Bildung:Enttäuschung bei schwangeren Lehrerinnen in Bayern

Bildung: Einfach vor der Klasse stehen, das wünschten sich viele schwangere Lehrerinnen in Corona-Zeiten. Nun sind die Regeln gelockert - aber viel einfacher macht es das nicht.

Einfach vor der Klasse stehen, das wünschten sich viele schwangere Lehrerinnen in Corona-Zeiten. Nun sind die Regeln gelockert - aber viel einfacher macht es das nicht.

(Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Frauen, die ein Kind erwarten, dürfen wieder unterrichten - eigentlich. Doch die Regeln sind so kompliziert, dass viele lieber daheim bleiben. In den Schulen wächst der Frust.

Von Anna Günther, Illertissen/Landau

"Ich wollte ganz normal arbeiten, ohne Zinnober", sagt Maria Reiter. Die Enttäuschung ist ihr anzumerken. Reiter ist eine jener schwangeren Lehrerinnen in Bayern, die unbedingt wieder in die Schule zurückkehren wollten. Sie war so genervt vom Corona-bedingten Betretungsverbot, dass sie ihre Schwangerschaft vor den Sommerferien sogar geheim hielt, um ihre Schüler noch weiter begleiten zu können. Die Gymnasiallehrerin unterrichtet normalerweise in Illertissen am Kolleg der Schulbrüder Sport und katholische Religion.

Seit Anfang September muss sie nun daheim sitzen. Obwohl sie sich gut fühlt, sie unbedingt in den Schulunterricht zurückkommen wollte und ihr Schulleiter das unterstützte, ist Reiter bis heute nicht ans Gymnasium zurückgekehrt. Zu kompliziert seien die neuen Regeln. Man habe ihr "Steine in den Weg gelegt", findet Maria Reiter. Die Organisationshürden für ihre Schule wären zu hoch gewesen, es hätte sich nicht "rentiert".

Zwar gilt die pauschale Allgemeinverfügung seit 4. Oktober nicht mehr, seither dürfen schwangere Lehrerinnen prinzipiell wieder in der Schule unterrichten. Aber nach gut vier Wochen zeigt ein Blick in die Zahlen und eine Umfrage an der Basis, dass von etwa 2800 schwangeren Lehrerinnen nur wenige wieder an der Schule arbeiten. Im Kultusministerium klingt das positiver: Meldungen der Schulen deuteten darauf hin, dass "mehr und mehr Schwangere in die Schulen zurückkehrten". Vor den Herbstferien lag die Quote der "aufgrund einer Schwangerschaft abwesenden Lehrkräfte" bei 1,18 Prozent, fünf Wochen vorher bei 1,30 Prozent aller 160 000 Lehrer. Der große Wurf ist das nicht.

Zwar hatte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) schon vorgebaut: Als er das Ende der Allgemeinverfügung verkündete, sagte er bereits, dass das Ende des Betretungsverbotes keine allzu große Linderung für den Lehrermangel bringen dürfte. Aber jede Lehrerin wird gebraucht, gerade Grund- und Mittelschulen mit der höchsten Frauenquote und damit auch einem hohen Anteil Schwangerer sind akut betroffen. Trotzdem scheinen die neuen Regeln die Erwartungen an den Schulen eher noch unterboten zu haben. Noch mehr Bürokratie für quasi keinen Gewinn, hört man aus mehreren Ecken Bayerns. Und an den Grundschulen seien die Regeln nahezu nicht umsetzbar.

Die Schwangeren sollen zum Schutz vor Corona-Infektionen im Unterricht und auf Begegnungsflächen wie Fluren immer FFP2-Masken tragen und 1,5 Meter Abstand zu ihren Schülern halten. Masken-Tragepausen müssen eingeplant werden, weil Schwangere besonders zur Kurzatmigkeit neigen, und Rückzugsräume bereitstehen, was in kleinen Schulen schwierig ist. Eigentlich sollen die Frauen nur halbe Klassen unterrichten, also Förderstunden geben oder kleinere Oberstufenkurse übernehmen. Ganze Klassen sind nur in großen Räumen vorgesehen, in denen Abstand gewahrt werden kann. Die anderen Klassenhälften müssten dann sogenannte Teamlehrer beaufsichtigen. Diese hätten aber erst gecastet werden müssen, erzählt auch die Lehrerin Maria Reiter, "und sobald ein positiver Fall in einer Klasse ist, wäre ich für acht Tage rausgewesen". Das machte ihren Einsatz angesichts der Infektionszahlen völlig unberechenbar. Also bleibt sie weiter daheim.

Dass Mutter- sowie Arbeitsschutz und Schulrealität kollidieren könnten, war zu erwarten gewesen. Die Datenlage über Infektiosität und Verlauf der neuen Corona-Varianten ist sehr dünn, fest steht nur, dass Schwangere ein höheres Risiko für schwere Verläufe haben. Der Schutz der Schwangeren und des ungeborenen Babys stehen höher als der Lehrermangel. Zudem wurden mit den neuen Regeln die Gefährdungsbeurteilungen professionalisiert und die Verantwortung durch die zweite, anlassbezogene Beurteilung ein Stück weit den Schulleitern übertragen. Viele lassen die Frauen also lieber weiter von daheim aus arbeiten als Risiken einzugehen, bestätigt etwa Michael Schwägerl, Chef des Philologenverbandes.

Die Auflagen seien "sehr hoch, der Papierkram unendlich", sagt auch Andreas Fischer, Vorsitzender des Bayerischen Schulleitungsverbandes und Chef der Grundschule Landau an der Isar. Der gewünschte Effekt einer Rückkehrwelle sei jedenfalls nicht eingetreten. Er habe eine schwangere Kollegin in die Schule zurückgeholt, sagt Fischer, "sie ist von Montag bis Freitag von neun bis elf Uhr im Innendienst. Und kopiert für Kollegen oder korrigiert. Eine echte Hilfe im Unterricht ist sie leider nicht."

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