Schwabach:Wo Franken golden glänzt

Schwabach: Blattgold: Worauf man in Schwabach stolz ist.

Blattgold: Worauf man in Schwabach stolz ist.

(Foto: mauritius images)

Blattgold aus Schwabach ziert die Siegessäule in Berlin, den Invalidendom in Paris, einen Wolkenkratzer in Mekka - und manche Luxusjacht. Aber die richtig goldenen Zeiten sind vorbei.

Von Claudia Henzler, Schwabach

Mittelgroße Städte im Schatten einer Metropole haben es nicht leicht, ein eigenes Profil zu bewahren, da muss man nur mal nach Germering schauen. Außerhalb des Münchner S-Bahn-Gebiets kennen die Stadt nicht viele, und das nicht einmal zu unrecht. Mit 40 000 Einwohnern im Westen Münchens gelegen, hat Germering außer zwei S-Bahn-Haltestellen und einigen Autobahnausfahrten wenig zu bieten, was sie über andere Schlafstädte vor den Toren der großen Stadt hinaushebt. Schwabach aber, quasi genauso groß und fast genauso weit von Nürnberg entfernt wie die oberbayerische Schwester von München, ist anders.

Schon aus historischen Gründen kann man Schwabach nicht als Anhängsel der ehemals freien Reichsstadt Nürnberg sehen, schließlich gehörte das Städtchen einst zum Herrschaftsgebiet des Markgrafen von Ansbach. Noch heute bewahrt man im Schwabacher Stadtmuseum ein seltenes Beutestück auf: Im Depot liegt eine Nürnberger Stadtfahne, die Kämpfer des Markgrafen im Jahr 1509 ihren Gegnern aus Nürnberg entreißen konnten.

Stolz ist man in Schwabach auf eine zwar übersichtliche, aber äußerst malerische Altstadt. Zum Selbstbewusstsein trägt bei, dass man die kleinste kreisfreie Stadt Bayerns ist. Alleinstellungsmerkmal und Markenzeichen aber ist das Gold. Das hat Schwabach zugegebenermaßen den Nürnbergern zu verdanken: Im Mittelalter hatten viele Metallverarbeiter die freie Reichsstadt verlassen, weil sie deren Handwerksordnung zu restriktiv fanden. Ein Teil von ihnen, darunter auch Goldschläger, siedelte nach Schwabach um. Seit dem 16. Jahrhundert ist das Handwerk dort nachweisbar.

So begann eine Tradition, mit der die Stadt heute für sich wirbt. Schwabacher Blattgold ist Fachleuten auf der ganzen Welt ein Begriff. Oberbürgermeister Matthias Thürauf (CSU), seit 2008 im Amt, hat die Bezeichnung "Die Goldschlägerstadt" vor einigen Jahren ins Logo der Stadt integrieren lassen. Das Rathaus führt die Bezeichnung seither als eine Art Untertitel.

In diesem Jahr feiert die Stadt, dass sie vor 900 Jahren erstmals schriftlich erwähnt wurde. Und da steht das Thema Blattgold im Mittelpunkt. Besucher können den Tagesausflug "Schwabach goldrichtig" buchen - eine Stadtführung inklusive Drei-Gänge-Menü mit Blattgoldverzierung - und sich in der Schauwerkstatt des Stadtmuseums zeigen lassen, wie die Goldschläger früher arbeiteten.

Offizielles Jubiläums-Andenken ist eine Playmobilfigur, die in Schwabach noch begehrter ist als die Spielzeugversion von Luther. Das Männchen stellt einen Goldschläger dar, mit Schlagstein und der typischen grünen Schürze. 25 000 Exemplare waren in kürzester Zeit vergriffen. Die Mitarbeiterinnen der Bürgerinformation im Rathaus lächeln bedauernd. Nachschub ist bestellt, aber noch nicht da. Was sie im Angebot haben, ist eine Auswahl von Produkten aus den Schwabacher Werkstätten. Sekt mit Goldflitter zum Beispiel, oder einen kleinen Streuer, mit dem man sich Essen mit Goldflocken dekorieren kann.

Schwabacher Goldschläger

Die Beschneiderin der Eytzinger Blattgoldschlägerei, Stefanie Thäter, bläst auf ihrem Arbeitstisch hauchdünne Goldstückchen zur Seite.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Auch im Stadtbild ist die Goldschlägertradition präsent. Die Türmchen des Rathauses sind mit Blattgold belegt, einige hundert Meter vom Rathaus entfernt zeigt ein Ausstellungspavillon mit rostroter Metallfassade und Schaufenster, wie es in den Werkstätten aussah. Ausführlich widmet sich das Stadtmuseum dem Thema. Dieter Drotleff ist einer der Goldschläger, die dort die Geheimnisse ihres Handwerks aufdecken. Erst einmal aber führt er den Besuchern vor Augen, wie gering der Materialwert eines einzigen Blättchens Gold ist. Mit einem Pinsel nimmt er es vorsichtig auf und legt es über einen Schokoriegel. Wer sich traut, darf ihn essen.

Zur Blütezeit gab es 130 Betriebe, heute sind es drei

Blattgold ist bis zu 1/12 000 Millimeter dünn. Das heißt: 12 000 Stück Blattgold aufeinandergelegt ergeben einen Millimeter. Das hinzubekommen, und zwar gleichmäßig, war früher harte Handarbeit. Drotleff hat das noch gelernt. 1968 hat er seine Lehre begonnen, da war er 15. Heute ist er Deutschlands dienstältester Goldschläger und arbeitet, wenn er nicht gerade im Stadtmuseum Vorführungen macht, bei Schwabachs größtem Goldschlägerbetrieb.

Ende des Jahres wird er 65 und in den Ruhestand gehen. In gleichmäßigem Rhythmus schlägt Drotleff mit einem neun Kilo schweren Hammer auf ein quadratisches Paket ein, bewegt es dabei im Kreis. Das Paket besteht aus 1500 Blättern, zwischen denen Gold liegt. Durch die Schläge werden allmählich aus vier Zentimeter großen Goldquadraten Kreise mit mehr als zwölf Zentimetern Durchmesser. Die werden dann wieder in vier Zentimeter große Quadrate geschnitten, einzeln zwischen Blätter gelegt und zu einem Paket gebündelt. Dann wird weitergeschlagen.

Im Stadtmuseum ist auch zu sehen, dass die goldenen Zeiten schon lange vorbei sind. Auf einer Tafel mit dem Schwabacher Stadtplan leuchten die Goldschläger als rote Punkte auf. Verschiebt man den Zeiger auf einer Zeitleiste, verändert sich die Zahl der Lichter. Anfang des 20. Jahrhunderts, zur Blütezeit, waren 130 Betriebe mit mehr als 1000 Mitarbeitern ansässig. Heute noch drei. Einen kleine Familienwerkstatt mit fünf Mitarbeitern und zwei große Firmen mit 50 und mehr Angestellten. Dort haben computergesteuerte Maschinen das Schlagen übernommen, doch die Produktion ist noch immer zeitaufwendig und die Abläufe sind im Prinzip dieselben geblieben. Erst wird unter Zugabe von Silber, Kupfer oder Platin ein Goldbarren mit der gewünschten Färbung gegossen. Dann wird gewalzt, geschnitten, in Formen einsortiert, geschlagen.

Der Rückgang des Goldschlägergewerbes hat mehrere Gründe. Kaum jemand hat noch vergoldete Bilderrahmen oder goldverzierte Madonnenstatuen im Haus. Auch in öffentlichen Gebäuden und Kirchen gibt es weniger Aufträge. Zum anderen ist die Blattgold-Konkurrenz aus Asien groß. Die verbliebenen Schwabacher Goldschläger schauen dennoch zuversichtlich in die Zukunft. Nur sie könnten so viele verschiedene Farbtöne herstellen und nur sie die Qualität liefern, die man braucht, um eine große Fläche einheitlich zu vergolden.

Tatsächlich ist das Schwabacher Blattgold noch immer weltweit an prominenter Stelle zu sehen: auf der Siegessäule in Berlin etwa, dem Dach des Invalidendoms in Paris, dem Innenraum der neue Kölner Zentralmoschee, dem Turm eines Wolkenkratzers in Mekka. Auch bei der Inneneinrichtung von Luxusjachten kommen gerne hauchdünne Edelmetallblättchen aus Schwabach zum Einsatz. Gleichzeitig versuchen die Firmen, sich breiter aufzustellen. "Es ist wichtig, das Angebot laufend weiter zu entwickeln", sagt Christian Scheuring, Inhaber der Firma Eytzinger, Schwabachs ältestem erhaltenem Goldschlägerbetrieb. "Wir produzieren nach wie vor für die klassischen Bereiche Vergolden und Verzieren, sind aber auch angemeldete Hersteller für Lebensmittel und Kosmetika."

Wirtschaftlich gesehen ist Schwabach nicht von seinen Goldschlägern abhängig. Die Stadt habe eine solide Mischung mittelständischer Unternehmen, sagt Oberbürgermeister Thürauf. Die Gewerbesteuer ist die Haupteinnahmequelle der Stadt, der Auspendlerüberschuss ist gering. Man ist hier eben viel mehr als nur der Nachbar von Nürnberg.

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