Schulpolitik:Schüler sollen ihre Lehrer bewerten

Schulpolitik: Langweilig? Unverständlich? Inspirierend? Schüler dürfen künftig ihren Unterricht bewerten.

Langweilig? Unverständlich? Inspirierend? Schüler dürfen künftig ihren Unterricht bewerten.

(Foto: Michael Weber/Imago)
  • Bayerns Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich will, dass Einholen von Feedback für Lehrer verpflichtend wird.
  • Viele Beteiligte üben Kritik an der Umsetzung des Projekts.

Von Anna Günther

Bisher bewerten Lehrer die Leistungen ihrer Schüler, künftig soll es aber auch andersrum gehen: Nach dem Willen von Bayerns Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich soll das Einholen von Feedback für Lehrer verpflichtend werden. Geplant ist zunächst, dass von der Grundschule bis zur Oberstufe am Gymnasium alle Schüler die Referendare kritisieren.

Beginnen soll das Projekt als Modellversuch an vorerst 55 Seminarschulen, die für die Ausbildung der Referendare verantwortlich sind. Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) soll den Modellversuch begleiten und Material erstellen, aus denen sich die Lehrer selbst Feedback-Bögen zusammenstellen können. Noch ist aber nichts fertig.

In Fachkreisen ruft das Vorhaben kontroverse Diskussionen hervor, obwohl zumindest im Grundsatz alle dafür sind. Hört man sich um, ist von Versuchskaninchen, überstürztem Überstülpen und Schikane die Rede, aber auch von Ängsten der Lehrer vor Veränderung und dem Verharren im Trott.

Die Pädagogen, die kritische Rückmeldungen nötig hätten, erreiche der Modellversuch nicht, sagt einer. Dafür aber würden nun die Unerfahrensten im System Schule bewertet, deren berufliche Zukunft davon abhänge. Aufgeschlossene Lehrer und Referendare setzten Feedback ohnehin ein.

Das Projekt werde den Referendaren aufgezwungen, weil Eisenreich den Schülern beim Kongress "Basis 15" im vergangenen Jahr Einfluss bei der Lehrerbildung zugesichert habe, vermutet ein anderer. Der Staatssekretär dagegen betont, Feedback zur Verbesserung von Unterricht sei ihm schon lange ein Anliegen. Das Projekt sei schon in der Vorbereitung gewesen, als er mit den Jugendlichen gesprochen habe.

Es wäre gut gewesen, die Schüler einzubeziehen

Die Schüler jedenfalls freuen sich und fühlen sich geschätzt. "Aber es wäre schön gewesen, wenn wir beim Konzept einbezogen worden wären", sagt Hannah Imhoff, Münchens Stadtschülersprecherin, die auch Sprecherin des Schülerkongresses war. Ideen hätten sie, sagt Imhoff, zum Beispiel sei es vorteilhaft, zum Halbjahr Feedback abzufragen, damit sich noch etwas verbessern könne.

Wie die Feedback-Pflicht eingeführt werden soll, das bereitet den Lehrerverbänden Probleme: Vor zwei Monaten informierte sie das Ministerium, im Herbst solle es losgehen. Diese Eile trotz offener Fragen etwa zum Datenschutz sowie der Zwang lösten Widerstand aus, sagt Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes. "Es ist schade, dass gute Ideen in Bayern manchmal so in den Sand gesetzt werden." Dabei könne niemand gegen Schülerfeedback sein, "wenn wir wollen, dass Lehrer Schüler ernst nehmen und diese sich ernst genommen fühlen", sagt Fleischmann.

Das größte Problem ist die Abgrenzung des Schüler-Feedbacks zur Bewertung der Referendare durch ihre Ausbilder. Es ist sinnvoll, die Rückmeldungen der Schüler mit einem erfahrenen Kollegen zu besprechen, um sie richtig einzuordnen. "Aber das dürfen auf keinen Fall Seminarlehrer oder Schulleiter machen, die Referendare auch beurteilen", sagt Max Schmidt, der Vorsitzende des Philologenverbandes. Die Umfrage würde sonst zum Druckmittel gegen die angehenden Lehrer seitens der Schüler und auch der Seminarleiter, befürchtet Schmidt.

"Keine Firma schult nur Azubis"

Schüler-Feedback als Teil der Beurteilung wäre ein großes Problem, sagt auch Jürgen Böhm, der Chef des Realschullehrerverbandes. Die Befragung der Schüler könne auch von Lehrern missbraucht werden, um sich selbst bessere Noten zu sichern. Andererseits sei es auch möglich, dass Schüler unsichere Referendare bewusst auflaufen ließen.

Unangenehme Rückmeldungen der Schüler einfach zu ignorieren sei aber keine Option, sagt Angelika Wildgans, die Vertreterin der Referendare an Gymnasien. Besser sei es, Lehrer des Vertrauens auszusuchen, die zur Verschwiegenheit verpflichtet seien. Wieso das Feedback nun Pflicht wird, versteht sie nicht: "Wir machen das doch ohnehin alle und diejenigen, die man verpflichten müsste, würden das dann wegen des zusätzlichen Arbeitsaufwands trotzdem nicht machen." Feedback auszuwerten dauere bis zu drei Stunden; Bögen für eine Klasse und ein Thema zu erstellen etwa genauso lange.

Für Günther Felbinger (Freie Wähler) ist die Pflicht zum Einholen von Rückmeldungen für angehende Lehrer "ein Witz", der Umgang mit Feedback sei ohnehin Teil der Ausbildung. "Das muss auf alle Lehrer ausgedehnt werden. Keine Firma schult nur die Azubis", sagt der Bildungspolitiker. Seine Fraktion hatte Anfang des Jahres im Landtag eine Anfrage zur Feedbackkultur in Bayerns Schulen gestellt.

Die Antworten des Ministeriums bezeichnet Felbinger als "heiße Luft". Dass das Ministerium Verbindlichkeit will, sei gut, aber diese müsse bis zu den Schulleitern gelten, um die Qualität zu erhöhen. Rückmeldungen durch Kollegen oder Vorgesetzte seien überall üblich, nur in den Schulen gelte noch: Tür zu, und jeder mache, was er wolle. Das gelte oft auch für das Verhältnis der Lehrer untereinander.

Eisenreich versucht die Wogen zu glätten: "Wir wollen das unbedingt, weil es Schulen, Unterricht und Lehren hilft." Damit das funktioniert, halte er an der Pflicht fest. Die Sorgen der angehenden Lehrer verstehe er. Deshalb stelle er ihnen frei, das Feedback auch mit Vertrauenslehrern zu besprechen. Ziel sei, Feedback in allen Schulen zu etablieren. Die Referendare machten den Anfang. "Der Rest kommt."

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