Schwaben:Wenn der Friedhof plötzlich zu viele Gräber hat

Grabkreuz mit Trauerflor auf einem frischen Grab auf dem Augsburger Protestantischen Friedhof 30 09

Die Friedhofskultur in Bayern ist im Wandel. Statt der klassischen Erdbestattung entscheiden sich immer mehr Menschen für ein Urnengrab.

(Foto: Imago)
  • Immer mehr Menschen in Bayern wollen nach dem Tod eingeäschert werden.
  • Durch diesen Trend stehen zunehmend Flächen auf Friedhöfen leer, die eigentlich für Erdgräber vorgesehen sind.
  • Nun müssen die Gemeinden andere Arten der Nutzung finden.

Von Christian Rost, Augsburg/Donauwörth

Es ist noch nicht so, dass Erdbestattungen völlig aussterben würden, doch die Zahl der klassischen Gräber auf den Friedhöfen in Bayern nimmt deutlich ab. Immer mehr Menschen lassen sich nach ihrem Tod beziehungsweise ihre gestorbenen Angehörigen in Urnen beisetzen.

In Augsburg stehen deswegen schon Tausende Grabstellen leer. Dies hat zur Folge, dass Kommunen nach sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten für die wertvollen freien Flächen suchen müssen. Und auch die Kosten für den Unterhalt der Friedhöfe sind ein heikles Thema, weil die Gebühren für eine Beisetzung auf einem Urnenfeld günstiger sind als ein Erdgrab.

Auf den neun kommunalen Augsburger Friedhöfen sind von insgesamt 48 000 Grabstätten derzeit 9400 nicht belegt, weil sich immer mehr Menschen einäschern lassen. In Donauwörth im schwäbischen Landkreis Donau-Ries sind bereits 65 Prozent aller Bestattungen Urnenbeisetzungen. Der Grund für den Trend hin zum Grab, das nur mit minimalen Aufwand oder gar nicht gepflegt werden muss, liegt auf der Hand: Oft wollen oder können sich Angehörige nicht um die Bepflanzung und Pflege der Erdgräber kümmern, weil sie entweder weit weg wohnen, körperlich nicht mehr dazu in der Lage sind oder die Kosten einfach zu hoch sind. In Donauwörth, wo in diesem Jahr fünf Mal mehr Erdgräber aufgelöst als neu vergeben werden, kostet ein Erdgrab 300 Euro, ein Urnengrab 100 Euro.

Die Städte und Gemeinden, die zur Pflege der Friedhöfe verpflichtet sind, nehmen mit Urnen also deutlich weniger ein, als sie für den Unterhalt bräuchten. In Augsburg musste das Friedhofswesen zuletzt mit 550 000 Euro aus dem städtischen Haushalt bezuschusst werden, weil die Kosten die Einnahmen binnen drei Jahren um mehr als 300 000 Euro überstiegen haben.

Ohne den Zuschuss, der für die Denkmal- und Grünflächenpflege gewährt wurde, hätte die Stadt die Friedhofsnutzungsgebühren massiv erhöhen müssen. Sie versucht sogar, den Urnentrend künstlich zu stoppen, und lehnte es jüngst ab, auf einem Friedhof im Süden Augsburgs ein weiteres Urnenfeld zu genehmigen.

Gartenparzellen zwischen den Gräbern?

Ob dies die Entwicklung aufhalten wird, ist fraglich. Das weiß auch Reiner Erben, der Umweltreferent ist für die Augsburger Friedhöfe zuständig. Neben den Kosten geht es ihm auch um das Erscheinungsbild der Friedhöfe. Werden Erdgräber nicht mehr genutzt, entstehen zwischen den Grabstellen öde Leerflächen. Erben regte deshalb eine sogenannte Freiraumplanung für die Friedhofsflächen an, um "den Gesamteindruck zu verbessern". Konkret bedeutet das, vernünftige Nutzungsmöglichkeiten zu finden, die allerdings die Friedhofsruhe nicht stören.

Auf der Suche nach einem Zukunftskonzept für die Friedhöfe gab es diverse Vorschläge, wie die Lücken in den Grabreihen genutzt werden könnten: als Kinderspielplätze oder auch als Fläche für Kleingärtner. Beides lehnte die Stadt ab. Spielplätze und Orte der Ruhe, Trauer und Besinnung vertrügen sich nicht miteinander.

Auch die Idee, die freien Flächen zum Sport zu nutzen, kam nicht durch. Und Gartler zwischen den Gräbern? Ein weiterer Vorschlag, der für Erben nicht infrage kommt: "Für Kleingärten stehen alternative Flächen zur Verfügung, die für eine gärtnerische Nutzung wesentlich besser geeignet sind." Gemüseanbau auf ehemaligen Gräbern ist auch nicht jedermanns Sache.

Augsburg hat schon früh reagiert

Stattdessen plant Augsburg nun, einen Friedhof im Norden in einen Parkfriedhof umzuwandeln, der ähnlich wie der Münchner Südfriedhof von Spaziergängern, Joggern und Erholungssuchenden genutzt werden kann. Mit diesem Konzept soll zugleich der Stadtteil Oberhausen aufgewertet werden, der bislang mit Grünflächen nicht gerade gesegnet ist. Zudem erhält die Glaubensgemeinschaft der Jesiden auf dem Nordfriedhof ein eigenes Gräberfeld.

Schon in der Vergangenheit hat Augsburg auf den Wandel der Friedhofskultur reagiert und alternative Bestattungsformen angeboten: Beisetzungen unter Bäumen oder in einem Apfelhain. Auch eine Ruhegemeinschaftsanlage wurde eingerichtet, um Wünschen von Verstorbenen oder Hinterbliebenen zu entsprechen. Ein geplanter Naturfriedhof in einem Waldstück indes konnte nicht verwirklicht werden, weil Anwohner auf die Barrikaden gingen. Sie fürchteten zu viel Verkehr auf der Zufahrtsstraße.

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