Schulpolitik in Bayern:CSU lässt Schulminister Spaenle nachsitzen

Schulpolitik in Bayern: Bayerns Gymnasiasten sollen wieder ein Jahr länger lernen. Wie genau das Konzept aussehen wird, darüber streitet die CSU allerdings noch.

Bayerns Gymnasiasten sollen wieder ein Jahr länger lernen. Wie genau das Konzept aussehen wird, darüber streitet die CSU allerdings noch.

(Foto: Hartmut Pöstges)
  • Die Entscheidung in der CSU über eine mögliche Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren fällt doch nicht an diesem Mittwoch.
  • Stattdessen soll das Kultusministerium zunächst der CSU-Fraktion eine Reihe offener Fragen beantworten.
  • Anschließend sollen die Bildungsexperten der Fraktion zusammen mit dem Ministerium bis Ostern Eckpunkte für eine mögliche Reform vorlegen - und erst dann soll feststehen, ob es beim G8 bleibt oder das G9 kommt.

Von Anna Günther, Lisa Schnell und Wolfgang Wittl

Es ist spät geworden am Montag in der Staatskanzlei, bis kurz vor Mitternacht saßen die Bildungspolitiker der CSU-Landtagsfraktion mit Ministerpräsident Horst Seehofer, Kultusminister Ludwig Spaenle und Fraktionschef Thomas Kreuzer zusammen. Thema wie so oft: die Zukunft des Gymnasiums. Diesmal aber lagen die Erwartungen besonders hoch. Von "Richtungsentscheidung", "Weichenstellung" und "Schlüssel-Abend" war die Rede gewesen - nach Monaten zäher Debatten wollte die CSU endlich Klarheit schaffen, ob und wie eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium gelingen könnte. Doch klar war am Ende nur eines: Die Entscheidung wird vertagt. Wieder einmal.

Wie wichtig Seehofer der Termin war, ließ sich schon daran erkennen, dass er - obwohl krank - bis zur letzten Minute teilnahm. Den Koalitionsgipfel in Berlin mit der Kanzlerin und den SPD-Spitzen hatte er für Dienstag abgesagt, für das Gymnasium nahm er sich Zeit. Viereinhalb Stunden beriet die Runde. Ergebnis: Die von Seehofer bereits für diesen Mittwoch in Aussicht gestellte Festlegung der Landtagsfraktion wird um Wochen zurückgestellt. Stattdessen muss das Kultusministerium nacharbeiten.

Etwa 15 Fragen seien offen geblieben, berichten Teilnehmer. Spaenles Haus soll sie schriftlich beantworten, auch um die G-9-Skeptiker zu besänftigen. In enger Abstimmung mit CSU-Bildungspolitikern soll dann daraus bis Ostern ein Eckpunktepapier entstehen. Auf dieser Basis wiederum will die CSU vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen. Ursprünglich wollte sie das Gesetz bis zum Sommer bereits verabschiedet haben. Entscheidend sei jedoch das Eckpunktepapier, hieß es aus der CSU. Es liefere eine sichere Grundlage, auf der Eltern ihre Kinder einschreiben könnten.

Die Opposition reagierte trotzdem wütend auf die erneute Verzögerung: Die Zeit für ein neunjähriges Gymnasium sei "überreif", kritisierte Michael Piazolo (Freie Wähler), interne Probleme zwischen Staatsregierung und CSU-Fraktion dürften "nicht länger auf dem Rücken der Schüler, Lehrer und Eltern ausgetragen werden".

Auch die Grünen forderten eine "zügige" Entscheidung. Und SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher wunderte sich, weshalb "die CSU-Alleinregierung bisher keine Antworten auf die immer noch offenen Fragen gefunden hat", etwa, wie die zusätzlichen Lehrer und neuen Schulräume finanziert werden sollen. Oder wie das Gymnasium inhaltlich ausgestaltet werden soll. Rinderspacher sieht sogar Seehofers Autorität beschädigt, er vermutet in der CSU "fraktions- und regierungsinterne Machtfragen".

Die CSU wirft der Opposition im Gegenzug Scheinheiligkeit vor. Die habe erst jahrelang die überstürzte Einführung des G 8 gegeißelt, nun dauere plötzlich alles viel zu lange, sagt ein CSU-Mann. Tatsächlich dominiert in der Partei die Sorge, keine weiteren Fehler in dieser ohnehin langen Kette zu produzieren. Nicht nur Seehofer ist der Ansicht, dass mit dem Thema Gymnasium Wahlen zwar nicht gewonnen, sehr wohl aber verloren werden können. Das Motto lautet daher: Gründlichkeit vor Geschwindigkeit. Auf ein, zwei Wochen mehr komme es jetzt auch nicht mehr an, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber am Dienstag nach der Kabinettssitzung, in der über das G 8/G 9 "intensiv" gesprochen worden sei. Um über Kosten zu reden, sei es aber noch zu früh, sagte Huber. Auch dürfe man das Thema Gymnasium in der derzeitigen Debatte nicht isoliert betrachten.

Das sah die Runde am Montag offenbar ähnlich. Einzelne Abgeordnete forderten, man dürfe andere Schularten nicht vernachlässigen, es brauche ein komplettes Bildungspaket für diese Legislaturperiode. Das bedeutet, dass etwa Förder-, Berufs- und Mittelschulen finanziell besser ausgestattet werden sollen. Ein neuer Lehrplan oder eine Reform wie am Gymnasium ist aber nicht zu erwarten. Auch wenn Staatskanzleichef Huber noch bremst, werden die Kosten für eine Rückkehr zum G 9 bereits kalkuliert: 1000 zusätzliche Lehrerstellen wären jährlich mit 100 Millionen Euro zu veranschlagen, die Baumaßnahmen könnten insgesamt bei bis zu 500 Millionen Euro liegen. Zahlen, die CSU-Haushaltspolitiker kritisch sehen, zumal sogar noch weitere Lehrerstellen nötig sein könnten. Seehofer indes hat bereits betont, am Geld würden notwendige bildungspolitische Entscheidungen nicht scheitern.

Doch was ist notwendig? Ein G 8 mit Bremsspur? Ein G 9 mit Überholspur? Details seien immer noch nicht entschieden, sagen Teilnehmer der Gesprächsrunde. Antworten sollen die Fragen an das Kultusministerium liefern. Etwa, welche Folgen ein G 9 für andere Schularten habe? Zieht es noch mehr Kinder an und schwächt es die Realschulen? Oder: Wie soll das funktionieren, Kindern mehr (Frei-)Zeit zu geben, gleichzeitig aber mehr Stoff in den Lehrplan zu packen? Oder soll der Inhalt des G 8 nur auf neun Jahre gestreckt und das Abitur verwässert werden?

Das Ministerium sei auf alle Fragen vorbereitet, versicherte Spaenle am Dienstag, aber entschieden werde "in der Fraktion und mit der Fraktion". Auch wenn am Abend vorher einige Spitzen verteilt worden sein sollen, waren hinterher alle um Harmonie bemüht. Seehofer habe die Fraktion mitgenommen und nicht überrollt, sagte einer: "Das ist gut." Fest stehe aber auch: "Der nächste Schuss muss sitzen."

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