Seehofer attackiert Ude:Im Schatten der Landtagswahl

Ministerpräsident Horst Seehofer will mit ständigen Attacken auf München seinen Rivalen Christian Ude schwächen. Auf dem bayerischen Land, wo München-Hass zur Folklore gehört, mag er damit punkten, doch in der Landeshauptstadt schadet er damit den eigenen Parteifreunden.

Dominik Hutter

Es galt, lange Jahre zu warten. Bis der als unbesiegbar geltende Christian Ude zu alt wird fürs Oberbürgermeisteramt. 67 Prozent der Wählerstimmen, was sollte ein Gegenkandidat da jemals ausrichten? Aus, vorbei - jetzt werden die Karten neu gemischt. Denn der Platzhirsch muss weichen, und erstmals kann sich auch die CSU wieder Hoffnung auf den Chefsessel im Rathaus machen. Ihr Kandidat Josef Schmid ist freundlich, intellektuell, er poltert nicht auf Stammtischniveau.

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Für die Landtagswahl muss Horst Seehofer alles tun, damit der gefährlichste Oppositions-Mann nicht doch noch Oberwasser bekommt: Christian Ude.

(Foto: dpa/Marc Müller)

Und sein Name ist den Münchnern geläufiger als der seiner Gegenkandidaten Dieter Reiter (SPD) und Sabine Nallinger (Grüne). Echte Euphorie will trotzdem nicht aufkommen im schwarzen Lager. Dafür ist einfach der Gegenwind zu stark. Der weht ausgerechnet von der Nymphenburger Straße her, aus der eigenen Parteizentrale. Dort hat man gerade ganz andere Sorgen als die Zukunft eines Herrn Schmid.

Es geht um alles oder nichts: um Bayern. Das Bundesland, das viele schon mit der CSU gleichsetzen und das nun erstmals seit Jahrzehnten einen Regierungswechsel erleben könnte. Zwar sprechen die Umfragen derzeit nicht dafür, dass es eine Dreier-Koalition aus SPD, Grünen und Freien Wählern schafft, die CSU aus der Staatskanzlei zu verdrängen. Das Risiko ist aus Sicht der Parteistrategen aber einfach zu groß, um untätig zu bleiben. Denn nach einem Machtverlust in Bayern würde sehr schnell auch der Berliner Einfluss der CSU zerbröseln.

Also mus alles getan werden, damit der gefährlichste Oppositions-Mann nicht doch noch Oberwasser bekommt. Und das ist ausgerechnet der, auf dessen Weggang die Münchner CSU so lange gewartet hat: Oberbürgermeister Christian Ude. Der Sozialdemokrat regiert die Landeshauptstadt nun schon seit fast 20 Jahren, Person und Stadt werden schon lange als Einheit wahrgenommen: Ude ist München, München ist Ude. Wer also etwas gegen Ude unternehmen möchte, muss etwas gegen München unternehmen. Berufsfranken wie Finanzminister Markus Söder passt das ohnehin gut in den Kram.

Und so prasselt seit einiger Zeit eine Breitseite nach der anderen auf die Hauptstädter ein: kommunaler Finanzausgleich, Amerika-Haus, Behördenverlagerungen, GBW - die Liste ist lang und wird wohl noch länger werden. Mit getroffen werden immer auch die Mitglieder der Münchner CSU, die sich inzwischen ernsthaft fragen, ob die Parteivorderen ihre Stadt schon abgeschrieben haben - im Interesse des großen Ganzen.

München-Hass als Folklore

Riskant ist ein solches Manöver allemal. Schließlich gingen bei den jüngsten Wahlen in München alle vier Bundestags- und sieben von acht Landtags-Direktmandaten an die CSU. Doch was ist das schon gegen die erhofften Zuwächse in Nordbayern oder auf dem flachen Land - dort, wo München-Hass zur Folklore gehört wie andernorts der Maibaum.

Natürlich ist niemand so unvorsichtig, einen Anti-München-Kurs offen einzuräumen, das würde nicht einmal der Hauptleidtragende Schmid tun. Aber ob er weiß, dass ein Vorstandsmitglied im kleinen Kreis von "Kollateralschäden" spricht, wenn es um die Münchner CSU-Ergebnisse der kommenden Jahre geht?

Das Paradebeispiel für eine gezielte Ude-Abwatschaktion lieferte Söder, dem von Ministerpräsident Horst Seehofer offenbar die Rolle als Provokateur und Haudrauf zugedacht wurde: mit der "Lex München". Einem reichlich willkürlichen Vorstoß, bei dem sich der Minister nicht einmal die Mühe zur Tarnung machte. München sollte, einfach mal so, weniger Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich erhalten. Die Münchner CSU schäumte ob dieses Eies, das ihnen da aus den eigenen Reihen gelegt wurde.

Die SPD schäumte zwar mit, gab aber später nach und trug schließlich ein Kürzungsprogramm mit, das bayernweit nur eine einzige Stadt traf: München. Gut möglich, dass plötzlich auch Ude Sorge hatte, in der gesamtbayerischen Öffentlichkeit als böser München-Anwalt dazustehen. Schmid zieht vor allem einen Schluss daraus: Dass es eigentlich nur einen einzigen echten Sachwalter der Münchner Interessen gebe: die Münchner CSU. "Der entscheidende Widerstand kam von uns", betont er. Geholfen hat das nichts. Den Münchnern dürfte vor allem der Initiator der "Lex München" im Gedächtnis bleiben: Markus Söder (CSU). Zu den Steckenpferden Söders gehört es auch, der Landeshauptstadt Behörden wegzunehmen.

Auch Söder mischt mit

So war, nach jahrelangen Neubauplänen, plötzlich von einer teilweisen Verlagerung des Finanzamts die Rede - zum Entsetzen der Münchner CSU, die seit Jahren den Exodus von Bundes- und Landesbehörden beklagt. Seine Heimatstadt Nürnberg will Söder mit der jetzt noch am Karolinenplatz residierenden Lotterieverwaltung beglücken, für das Landesamt für Statistik ist das benachbarte Fürth auserkoren. In Söders Heimat mag das gut ankommen. Bei den Betroffenen in München hält sich die Begeisterung in Grenzen.

Auch die Münchner Mieter der landesbankeigenen GBW dürften so schnell nicht ins Fanlager der CSU wechseln. Zwar handelt es sich um ein bayernweites Thema. Angesichts der hohen Mieten ist das Problem aber in München sehr viel größer als anderswo, zumal sich große Teile der GBW-Bestände an der Isar befinden. Der Münchner CSU kam in der Diskussion eine schwierige und undankbare Rolle zu. Sie musste sich, ganz offenkundig nie in Details eingeweiht, von den ständigen Kurswechseln der Staatsregierung treiben lassen. Mal wurden Dinge verhandelt, die den Vorgaben der EU-Kommission widersprachen, mal auf Verbote gepocht, die Brüssel nie erlassen hatte. Auf dieser Basis kann man niemanden überzeugen.

Schmid will sich trotzdem nicht in eine Opferrolle drängen lasse. Die Staatsregierung tue sehr viel für München, beteuert er, und verweist auf Projekte wie den zweiten S-Bahn-Tunnel oder den neuen Konzertsaal. Kein Grund für Mitleid also? Der politische Gegner sieht das anders. Aus den Reihen von SPD und Grünen hört man immer wieder: Die CSU-Kollegen haben es gerade wirklich nicht leicht.

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