Mitten in Schwabach:Loblied auf den Verfall

Lesezeit: 1 min

Hallen, Bäder, Schulen - alles bröckelt. Und das ist gut so. Einem Paar aus Schwabach hat das nach 25 Jahren endlich den Ehering zurückgebracht.

Glosse von Olaf Przybilla, Schwabach

Die Freibäder brauchen Hilfe, die Sporthallen bröckeln und die Schulen, ach, die Schulen. Ja doch, das ist Bayern, das Land, in dem Milch und Honig nur so strömen - nur dass die kommunale Infrastruktur davon halt offenbar nichts mitbekommen hat.

Aber ehe hier so ein kulturpessimistischer, notorisch mokanter Ton Einzug hält: Es ist doch gut, dass die Dinge ihre Verfallszeit haben, nichts von Dauer ist und alles nur auf Zeit. Und wer das nicht glauben oder hören will, der darf gerne mal bei Elfriede Korder in Schwabach nachfragen. Für sie, von ihrem Mann zärtlich "Elfi" genannt und seit 44 Jahren mit exakt jenem glücklich verheiratet, hätte kaum etwas abschreckender sein können als der Gedanke an eine immerwährend einwandfreie und für alle Zeiten picobello dastehende Turnhalle.

44 Jahre glücklich verheiratet - so was gibt's gar nicht? Doch. Und es gibt noch ganz anderes, Frau Korder weiß das seit 1997. Für eine Stunde Volleyball in der Schwabacher Helm-Schul-Halle hat sie damals ihren Ehering aus Weißgold vom Finger genommen. Und als sie ihn nach dem Sport wieder überstreifen will, rollt das Ding traumwandlerisch sicher in einen Hallenspalt. Nun war das, die Älteren erinnern sich, ausgehendes 20. Jahrhundert, da war technisch schon allerlei möglich. Nur eine Gerätschaft, um diesen Ring aus jenem Spalt zu lotsen, die war 1997 nicht erfunden. Und so blieb es übrigens bis 2022.

Ein Anruf bei der Stadtverwaltung hat damals ergeben, dass diese - bei aller Ehe-Liebe - jetzt nicht den Hallenboden abtragen könne. Frau Korder sagt, sie sei grundsätzlich wirklich nicht abergläubisch. Aber an dem Tag und nach der Auskunft sei sie "fertig mit der Welt" gewesen. 19 Jahre Ehe hatte sie damals hinter sich, richtig gute Jahre. Und dann fällt das gemeinsame Symbol einer miefigen Halle zum Opfer. Man besorgte sich einen Ehe-Ersatzring, logisch. Nur: Gibt's so was überhaupt? Und kann der dasselbe?

Wie auch immer, ein Zweifachturnhallenersatzneubau ist nun die Rettung. Vor dem Abriss der Althalle hat Reiner Korder, das ist der 44-Jahre-Ehemann, Flex und Kreissäge ausgepackt. Die Sache mit dem "Wir können doch nicht den Hallenboden abtragen" galt ja nun nicht mehr, 25 Jahre danach. Auf einer Abdichtfolie, tipptopp erhalten, fand sich der Ring. Nichts ist von Dauer? Manches eben schon.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: