Fast neun Jahre nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke bei Schweinfurt mit einem Toten beginnt Anfang Mai der Prozess gegen einen Statiker. Der Mann stand bereits 2023 vor dem Landgericht Schweinfurt – zusammen mit drei weiteren Angeklagten. Weil seine Verteidigerin aber erkrankte, war das Verfahren gegen den 53-Jährigen damals abgetrennt worden. Der Mann hatte die Statik der Traggerüstkonstruktion der Brücke berechnet. Am 15. Juni 2016 war das Traggerüst für die neue Schraudenbach-Talbrücke auf der Autobahn 7 nahe Werneck (Landkreis Schweinfurt) eingestürzt, als gerade 1500 Tonnen Beton eingefüllt waren. Ein Bauarbeiter starb, 14 wurden verletzt.
Im Mai 2023 hatte das Landgericht Schweinfurt zwei Ingenieure zu Haftstrafen verurteilt. Ein dritter Mann wurde freigesprochen. Die Vorsitzende Richterin sprach damals von einer lückenhaften statischen Berechnung, die zu dem Unglück geführt habe. Das aufgebaute Traggerüst der neuen Brücke hätte die Last im betroffenen Abschnitt nie tragen können. Ein Sachverständiger hatte in dem Prozess zudem bemängelt, dass die Arbeit des mit der Prüfung der Statik beauftragten Ingenieurs nicht durch seinen Vorgesetzten überwacht worden sei. Auch sei der Aufbau des Traggerüstes im betreffenden Bauabschnitt nicht durch einen Prüfingenieur kontrolliert worden.

SZ Bayern auf Whatsapp:Nachrichten aus der Bayern-Redaktion – jetzt auf Whatsapp abonnieren
Von Aschaffenburg bis Berchtesgaden: Das Bayern-Team der SZ ist im gesamten Freistaat für Sie unterwegs. Hier entlang, wenn Sie Geschichten, News und Hintergründe direkt aufs Handy bekommen möchten.
Das Gericht hatte auf eineinhalb Jahre Haft für den heute 61-Jährigen und neun Monate Haft für einen heute 51-Jährigen entschieden. Die Freiheitsstrafen wegen fahrlässiger Tötung sowie fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen waren zur Bewährung ausgesetzt worden. Beide Angeklagten legten Revision ein.Der Bundesgerichtshof verwarf später die Revision des 61 Jahre alten Prüfingenieurs als unbegründet. Die Revision des 51-Jährigen führte dagegen wegen eines Formfehlers zur Aufhebung seiner Verurteilung und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Landgerichts. Einen Termin für einen neuerlichen Prozess gegen diesen Prüfingenieur gibt es bislang nicht.
In der von technischen Details gespickten Verhandlung vor zwei Jahren sah der gerichtlich bestellte Baugutachter vor allem Fehler bei der Berechnung der möglichen Traglast des Gerüsts – diese Berechnung sei nämlich gar nicht erfolgt. Nach Aussagen des Gutachters hätte der angeklagte Statiker den Nachweis für die Stabilität der Joche erbringen müssen. Ein Joch ist ein Träger, der die zu tragende Last in das Traggerüst ableitet.
Und dieser Mangel fiel den mit der Prüfung der Statik beauftragten Ingenieuren laut Anklage auch nicht auf. Sie hätten fahrlässig gehandelt beziehungsweise sich gar nicht mit dem Projekt beschäftigt. Die Gerüstkonstruktion hätte der Betonlast niemals standgehalten, hieß es. Die Verteidiger hingegen argumentierten immer wieder, die Bauarbeiter hätten das Stahlgerüst anders als in den Plänen aufgebaut und so das Unglück verursacht. Die vorgeschriebene Überwachung des Baus sei ausgeblieben.

