Schulpolitik:Bayern will 870 Millionen Euro in Schulen investieren

Mehr Zeit fürs Abi - G9 kehrt vielerorts zurück

2035 Lehrerstellen sollen in Bayern geschaffen werden.

(Foto: dpa-tmn)
  • Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle hat nach dem Beschluss zur Rückkehr zum G 9 das neue Bildungspaket vorgestellt.
  • Bis 2025 will der Freistaaat 870 Millionen Euro in die Schulen investieren. Nicht nur Gymnasien sollen von dem Geld profitieren.
  • Unter anderem soll der Personalbestand an den Schulen aufgebaut und die Inklusion vorangetrieben werden.

Von Anna Günther und Wolfgang Wittl

Am Morgen danach zeigt sich Kultusminister Ludwig Spaenle bester Laune. Wo er zuletzt noch grantelnd abgewinkt hatte, wenn die Reform des Gymnasiums zur Sprache kam, macht er nun sogar kleine Witzchen. Spaenle stellt in seinem Ministerium das Bildungspaket vor, das die CSU-Fraktion am Mittwochabend bei nur einer Enthaltung des früheren Parteichefs Erwin Huber gebilligt hatte.

Und wie Ministerpräsident Horst Seehofer spricht nun auch er von einer Generationenentscheidung mit Zukunftscharakter, die "sicher ein Vierteljahrhundert tragen wird". Dass Spaenle vor Kurzem noch aus eigenen CSU-Reihen heftig für seine Pläne attackiert worden war? Schwamm drüber!

Zweieinhalb Stunden hatten die Abgeordneten diskutiert, dann war die jahrelange Debatte zu Ende. Nicht nur das Gymnasium soll reformiert werden, auch alle anderen Schulen sollen profitieren - in einem finanziellen Umfang, wie es sich nur Bayern leisten könne, wie Seehofer sagte. 870 Millionen Euro will der Freistaat bis 2025 in die Schulen investieren.

Neben etwa 500 Millionen Euro für Baukosten sollen 2035 Lehrerstellen geschaffen werden. Die jährlich anfallenden Gehälter sind in den 870 Million Euro allerdings nicht enthalten, langfristig dürfte die Reform einen Milliardenbetrag ausmachen. Die meisten der 1000 Stellen für das Gymnasium werden erst fällig, wenn die ersten G-9-Schüler 2025 in die 13. Klasse kommen, der Personalbestand wird nach und nach aufgebaut.

Andere Schularten profitieren deutlich früher von der Offensive: Schon in den kommenden drei Jahren sollen die Förderschulen gestärkt werden. Dort ist beispielsweise auch der "Mobile Sonderpädagogische Dienst" angesiedelt, der die Regelschulen bei der Inklusion unterstützt. Sukzessive sollen die 351 Förderschulen 250 zusätzliche Lehrerstellen bekommen. Auch die Inklusion soll weiter mit 100 Stellen pro Schuljahr vorangetrieben werden. Das größere Problem für die Förderzentren ist allerdings, dass es nicht genügend ausgebildete Sonderpädagogen gibt.

Auch da wollen Spaenle und Seehofer Abhilfe schaffen - nicht zuletzt dank Fürsprache von Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Die Universitäten in München und Würzburg bekommen jeweils einen zusätzlichen Lehrstuhl, die Uni Regensburg kommt 2019 mit drei Lehrstühlen als dritte Ausbildungsstätte dazu. Johann Lohmüller, der Vorsitzende des Sonderpädagogenverbands, ist zufrieden, auch wenn die Maßnahme "zu spät" komme: "Aber lieber spät als nie."

Dass die Diskussion vorwiegend ums Gymnasium kreiste, hatte Vertreter der Grund-, Mittel- und Realschulen massiv verärgert. Auch sie werden nun bedacht. Es sei seine Entscheidung gewesen, ein gesamtes Bildungspaket zu schnüren, betonte Seehofer. Abgeordnete hingegen reklamieren für sich, einige Nachbesserungen erzielt zu haben.

Kein Bildungspaket, sondern allenfalls ein Päckchen

Nicht die einzige Unstimmigkeit zwischen Regierung und Fraktion. So soll Fraktionschef Thomas Kreuzer erst in der finalen Sitzung erfahren haben, dass nun weitere 100 Stellen eingeplant werden. Seehofer wollte offenbar 1000 Stellen nicht nur für die Gymnasien, sondern auch für die anderen Schularten.

50 neue Stellen gehen 2018 in die Mobile Reserve der Volksschulen. Diese Springer kommen dann zum Einsatz, wenn kurzfristig Lehrer ausfallen - allerdings sind die 2000 mobilen Kräfte oft schon zu Schuljahresbeginn verplant. Jede Realschule hat ein eigenes Springerbudget, das die Schulleiter flexibel einsetzen. Auch diese integrierte Reserve wird in den nächsten zwei Jahren um 100 Stellen aufgestockt.

Jürgen Böhm, Chef des Realschullehrerverbands, wertet dies als "klares Bekenntnis zum differenzierten Schulsystem. Das freut die gesamte Realschulfamilie". Ein Grundproblem aber bleibe: Die meisten Realschullehrer bekommen derzeit keinen Job nach dem Referendariat.

Auch für Lehrerverbandspräsidentin Simone Fleischmann ist das Paket ein "Schritt in die richtige Richtung". Für alle Schularten sollen 150 Verwaltungsstellen geschaffen werden, um Schulleiter zu entlasten. Für die Berufsschulen sind 100 zusätzliche Lehrerstellen vorgesehen, außerdem soll der Meisterbonus auf 1500 Euro angehoben werden. Diese Summe bekommt, wer erfolgreich seine Meisterprüfung macht. Zehn Millionen Euro sollen in Aus- und Weiterbildungseinrichtungen fließen.

Ein Konzept zur frühkindlichen Bildung wird noch erarbeitet. Die Opposition könne nun nichts mehr zu kritisieren haben, sagt ein CSU-Mann. Der SPD-Politiker Martin Güll zeigt sich dennoch enttäuscht: Es handele sich nicht um ein Bildungspaket, sondern allenfalls um ein Päckchen. Bei Grund-, Mittel- und Berufsschulen werde "nicht einmal das dringend Notwendige" gemacht, bei den Kitas gar nichts.

Michael Piazolo (Freie Wähler) hält Spaenles Satz, die Reform verschaffe 25 Jahre Ruhe, für "völlig verfehlt". Er habe den Eindruck, dass sich der Minister "gleich wieder die Schlafmütze überstreifen will". Thomas Gehring (Grüne) ruft die CSU auf, sofort dem Gesetzentwurf seiner Fraktion zuzustimmen. Schließlich finde sich ein großer Teil der Grünen-Forderungen im neuen Konzept der CSU wieder.

Die CSU hat zunächst andere Pläne. Seehofer lobt Spaenle in der Sitzung zwar für sein "Meisterstück", empfiehlt ihm aber, zur besseren Vermarktung eine Werbeagentur zu beauftragen. Spaenle nimmt es gelassen: Es sei doch schön, dass der Ministerpräsident sich auch dafür interessiere.

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