Sebastian Frankenberger:Er muss draußen bleiben

Nachgeworfene Kippen, wüste Beschimpfungen, Morddrohungen - doch Sebastian Frankenberger, der Initiator des Volksbegehrens, sagt zwei Jahre nach Einführung des Rauchverbots in Bayern: Die Sache war es wert.

Katja Auer

Die Morddrohungen sind weniger geworden, und Kippen schmeißen sie ihm auf der Straße auch nicht mehr hinterher. Aber in die Kneipen daheim in Passau kommt Sebastian Frankenberger immer noch nicht rein. Seit zwei Jahren hat er da Hausverbot, seit am 1. August 2010 in Bayern das strengste deutsche Rauchverbot eingeführt wurde.

Frankenberger

Gläubiger Katholik mit Hang zum Spirituellen: Im Januar durfte Sebastian Frankenberger in Aufkirchen bei Fürstenfeldbruck bei einem Gottesdienst sprechen.

(Foto: Günther Reger)

Wegen Frankenberger, der das Volksbegehren initiiert hatte, das am Ende zum erfolgreichsten im Freistaat wurde. Und Bayern spaltete in diejenigen, die weiterrauchen oder sich zumindest von Frankenberger nicht reinreden lassen wollten, und in die anderen, von denen mehr zu Abstimmung gingen, weil sie rauchfreie Gaststätten haben wollten.

Der Hass der Unterlegenen schlug ihm danach so ungebremst entgegen, dass er für manche Veranstaltungen Polizeischutz brauchte. Er wurde aus Festzelten geworfen, die Facebook-Gruppe "Lokalverbot für Herrn Sebastian Frankenberger" hatte knapp 18.000 Mitglieder - heute sind es noch 318. Er wurde übel beschimpft, in seinem Briefkasten fand er eine schwarzumrandete Trauerkarte. War es das wert? "Allein, dass die Herzinfarktrate zurückgegangen ist, war es wert", sagt Frankenberger heute, etwas staatsmännisch. Nichtrauchen sei das Normale geworden.

Er selbst geht allerdings nicht mehr aus. Zum einen wegen der Beschimpfungen. Zum anderen ist das sowieso nicht das Seine. Ist ihm zu langweilig. Alkohol trinkt er keinen, und eine Zigarette hat er noch nie in der Hand gehabt. Außerdem verbringe er seine wenigen freien Abende lieber daheim oder in der Natur, sagt er. Frankenberger ist viel beschäftigt.

Der 30-Jährige, dessen lange braune Haare zu seinem Markenzeichen geworden sind, ist seit Herbst 2010 Bundesvorsitzender der ÖDP und kämpft immer noch für mehr Bürgerbeteiligung. Gerade klagt er gegen den Europäischen Rettungsschirm ESM, und außerdem will er die Direktwahl des Ministerpräsidenten in Bayern durchsetzen. Der Gesetzentwurf ist schon fertig, bald soll die Unterschriftensammlung losgehen. Nächstes Jahr will er mit seiner ÖDP in den Landtag einziehen, die bei der Wahl 2008 nur zwei Prozent der Stimmen erreicht hatte, und im Jahr darauf ins Europaparlament. Erst einmal.

Was langfristig aus ihm werden soll, weiß er selbst noch nicht. "Es kann auch sein, dass ich irgendwann aussteige, als Selbstversorger lebe und mich mehr um Jugendliche kümmere", sagt Frankenberger. Almbauer kann er sich auch vorstellen oder Entwicklungshelfer in Afrika.

Politische Rampensau

Dabei hat sich Frankenberger in seinem Kampf für rauchfreie Kneipen zur politischen Rampensau entwickelt, keine Talkshow hat er gemieden, kein Foto abgelehnt. Und er ging keiner Auseinandersetzung aus dem Weg, auf den Volksfesten zum Beispiel, was Kritiker schon als Provokation empfanden, zumal Frankenberger ein überaus freundlicher Mensch ist, dessen ausdauernd gute Laune schon reichte, um die Rauchverfechter in Rage zu bringen. Einen Selbstdarsteller schimpften sie ihn, einen Wichtigtuer.

Ihm selbst sei wichtig, dass er seinem Weg treu bleibe, sagt er. Auf diesem hat er bisher ein Lehramts- und ein Theologiestudium hingeworfen, war er Schülersprecher, Oberministrant und Stadtrat, ist er Notfallseelsorger, Laienschauspieler, Kommunikationstrainer. Gerade hat er einen Weltrekord im Debattieren aufgestellt, 44 Stunden lang. Sprunghaft? "Wenn was nicht funktioniert, dann gehe ich", hat er mal gesagt.

Bevor er 2004 zur ÖDP wechselte, war er bei der CSU, aber da habe er seine Meinung nicht frei äußern können. Nach dem Volksentscheid wollten ihn die Grünen abwerben, die hätten in Niederbayern ein paar Leute brauchen können. Sein Geld verdient Frankenberger mit Stadtführungen in Linz. Dabei wird in Österreich noch geraucht, schlimm sei das für ihn, sagt Frankenberger. Missionieren will er aber nicht, er bleibt halt draußen.

Heiner Geißler nennt ihn ein Vorbild. Der frühere Minister und viel beschäftigte Schlichter hat das Vorwort zu Frankenbergers Buch geschrieben. Ein Buch hat er nämlich auch noch verfasst, als er sich nach dem gewonnenen Volksentscheid für ein paar Tage auf den Turm des Linzer Doms zurückgezogen hatte. Darin hat er das ganze Hin und Her mit dem Rauchverbot aufgearbeitet. "Ich bin dann mal im Kirchturm" wäre sein Wunschtitel gewesen, sagt er, aber der Verlag wollte das nicht.

Jetzt heißt es: "Volk, entscheide! Visionen eines christlichen Politrebells." Es wurde verrissen, die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte es "unerhört geschwätzig" und Frankenberger "selbstgefällig spätpubertär". Dabei war es gar nicht als politisches Buch gedacht, sagt Frankenberger, eher als eine Art Tagebuch. Mit starken spirituellen Bezügen, diese betont der gläubige Katholik immer wieder.

Er habe gelernt in den zwei Jahren, dass Rückzugsorte wichtig seien, sagt der ÖDP-Chef. "Anonymität ist etwas Schützenswertes." Er sucht sie in den österreichischen Bergen oder er erholt sich bei der Jugendarbeit. An diesem Mittwoch, zwei Jahre nach seinem großen Erfolg, wird er mit einer Gruppe Ministranten seiner Heimatpfarrei eine Woche wegfahren. "Das ist am allerschönsten", sagt er.

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