Schulpolitik:Ludwig Spaenle, der einsame Minister

Gymnasium München Nord wird "Eliteschule des Sports", 2017

Nach bald neun Jahren im Amt hat sich Ludwig Spaenle als oberster Bildungspolitiker eine große Zahl von Gegnern zugezogen - auch in der CSU.

(Foto: Florian Peljak)
  • Bildungsminister Ludwig Spaenle wird auch parteiintern harsch kritisiert - vor allem wegen seinem Vorgehen bei der Debatte um die Zukunft des Gymnasiums in Bayern.
  • Zur Gymnasialreform haben die Bildungsexperten der CSU-Fraktion Spaenles Ministerium einen Fragenkatalog mit 15 Punkten vorgelegt.
  • Horst Seehofer hatte die Gespräche zur Zukunft des Gymnasiums wegen "heller Unruhe im Land" an sich gezogen.

Von Anna Günther und Wolfgang Wittl

Wäre Ludwig Spaenle nicht Schulminister, sondern nur ein kleiner Pennäler, dann würde er jetzt wohl mit gehörigem Bammel auf den Postboten warten. Das Schreiben wird zwar in keinem blauen Umschlag stecken, aber unerfreulich ist es trotzdem.

Etwa 15 offene Fragen zur Reform des bayerischen Gymnasiums wollen die Bildungspolitiker der CSU-Landtagsfraktion vom Kultusminister beantwortet haben. Auch wenn es sich um keinen Verweis handelt, eine kräftige Ermahnung ist darin durchaus zu erkennen. Getreu dem mit roter Tinte formulierten Lehrermotto: "Das kannst du besser."

Ob Spaenle es wirklich besser kann, daran wachsen allerdings die Zweifel. "Bildungsminister Spaenle scheint mit seiner Aufgabe völlig überfordert zu sein", kritisierte dieser Tage der Grünen-Abgeordnete Thomas Gehring. Die Worte hätten genau so gut aus der CSU stammen können - nur mit dem kleinen Unterschied, dass vieles von dem, was in der Partei und Landtagsfraktion derzeit über Spaenle zu hören ist, noch deutlich unfreundlicher klingt als der Tadel des Grünen Gehring.

Spaenle, 55, hat in der CSU schon immer polarisiert. Kritiker werfen ihm vor, er könne dröhnend laut sein, wenn er demütig schweigen sollte. Er könne bis zur Untätigkeit abwarten, obwohl energisches Handeln geboten sei. Und er könne mit brachialer Wucht Dinge vorantreiben, wenn er besser still halten sollte.

Mit anderen Worten: Der Minister habe das Talent, seine zweifellos vorhandene politische Begabung zielsicher falsch einzusetzen. Spaenle ist also bekannt als Mann der Gegensätze. Neu ist, wie viel Zorn er auf sich zieht: in der Fraktion, in seinem Münchner CSU-Bezirksverband und im Bildungsland Bayern.

Ministerpräsident Horst Seehofer kanzelte ihn zuletzt in einer Weise ab, die mit Demontage noch freundlich beschrieben wäre. Mitten in der Entscheidungsphase über das Gymnasium sprach er von "heller Unruhe im Land" und dass er die Gespräche deshalb an sich ziehe. Zwar sagte Seehofer später, seine Kritik sei "ein bisschen schepps" angekommen. Doch das dürfte ebenso kalkuliert gewesen sein wie die Attacke auf Spaenle. Sein Bedauern sprach Seehofer beim Fischessen der Münchner CSU aus, und ganz möchte man es sich mit deren Chef dann auch nicht verderben.

Wie groß Spaenles Rückhalt in seinem Bezirksverband ist, dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Spaenle regiere die Münchner CSU mit harter Hand, Kritiker sprechen gar von einem Regime der Angst, von einem "System Spaenle". Wer nicht mitziehe, werde systematisch ausgebootet. Tag und Nacht sei der Chef an der Basis unterwegs, um die Kontrolle zu behalten. Selbst bei mickrigen JU-Veranstaltungen harre Spaenle stundenlang aus, als ob es keine wichtigeren Termine im Leben gäbe. Bei diesem Aufwand sei es kein Wunder, wenn dem Minister die Zeit für Schulpolitik fehle.

Spaenle nennt die Vorwürfe "geradezu lächerlich". Er sei der erste Bezirksvorsitzende, der in den 60 Ortsverbänden unterwegs sei, "wie in einer großen Familie". Daher kenne er auch niemanden, der vor ihm Angst habe. Und zur Bildungspolitik könne er nur sagen, dass die CSU laut Umfragen mit Abstand die besten Werte in Deutschland habe. Braucht es noch mehr?

Seehofer verfolgt Spaenles Personalpolitik mit Unbehagen

Spaenle ist der dienstälteste Kultusminister der Republik, seit 2008 übt er das Amt aus - und damit nur zwei Jahre kürzer, als Joachim Löw die Fußball-Nationalmannschaft trainiert. Tatsächlich haben ein Bundestrainer und ein Kultusminister mehr gemeinsam, als man denkt: Sie haben es mit lauter Experten zu tun, die selbst alles besser wissen. Die einen, weil sie mal gegen einen Ball getreten haben; die anderen, weil sie selbst auf der Schule waren oder Kinder dort haben. Die Frage ist jedoch: Warum ist Löw allseits beliebt, Spaenle aber nicht einmal in seiner Partei?

Obwohl Seehofer das Gymnasium zur Chefsache erklärt hat, richtet sich der Unmut der Landtagsfraktion vor allem gegen Spaenle. In der Sitzung am Mittwoch soll der Minister sogar laut geworden sein: Er lasse sich ja viel bieten, nicht aber den Vorwurf, er würde die Fraktion nicht informieren oder einbinden. Doch viele Abgeordnete würden einfach gerne nur wissen, welche Vorstellungen Spaenle selbst vom neuen Gymnasium hat. Stattdessen verschanze er sich hinter der Standardformel, die Entscheidung liege bei der Fraktion.

Er plädiere für ein G 9 mit der Möglichkeit, auch in acht Jahren das Abitur ablegen zu können, habe Spaenle am Mittwoch in der Sitzung noch gesagt. Für seine Verhältnisse ist das mehr als deutlich. Auch Parteifreunde, die ihm nahe stehen, hätten sich solche Worte allerdings früher gewünscht. Womöglich sei dies aber nur Spaenles Erfahrungen mit Seehofer geschuldet. Auch beim Bau eines Münchner Konzerthauses zog der Ministerpräsident die Planungen am Ende an sich. Man könnte nun streiten, was zuerst war: Spaenles Passivität oder Seehofers Gestaltungstrieb?

In Wahrheit sei der Spaenle "ein armer Hund", sagt einer aus dem CSU-Führungszirkel, er sei nur "der Prellbock" zwischen Seehofer und den Landtagsabgeordneten. Nun räche sich, dass Spaenle die Zusammenarbeit mit der Fraktion nie gesucht habe. Ein Mann der starken Worte, aber nicht immer der Taten - dieser Ruf begleitet ihn seit dem Einzug ins Parlament 1994.

Nicht wenige in der CSU waren nach der Wahl 2013 daher überrascht, dass Seehofer ihn neben Ilse Aigner, Joachim Herrmann und Markus Söder zu einem der Superminister machte. Spaenle war wie andere Kabinettsmitglieder in die Verwandtenaffäre verstrickt, musste auf Geheiß des Ministerpräsidenten viel Geld zurückzahlen - dennoch bekam er zusätzlich das Wissenschaftsministerium zugeschlagen.

So mancher führt die Entscheidung auf äußere Einflüsse zurück. Spaenle versteht sich bestens mit Söder, gilt als dessen Statthalter in München. So habe Seehofers jüngste Kritik in Wahrheit auch mehr auf Söder gezielt. Trotzdem erwarten auch Fachleute, dass Spaenles Ministerium bei nächster Gelegenheit wieder getrennt wird. Zu groß, zu schwer steuerbar sei dieser Tanker. Dass der promovierte Historiker Spaenle sich im Bereich Hochschule, Wissenschaft und Kunst wohler fühlt als in der Schulpolitik, ist ein offenes Geheimnis.

Ob Spaenle überhaupt wieder ein Ministerium anvertraut bekommen soll, darüber herrscht in der CSU Uneinigkeit. Sein Status als Münchner Bezirkschef dürfte ihn unantastbar machen. Doch der Unmut an der Basis sei enorm, berichten Mitglieder, trotz des liberalen Großstadtkurses, den Spaenle propagiert. Sogar Seehofer soll Spaenles Personalpolitik, vor allem die ausbaufähige Förderung von Frauen, mit Unbehagen verfolgen.

Spaenle weist die Kritik zurück: Jeder dritte Bewerber für ein Amt in München müsse eine Frau sein. All die Äußerungen seien doch nur dazu gedacht, "einen Unfrieden in der CSU zu stiften, den ich nicht kenne". Den Brief aus der Fraktion sehe er übrigens ganz gelassen, sagt Spaenle: Dass es vertiefte Nachfragen gebe, sei "ein völlig normaler Meinungsbildungsprozess".

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