Kurz vor dem Parteitag in Augsburg am Wochenende ist in der CSU offener Streit entbrannt – und zwar über die Option Schwarz-Grün in einer künftigen Bundesregierung. Zunächst hatte sich Manfred Weber, Partei-Vize und Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, zu Wort gemeldet. Er widersprach dem kategorischen Ausschluss eines Bündnisses mit den Grünen, wie ihn CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder propagiert.
„Demokraten müssen immer miteinander sprechen können und versuchen, Wege des Miteinanders zu finden“, sagte Weber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Bei den Grünen stellt sich die Frage: welche Grünen? Es gibt Grüne, die sich bei der Migration schwertun, die Realitäten zu erkennen. Und es gibt Grüne wie Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, die einen realistischen Migrationskurs wollen.“ Die Grünen müssten aber klären, ob sie „in der Mitte anschlussfähig“ sein wollten.
Webers Sätze lösten Medienberichten zufolge harsche Reaktionen von CSU-Spitzenpolitikern aus. Klaus Holetschek, Fraktionschef im Landtag, sprach von einer „Fehleinschätzung“. Die Grünen passten mit ihrer „Ideologie“ nicht zur Volkspartei CSU. Seltsam sei, dass sich Weber zu dem Thema nicht im Parteivorstand geäußert habe. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte, Weber vertrete „eine Mindermeinung“, mit der man den Grünen letztlich „ein bürgerliches Mäntelchen“ umhänge. Das sei aber nicht tragisch, da darüber nicht in Brüssel entschieden werde. CSU-Generalsekretär Martin Huber ergänzte: Einlassungen wie die von Weber „gefährden am Ende auch Mandate in Niederbayern“. Huber erneuerte am Mittwoch vor Journalisten in München die offizielle CSU-Doktrin, man sei „strikt“ gegen Schwarz-Grün.
Beim Parteitag wird Söder am Freitag sprechen. In CSU-Kreisen hieß es, das Nein zu Schwarz-Grün werde er in der Rede wohl bekräftigen. Am Samstag wird der frisch gekürte Kanzlerkandidat Friedrich Merz in Augsburg erwartet. Der CDU-Chef zeigte sich bisher nicht als Freund von Schwarz-Grün, vermied jedoch eine endgültige Absage an das Modell. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, der als Politpensionär eine Art Influencer-Rolle in sozialen Netzwerken genießt, riet Merz in den Nürnberger Nachrichten, notfalls in öffentlichen Widerspruch zu Söder zu gehen. „Als CSU-Chef kann Söder für Bayern natürlich ausschließen, was er will“, so Polenz. Die CDU koaliere in NRW, in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein aber mit den Grünen, und zwar gut. Söders Haltung bedeute, dass er „uns auf Gedeih und Verderb an eine ziemlich abgewirtschaftete SPD ketten will“.
In CSU-Vorstandkreisen wird der Kampf gegen die Grünen im Bundestagswahlkampf 2025 „unverzichtbar“ genannt, als „Projektionsfläche“. Die Partei sei nun mal das größte Feindbild in Bayerns Bevölkerung, würde man dies nicht „bedienen“, schmälere das die Chancen auf ein sehr starkes Wahlergebnis der CSU. Selbst Stammwähler könnten Ersatz suchen – bei den Freien Wählern, wo Hubert Aiwanger nur darauf warte, die CSU als Grünen-Kuschler zu geißeln, ebenso bei der AfD.
Generalsekretär Huber versprach für Söders Rede eine „starke Kursbestimmung“. Dies decke sich mit den Leitanträgen des Parteitags zu Migration, Verteidigung und Wirtschaft. Zur Wende bei der Zuwanderung, wie sie die CSU fordert, gehören etwa eine Begrenzung der Asylanträge auf jährlich unter 100 000 oder Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan.
Atmosphärisch interessant in Augsburg dürfte sein, wie sich Söder als Doch-nicht-Kanzlerkandidat mit festem Platz in Bayern vor den Parteifreunden in Szene setzt. Und die Frage, wie enthusiastisch Kanzlerkandidat Merz tatsächlich von den CSU-Delegierten beklatscht wird. Huber erwartet allerdings ein „starkes Signal der Geschlossenheit“.