Schwandorf:Fahndung am Ziel

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Vom bekannten Lokalpolitiker zum mutmaßlichen Millionenbetrüger: Vor drei Jahren verschwand Uwe Kass von einem Tag auf den anderen aus Schwandorf. Jetzt wurde er in Nordrhein-Westfalen festgenommen. Wie er die vergangenen Jahre verbracht hat, ist unklar.

Max Hägler

Einfach machte es Uwe Kass seinen Fahndern nicht. Ein Vollbart verdeckte das deutliche Grübchen am Kinn, das in der Personenbeschreibung als besonderes Merkmal notiert war. Es gab kaum Ähnlichkeiten zu den bekannten Fotos von ihm, etwa denen, die er vor drei Jahren im Wahlkampf plakatieren ließ. Erst als der Mann, der an diesem Montagmorgen aus dem Mehrfamilienhaus im Düsseldorfer Stadtteil Friedrichstadt gekommen war, seinen Namen sagte, da waren sie ganz sicher: Der mutmaßliche Millionenbetrüger Uwe Kass ist gefasst. Und damit ein Verschwinden geklärt, das auch die Politik in der Oberpfalz erstaunte: Denn Kass war ein engagierter Kommunalpolitiker.

Drei Jahre nach seinem plötzlichen Verschwinden klickten die Handschellen zu: Der frühere Kommunalpolitiker Uwe Kass wurde wegen mutmaßlichen Millionenbetrugs festgenommen. (Foto: dapd)

Vier Jahre lang war er Chef des CSU-Ortsverbandes Schwandorf. Bei der Kommunalwahl im Frühjahr 2008 kandidierte er dort für seine Partei als Oberbürgermeister - scheiterte allerdings an seinem sozialdemokratischen Konkurrenten Helmut Hey. Obwohl er bei tausenden Haustürgesprächen von seinen Hobbys erzählte - Schwertkampf und Philosophie - stimmten nur 40 Prozent der Schwandorfer für ihn.

Kurze Zeit später, im Juli 2008, verschwand er dann. Mitarbeiter seiner Münchner Steuerberatungskanzlei fanden einen Schmierzettel mit dem Hinweis, dass er "auf dem Weg in den Irak" sei. Seiner Partei und dem Stadtrat hatte er einen Zettel hinterlassen, auf dem er den Rückzug von seinen Kreis- und Stadtratsmandaten erklärte: "Da ich meinen Wohnsitz nicht mehr in Schwandorf haben werde, kann ich diese Ämter nicht mehr wahrnehmen."

Bald wurde bekannt, dass Kass einen Unternehmer und eine Bank um mehrere Millionen Euro betrogen haben soll. So lauten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Regensburg. Ein Steuerberaterkollege, der Kass in der Wahlkampfzeit geholfen hatte und Kass' Kanzlei auch nach dessen Verschwinden betreut hatte, glaubte nicht an bewussten Betrug: "Die Niederlage hat ihn wie ein Blitz getroffen." Womöglich habe Kass danach jede Energie verloren habe und das Heil in der Flucht gesuchte. Inzwischen will sich der Kollege nicht mehr äußern.

Als die Ermittler mit den üblichen Fahndungsmethoden nicht weiterkamen, wurde Kass zu einem Fall für die Zielfahnder des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA). 36 Menschen suchten die Beamten im vergangenen Jahr, zwölf Fälle wurden seitdem gelöst, darunter eben jetzt auch Kass. Um zum Ziel zu kommen, nehmen die Ermittler alles unter die Lupe, das Umfeld, Motive, Kontakte, den Lebenslauf. Kass suchten sie im Nahen Osten und in österreichischen Klöstern. "Oft kennen die Zielfahnder eine Zielperson besser, als es deren Ehepartner tut", sagt LKA-Sprecher Ludwig Waldinger.

Mit Sicherheit haben die Beamten mitbekommen, dass Kass' damalige Ehefrau im November 2009 erfolgreich für die eigene Doppelhaushälfte bot, die damals zwangsversteigert wurde. 150 000 Euro kostete das Anwesen, mit der Zwangsversteigerung waren auf einen Schlag mehrere hunderttausend Euro Grundschulden getilgt. Damals vernahm die Frau unter Tränen die Entscheidung des Rechtspflegers. Heute gibt sie an, geschieden zu sein; über die Festnahme ihres Ex-Mannes will sie nicht sprechen.

Im Frühjahr 2010 vermeldete die Polizei dann eine neue Spur: In Oberbayern könnte er sich aufhalten, glaubten die Ermittler. Doch obwohl sie sogar eine Belohnung in Höhe von 2000 Euro ausschrieben, blieb der Erfolg aus. Es sollte noch ein Jahr dauern, bis sie Kass fanden - in Nordrhein-Westfalen.

"Unsere Zielfahnder geben nie auf, aber sie brauchen auch ein wenig Glück", sagt LKA-Sprecher Waldinger. In dem Fall waren es Beobachtungen aus der Bevölkerung. Die Frage, ob der 45-Jährige nun tatsächlich geflüchtet ist und auf welchen Wegen und wie er zu den Betrugsvorwürfen steht, die bleibt derzeit noch unbeantwortet.

Erst in einigen Wochen wird er in der Regensburger Justizvollzugsanstalt ankommen. Und erst dann werden ihn die Ermittler zu dem Fall befragen und zu seiner Flucht. Die Ergebnisse werden auch in Schwandorf mit Spannung erwartet. Der dortige CSU-Vorsitzende Andreas Wopperer sagte der Lokalzeitung nach dem Auffinden: "Uwe Kass hat nun dafür geradezustehen, was passiert ist."

© SZ vom 27.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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