Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft:Getrickst, getäuscht, betrogen

Keine andere Branche steht so im Fokus der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls und der Steuerfahndung wie die Bauwirtschaft.

Keine andere Branche steht so im Fokus der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls und der Steuerfahndung wie die Bauwirtschaft.

Wenn es um Schwarzarbeit geht, steht die Bauwirtschaft besonders im Fokus. Doch die kriminellen Machenschaften von Subunternehmern zu durchschauen, das ist nicht für Fahnder schwierig, sondern auch für Auftraggeber. Der Fall der Firma K. Bau GmbH.

Von Bernd Kastner

Jedes Jahr im Spätsommer räumen sie beim Stanglmeier den Hof frei, damit die Politiker parken können. Weil auf der anderen Straßenseite das Gillamoos stattfindet, das große Volksfest im kleinen niederbayerischen Abensberg, wohin Jahr für Jahr die Politiker pilgern. Wer hat nicht alles schon seinen Wagen hier geparkt: Merkel, Stoiber, Seehofer, Ude.

Die Gillamoos-Wiese liegt vorm Fenster. Im Besprechungsraum beim Stanglmeier sitzen um einen grauen Tisch drei gestandene Bauleute. Alles wirkt nüchtern hier, doch die drei Männer haben Temperament, man merkt das, wenn sie von ihren Gästen erzählen. Sie kriegen nämlich auch anderen Besuch, mit dem sich aber niemand gern fotografieren lässt: unauffällige Damen und Herren, unterwegs in Sachen Schwarzarbeit. Sie kommen, um Unterlagen mitzunehmen, Listen, Rechnungen, Bescheinigungen. Nicht, weil sie die Firma Stanglmeier krummer Geschäfte verdächtigen, sondern weil sie wissen wollen, ob bei deren Subunternehmern alles mit rechten Dingen zugeht.

Keine andere Branche steht so im Fokus der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls und der Steuerfahndung wie die Bauwirtschaft: Es wird getrickst und getäuscht, immer auf Kosten der Kleinen und des Staates. Ein Mittelständler wie Stanglmeier balanciert auf einem schmalen Grat. Wer ist Täter? Wer ist Opfer?

Mit eigenen Leuten arbeitet kaum mehr eine Baufirma

Vor gut drei Jahren haben die Fahnder einen Volltreffer gelandet. Leonhard Wiedemann, der Stanglmeier-Geschäftsführer, wurde sich dessen erst richtig bewusst, als er als Zeuge geladen war. Es fügte sich zu einem Puzzle, was unterhalb seines Unternehmens geschah. Unterhalb, weil Stanglmeier für mehrere Projekte in München und Umgebung einen Nachunternehmer aus Berlin beauftragt hatte. Dieser und mehrere seiner Kompagnons wurden vom Münchner Landgericht rechtskräftig verurteilt, zweimal gut zwei Jahre Haft, dazu ein paar Bewährungsstrafen. "Wir haben die kriminellen Strukturen zu spät durchschaut", sagt Wiedemann.

Vor Gericht wurde klar, dass sich auch die Fahnder der Ermittlungsgruppe Formica - in ihr kooperieren die Münchner Steuerfahndung und die FKS Rosenheim - schwer damit taten, das Netz aus Unternehmen, Bevollmächtigten und Strohmännern zu entwirren. Mehr als hundert Zeugen vernahmen die Ermittler. An der Spitze des kriminellen Netzes standen Vladica P. und die Berliner Firma K. Bau GmbH. P. war dort Bauleiter und fädelte Verträge mit Stanglmeier ein, etwa für Rohbauten in Thalkirchen, Ismaning und Karlsfeld.

Das ist üblich in der Branche, mit eigenen Leuten arbeitet kaum mehr eine Baufirma. Die wären zu teuer. Den Trend zum ausländischen Subunternehmer haben vor vielen Jahren die Multis in der Branche gesetzt, dann zogen die Mittelständler nach. Ausländische Arbeiter, vor allem aus Süd- und Osteuropa, sind mit weniger Lohn zufrieden als hiesige. Auch wenn sie weniger als den Mindestlohn bekommen, weil es immer noch mehr ist, als sie zu Hause verdienen könnten. Das ist das Einfallstor für Betrüger: "Wir haben immer wieder mit krimineller Energie auf dem Bau zu kämpfen", sagt Wiedemann.

Ein Netz aus Betrug und Verschleierung

Es hat gedauert, bis sie bei Stanglmeier die Fallen erkannt haben, die für eine Baufirma in einem grenzenlosen Europa lauern. Und auch, dass ihnen die Politik Aufgaben übertragen hat, die früher staatlich waren. Als im November 2010 auf der Stanglmeier-Baustelle in Karlsfeld ein Mann tödlich verunglückte, kontrollierten die Fahnder zunächst die übrigen Arbeiter und schauten sich dann die beteiligten Firmen genauer an. Nach und nach erkannten die Formica-Leute hinter der Rohbaufassade ein Netz aus Betrug und Verschleierung.

P. soll der Strippenzieher ganz oben gewesen sein. Monat für Monat schrieb er Rechnungen an Stanglmeier. Dort waren sie lange zufrieden, die Unterlagen stimmten auch. Bis irgendwann auch die Stanglmeier-Leute stutzig wurden. Weil P. Geld verlangte, ohne nachzuweisen, was er und seine Leute konkret gemauert oder betoniert hatten. Wiedemann: "Man hat geahnt, da läuft etwas schief im Hintergrund."

Die Ermittler deckten dann auf, dass die Firma K. keine normale Baufirma war, sondern eine Servicegesellschaft. Ihre Aufgabe war es, auf Anweisungen P.s Rechnungen zu schreiben, ein paar Arbeiter pro forma anzumelden, kurzum: dem Konstrukt eine weiße Weste zu verschaffen. An der K. GmbH hingen diverse Firmen dran, und an diesen die Arbeiter von Karlsfeld, Thalkirchen und Ismaning. Als Verschiebemasse. Mal arbeiteten sie offiziell für die Firma A, dann wurden sie auf Firma B umgemeldet, oft haben sie es nicht mal selbst mitgekriegt.

Wenn es brenzlig wird, kommt der "Firmenbestatter"

Wenn Zoll-Fahnder oder Polizei sich eine dieser Firmen genauer anschauten, wussten die ganz oben im Netz, dass es brenzlig werden könnte. Als Büros von K. durchsucht wurden, kaufte die Firma ein paar Wochen später ein "Firmenbestatter" auf, ausgestattet mit einem falschen Pass; er trennte das verdächtige Unternehmen aus dem Netz heraus. Die Arbeiter waren fortan bei der nächsten Firma beschäftigt, auf dem Papier. Zwischen den etwa zehn Firmen gingen Rechnungen hin und her, um Arbeitsverhältnisse und Gewinne zu verschleiern und so Steuern zu sparen.

So, wie etliche Arbeiter offenbar nichts von ihren wechselnden Arbeitgebern mitbekamen, so hatte auch Stanglmeier-Chef Wiedemann keine Ahnung, sagt er, wer da in seinem Auftrag die Häuser hochzog. Heute würde er früher misstrauisch werden. Dann zum Beispiel, wie im Falle K., wenn in der Firmenbilanz so große Zahlen stehen, die mit den wenigen Mitarbeitern der Firma gar nicht zu erwirtschaften seien. "Wir haben inzwischen eine Präventionskultur bei uns geschaffen", sagt Wiedemann.

"Man müsste eigentlich einen Kriminaler anstellen"

Rainer Forster, der Einkaufschef bei Stanglmeier, der die Nachunternehmer auswählt und beauftragt, fahre regelmäßig von Baustelle zu Baustelle und kontrolliere die Unterlagen der Subunternehmer. Dass auch alle Arbeiter bei der Soka, der Sozialkasse für den Bau, mit korrekter Stundenzahl gemeldet sind. Und er weist die Subunternehmer darauf hin, dass die jeden Subunternehmer zu melden haben. "Man müsste eigentlich einen Kriminaler anstellen", sagt Wiedemann.

Sie sind nicht gut zu sprechen auf das, was ihnen ihre Parkplatz-Nutzer vom Gillamoos aufbürden. Die Politik hat die Grenzen in Europa abgeschafft. Die Kontrollen, die früher am Schlagbaum stattfanden, müssten nun die Baufirmen erledigen. Eigentlich, sagt Wiedemann, müssten sie um jeden Bau einen Zaun ziehen und die Arbeiter nur noch durch ein Drehkreuz rein lassen und täglich die Gesichter kontrollieren: Sind nur offiziell gemeldete Arbeiter vor Ort? Stimmen die angegebenen Stundenzahlen? Und wer soll und will diese Kontrollen bezahlen?

Wehe aber, sagen sie bei Stanglmeier, die Fahnder entdecken dann Illegales auf der Baustelle, dass zum Beispiel der Mindestlohn nicht bezahlt werde. Dann müsse der Bauunternehmer haften und riskiere, wegen ein paar tausend Euro Strafe für öffentliche Aufträge gesperrt zu werden.

Drei Jahre haben die Behörden gebraucht, um den Fall P. zu lösen

Bei der Kontrolle ihrer Subunternehmer aber sei man auf deren Mitwirkung angewiesen. Darauf, dass die vorgelegten Papiere nicht gefälscht sind. Echte Sicherheit gebe es damit kaum für den Auftraggeber. Wiedemann wünscht sich regelmäßigere Kontrollen durch die Behörden, schon bei der Zulassung sollte man die kleinen Firmen prüfen. Und er hofft auf eine bessere Zusammenarbeit mit den Behörden, auf effektiveren Informationsfluss.

Oft werden die ausbeuterischen Machenschaften erst bekannt, wenn die Arbeiter gar kein Geld mehr bekommen. Erst dann haben die Fahnder eine reelle Chance, dass die Betrogenen auspacken. Oder wenn eine Firma wie Stanglmeier Opfer wird. Vor ein paar Jahren haben sie in Gräfelfing gebaut, alles war gut mit dem Subunternehmer aus Frankfurt. Bis dessen Chef eines Tages seine Firma abmeldete und untertauchte. Das brachte die Arbeiter um viel Lohn, und Stanglmeier kostete das unterm Strich um die 200 000 Euro.

Das ganze System aus offenen Grenzen einerseits und Kontrollpflicht andererseits sei viel zu kompliziert, kritisiert Wiedemann. Und zu ineffektiv. Selbst die Fahnder tun sich schwer durchzublicken. Drei Jahre waren Zoll, Steuerfahnder, Kripo, Staatsanwaltschaft und Gericht damit beschäftigt, das Netz rund um P. zu entwirren. Am Ende wurden fünf der Angeklagten zu insgesamt rund acht Jahren Gefängnis verurteilt. Um gut eine halbe Million Euro haben sie die Sozialkassen betrogen und knapp 200 000 Euro Steuern hinterzogen. Geld, das der Staat so schnell wohl nicht kriegen wird.

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