Süddeutsche Zeitung

Science Slam:Humorvolle Forscher

Lesezeit: 2 min

Im Chemiepark Gendorf hören 800 Besucher jungen Wissenschaftlern zu, wie sie ihre Fachthemen erläutern. Bei diesem Science Slam wird mehr gelacht als üblicherweise bei Vorlesungen. Und lernen kann man auch etwas

Von Dominik Kalus, Burgkirchen

Ein fester Tritt - und das Fahrzeug auf der Bühne zerspringt in tausend Einzelteile. Jetzt kann Verfahrenstechniker Christian Duwe die von ihm entwickelte Metall-Recyclingmethode erklären. Er saugt die Bruchstücke von der Bühne und gibt sie symbolisch in einen Behälter. Damit das Publikum auch alles versteht, muss schon mal ein Spielzeugauto dran glauben. Denn um Verständlichkeit geht es bei einem "Science Slam". Bei diesem Format soll ein wissenschaftliches Thema in zehn Minuten erklärt werden - und das so anschaulich und unterhaltsam wie möglich. Duwe ist einer von fünf Nachwuchswissenschaftlern, die am Freitagabend im Chemiepark Gendorf antreten. Ziel: Berührungsängste zwischen Forschern und Laien abbauen.

"Wissenschaftler sind nicht per se von der Umwelt abgeschottete Nerds", sagt Bernhard Langhammer, Leiter der zwischen Altötting und Burghausen gelegenen Industrieanlage. Ein wenig wie ein Klischee kommt der Abend dann aber doch daher: Moderator Philipp Schrögel, Physiker am Karlsruher Institut für Technologie, trägt Vollbart und ein Roboter-Shirt unterm Sakko, die Slam-Beiträge strotzen vor Anspielungen auf Internet- und Filmkultur. Von Captain Jack Sparrow aus "Fluch der Karibik" bis zu den gelben Minions aus dem Animationsfilm "Ich - Einfach unverbesserlich" tummeln sich reichlich bekannte Gestalten und Wesen in den Power-Point-Präsentationen der Slammer. Doktorand Bastian Alt von der Technischen Universität München unterlegt seinen Vortrag zur Feinstaubsäuberung mit einer eigenen Version des Soundtracks zu "Ghostbusters".

Die Aufgabe des Publikums ist, jeden Beitrag nach Informationsgrad und Unterhaltungswert zu beurteilen. Rund 800 Zuschauer von Jung bis Alt sind an diesem Abend gekommen. Mehr passen gar nicht in den Saal, der sonst als Betriebsrestaurant im Chemiepark Gendorf fungiert. Das 197 Hektar große Gelände ist Standort für mehr als 30 Unternehmen.

Informatiker Johannes Kretzschmar versucht, die Zuhörer mit Selbstironie auf seine Seite zu ziehen. Der Doktorand an der Universität Jena forscht über Künstliche Intelligenz und Elektroautos - von Letzteren habe er aber überhaupt keine Ahnung und sich größtenteils über Google informiert, frotzelt er. Für Stimmung sorgt sein Seitenhieb auf anwesende Geisteswissenschaftler - er ersetzt die Zahlen aus einem Diagramm durch Obst und Gemüse. Geisteswissenschaftler ließen sich zu leicht von Zahlen abschrecken, sagt er.

Am besten hat dem Publikum Biologin Ulrike Neumann gefallen, die in Hohenheim am Institut für Ernährungsmedizin forscht, und zur Siegerin gekürt wird. Mit einer Anspielung auf die Dating-Plattform Tinder stellt sie ihr Forschungsthema vor: das unterschätzte Potenzial von Mikroalgen bei der Ernährung der Welt. Als einzige trägt sie einen Kittel. Ein bisher ungelöstes Problem verrät sie noch: "Mikroalgen schmecken so, wie ein Aquarium riecht. Da besteht noch Verbesserungsbedarf." Als Trophäe nimmt sie den "Goldenen Erlenmeyerkolben" mit nach Hause.

Aber nicht nur Jungwissenschaftlicher präsentieren sich in Gendorf, auch Nachwuchsforscher: Die Zwölftklässler Johannes Barth und Korbinian Dausel vom König-Karlmann-Gymnasium Altötting absolvieren einen Gastauftritt außer Konkurrenz. Anhand der fiktiven Geschichte einer Alkohol-Allergie erklären sie die Herstellungsverfahren alkoholfreien Bieres. Gegenüber der Bühne verkaufen ihre Mitschüler ein im Chemieunterricht selbstentwickeltes Fruchtgetränk.

"Eine bessere Werbung für Wissenschaft und Forschung gibt es gar nicht", sagt Gendorf-Leiter Langhammer. Die dezenten Werbebanner zu Karrieremöglichkeiten, die im Saal aufgestellt sind, machen zusätzlich darauf aufmerksam. Die positive Außenwirkung des Science Slams sei für den Industriestandort eher ein angenehmer Nebeneffekt als Hauptinteresse, heißt es vom Veranstalter. Begonnen habe der Science Slam in Gendorf als Zusatzattraktion des internationalen Schülerwettbewerbs "Chemieolympiade". Weil der Andrang aber so groß war, habe man vor drei Jahren eine eigene Veranstaltung geschaffen, berichtet Tilo Rosenberger-Süß, Kommunikationsleiter des Chemieparks. Mittlerweile ist der Gendorfer Science Slam ein fester Termin im Veranstaltungskalender der Region. "Wir kommen jedes Jahr hierher", erzählen zwei Frauen mittleren Alters. "Es ist immer gut, man wird unterhalten und lernt etwas."

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SZ vom 04.02.2019
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