seehofer, was seinen innerparteilichen Einfluss angeht, diese beiden schon lange eingeholt. Er ist auf dem Zenit seiner Macht. Überdeutlich wurde das, als auf dem Parteitag über den Leitantrag "Was Deutschland braucht" abgestimmt wurde. Darin sind die Eckpunkte festgehalten, die die CSU gerne in einem Koalitionsvertrag wiederfinden will. Ein wenig Unmut war im Vorfeld innerhalb der Partei zu spüren. Es war von einer Sozialdemokratisierung der Union die Rede, dass man doch stattdessen endlich klar machen müsse, wer die Wahl gewonnen hat.

Auf dem Parteitag wurde der Antrag dann einstimmig angenommen, kein einziger Abgeordneter meldete sich zu Wort. Und Seehofer sagte auf der Bühne: "Ich bin froh, dass wir keine Diskussion brauchen."

In der kommenden Woche finden die letzten, die entscheidenden Runden der Koalitionsverhandlungen statt. Wichtige Streitpunkte wie Mindestlohn, PKW-Maut oder Doppelte Staatsbürgerschaft sind zwischen Union und SPD noch nicht ausgeräumt. Am Sonntag wollen sich die Spitzen von CDU und CSU treffen, am Montag soll dann auch die SPD dazukommen.

Nicht mehr als Standardprogramm

Auf diese harten Tage hat sich Seehofer hier im Münchner Wohlfühlbad vorbereitet. In seiner Rede geriet der Ministerpräsident sogar ein bisschen ins Schwärmen. Wer der CSU einen Bedeutungsverlust vorhergesagt habe, wer die Volkpartei CSU totgesagt habe, der habe sich getäuscht. Historisches habe man geschafft. "Der Mythos CSU lebt." Und die Identität zwischen Bayern und CSU sei nie so groß gewesen wie heute. "Punkt. Ausführungszeichen!" Der Versprecher passte. Tatsächlich rief Seehofer diese Lobhudelei nicht in den Saal, er führte sie fast geschäftsmäßig aus. Standardprogramm eben.

Das Signal, das von diesem Parteitag ausgeht, ist dennoch eindeutig: Wir sind die Großen! Wir bestimmen, wo es lang geht. Und: Wir sind uns einig. Um die SPD, die vor einem komplizierten und völlig offenen Mitgliederentscheid steht, aber nicht zu verschrecken, wird das in München nicht hinaus gebrüllt. Der bayerische Löwe zeigt seine Zähne nur schüchtern. Er zischt so leise, dass das in Berlin nicht deutlich zu hören ist.

Dieses Lärmen, dieses zurückhaltende aber deutliche Signal, war der einzige Zweck des Parteitages. Es gab deshalb schon spannendere. Seehofer sollte der Rücken gestärkt werden. Nötig war das eigentlich nicht. Der bayerische Ministerpräsident kann sowieso vor Kraft kaum gehen seit den beiden gewonnenen Wahlen.

Ein Löwe, der keinem Angst macht

In seiner Rede bedankte sich Seehofer mindestens 123 Mal. Bei allen, die er verbal zu fassen bekam. Und er pochte auf die Umsetzung zentraler Ziele der Union. Die Wahlversprechen müssten jetzt "ganz konkret" durchgesetzt werden, sagte Seehofer ziemlich unkonkret. Er unterstrich die Themen, die er seit Wochen unterstreicht: Solide Finanzen, die Mütterrente, die Pkw-Maut. "Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass wir hier die klare Handschrift der Union unterbringen." Seehofer sprach ruhig, fast leise. Nur einmal legte er etwas mehr Nachdruck in seine Worte: Die Union würde "nicht als Hebamme für die SPD tätig werden", damit deren Mitgliederentscheid gelinge. "Wenn die mit uns etwas vereinbaren, müssen sie selber schauen, dass sie das durchbekommen."

Seehofer sprach auch über den Mindestlohn. Ihm ist klar, dass es ohne den keine Koalition mit der SPD geben wird. Er werde aber persönlich darauf achten, dass dadurch möglichst keine Arbeitsplätze gefährdet würden. Man müsse auch über Ausnahmen reden. Soweit, so bekannt.

Am Ende bleibt: Ein Löwe, der keinem Angst macht, aber trotzdem demonstriert, dass er sprungbereit ist. Reize mich bloß nicht - so hat sich Horst Seehofer das vorgestellt. Ganz entspannt kann er jetzt nach Berlin fliegen. Er hatte in München sogar Zeit, sich mit der SPD zu beschäftigen, erklärt er grinsend im Vorbeigehen. "Ich treffe aber nur SPD-Mitglieder, die skeptisch sind", sagt er mit Blick auf den Mitgliederentscheid. Und schiebt nach: "So viele treffe ich aber nicht. Gibt ja nicht so viele in Bayern."

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