Schweres Erbe:Teilweises Gedenken

Halle 116 soll Friedensmuseum werden

Es ist ein belastetes Erbe, das die Nationalsozialisten mit der Halle 116 der Stadt Augsburg hinterlassen haben.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

In der Halle 116 waren während des Nazi-Regimes Zwangsarbeiter kaserniert. Die Stadt Augsburg will nun einen Erinnerungsort schaffen, aber auch Gewerbeflächen ausweisen. Die Gegner finden das unangemessen

Von Christian Rost, Augsburg

Es gibt ein Online-Gedenkbuch für die Männer, Frauen und Kinder aus Augsburg, die die Nationalsozialisten umgebracht haben. An die jüdischen Opfer der Schergen des NS-Regimes erinnern zudem Stolpersteine und Erinnerungsschleifen an Laternenmasten. Um die richtige Form des Gedenkens hat die Stadt lange gerungen und ihren Weg gefunden. Nun wird neuerlich eine Debatte geführt, wie man den Menschen, die verfolgt, verschleppt, ausgebeutet und getötet wurden, so gut es geht gerecht werden kann. Es geht um die Erinnerungskultur allgemein und speziell um die Halle 116, ebenfalls ein belastetes Erbe, das die Nationalsozialisten der Stadt Augsburg hinterlassen haben. Zwangsarbeiter wurden in dem riesigen Bau kaserniert, um bei der Reichsbahn oder der Flugzeugschmiede der Nazis, der Messerschmitt AG, unter menschenunwürdigen Bedingungen zu arbeiten. Das gut 100 Meter lange Gebäude mit den markanten, flach abfallenden Gauben auf dem Dach steht nach wie vor als Mahnmal auf dem Gelände der ehemaligen Luftnachrichtenkaserne im Stadtteil Pfersee. Muss man einen solchen Ort als reine Gedenkstätte betreiben oder kann in Teilen auch eine angemessene gewerbliche Nutzung zugelassen werden, um die Halle zu beleben und das Projekt zu finanzieren? Was ist angemessen an solch einem Ort, auf dessen Vorplatz die Nazis einen Galgen aufgebaut hatten?

In den Dreißigerjahren als Fahrzeughalle erbaut, wurde der Bau im Mai 1944 zum Außenlager des Konzentrationslagers Dachau - und somit zum Schreckensort für Tausende Häftlinge. Unter schlimmsten hygienischen Bedingungen wurden bis zu 2000 Männer aus der Sowjetunion, Polen, Italien, Frankreich und Deutschland sowie polnische und ungarische Juden zusammengepfercht und von SS-Wachtruppen misshandelt. Zehn, zwölf Stunden dauerten ihre Schichten bei der Bombenentschärfung oder im Flugzeugbau. Die Chronik der Stadt Augsburg vermerkt: "Mangelernährung und Krankheit waren alltägliche Erscheinungen." 74 Todesfälle aus dem Lager registrierte das Standesamt.

Als zum Endes des Zweiten Weltkrieges US-amerikanische Truppen auf Augsburg vorrückten, wurden die Gefangenen Richtung Süden getrieben, wobei weitere starben. Eine Woche später wurden sie von den Amerikanern bei Schwabmünchen befreit. Die US-Streitkräfte nutzten die Kaserne bis zum Abzug im Jahr 1998 als Fahrzeughalle und Bibliothek, danach übernahm eine Treuhandgesellschaft die Liegenschaft.

Im kommenden Jahr will die Stadt Augsburg die Halle 116 kaufen - und teilweise in einen Lern- und Erinnerungsort umwandeln: einen Denkort, wie es heißt. Das Wort "teilweise" erregt die Gemüter in der Stadt. Grüne, Freie Wähler, Linke, ÖDP und PolitWG im Stadtrat und nicht zuletzt die Initiativen, die in Bürgerbegehren für den Erhalt der Halle gekämpft haben, halten es für nicht angemessen, diesen geschichtsträchtigen Ort für eine kommerzielle Nutzung freizugeben. Genau das schlägt das Rathaus dem Stadtrat in einer Beschlussvorlage vor.

Die Halle hat eine Nutzfläche von fast 10 000 Quadratmetern. Wie diese sinnvoll genutzt werden kann, darüber wird intensiv diskutiert. Thomas Weitzel, der städtische Kulturreferent, hat während einer Diskussion an einem runden Tisch gesagt, eine solche Fläche könne sich nicht allein mit Erinnerungskultur "bespielen" lassen. Deshalb sei es auch sinnvoll, so ist die Auffassung von Weitzel auch heute noch, über eine alternative Nutzung von Teilen des Gebäudes nachzudenken. Für das Wort "bespielen" erntete der Referent einige Kritik, er nimmt es im Zusammenhang mit der Planung für die Halle 116 nicht mehr in den Mund. Er ist aber klar dagegen, den gesamten Bau als sogenannte Gemeinbedarfsfläche auszuweisen, wie dies auch von der Opposition im Stadtrat gefordert wird. In diesem Fall könnte kein Gewerbe mehr dort untergebracht werden, "weder ein Museumscafé noch eine privat betriebene Bildungseinrichtung", sagt Weitzel.

An diesem Mittwoch wird über ein Konzept für die künftige Nutzung der Halle 116 in einer Podiumsdiskussion gesprochen. Gegner der gewerblichen Nutzung, wie die Augsburgerin Alex Blümel, sagen, die Stadt lasse sich die einmalige Chance entgehen, das Gebäude zur Präsentation seiner Geschichte zu nutzen: als Friedensstadt, als Stadt, die von den Amerikanern besetzt war, als Stadt, die sich mit ihrer Rüstungsgeschichte auseinandersetzt. Dafür brauche es kein Gewerbe, das nach den aktuellen Plänen drei Viertel des Gebäudes einnehmen soll. Weitzels Versprechen, man werde für eine verträgliche Nutzung der Gewerbeflächen in Nachbarschaft eines Gedenkortes sorgen, reicht Alex Blümel nicht, die sich dafür einsetzt "Augsburgs Erbe zu bewahren". Es könne politisch "auch mal ganz anders" laufen und das Versprechen plötzlich hinfällig werden. Blümel fordert deshalb, dass nicht die Stadt die Regie über die Halle 116 übernehmen sollte, sondern eine Stiftung, in der mehrere Akteure vertreten sind. Nur so könne gewährleistet werden, dass dieser sensible Ort auch weiterhin sensibel behandelt werde.

Weitzel ist sich der Bedeutung des Ortes natürlich bewusst. "Hier haben Hinrichtungen stattgefunden", sagt der Kulturreferent und betont, "wir wollen ja auch keinen Aldi und McDonald's ansiedeln". Einig sind sich Weitzel und Blümel immerhin in einem Punkt: Es sei ein schweres Erbe, das die Stadt angetreten habe.

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