Süddeutsche Zeitung

Skiwochen in der Schule:Ins Museum statt auf die Piste

Der Skiausflug in die Alpen ist für viele Schüler eine willkommene Abwechslung zum Schulalltag. Doch das ist teuer - und ökologisch für viele nicht mehr vertretbar. Nun wird nach Alternativen gesucht.

Mit Skiern im Gepäck für eine Woche in die Alpen mit teurem Skipass. Am Bayreuther Gymnasium Christian-Ernestinum gibt es das nicht mehr. Das Skilager werde durch weniger aufwendige Klassenfahrten ersetzt, sagt Schulleiter Franz Eisentraut. "Aus pädagogischer Sicht ist ein solches Gemeinschaftserlebnis außerhalb der Schule mit Übernachtung sehr wichtig", findet der Oberstudiendirektor. "Aber das kann man genauso gut im Fichtelgebirge oder der Fränkischen Schweiz haben."

An vielen Schulen heißt es deshalb nun: Mittelgebirge statt präparierter Pisten in den Alpen. Vor allem an bayerischen Schulen habe das Skilager - also mehrtätige Reisen mit intensivem Skifahren - in der 7. und 8. Klasse bisher zum festen Programm gehört, sagt Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer. Dabei ging es für viele Schüler oft nach Österreich. Aber auch in anderen Bundesländern seien Skifreizeiten in den Alpen oder Mittelgebirgen bisher beliebt gewesen. Allerdings beobachtet Böhm einen Trend, Skikurse durch Sportwochen zu ersetzen. "Dabei spielt vor allem der finanzielle Aspekt eine Rolle, teilweise auch ökologische Überlegungen."

Das Skilager sei sehr teuer geworden, erklärt Eisentraut aus Bayreuth. 2022 hätten die Eltern für eine Schulwoche auf der Piste knapp 500 Euro an die Schule überweisen müssen - unter anderem für Transport, Skipass, Kost und Logis. Zähle man noch Winterausrüstung, Taschengeld und Leihgebühren für Skier hinzu, komme man schnell auf rund 700 Euro pro Schüler, rechnet der Schuldirektor vor. "Anstelle von fünf oder sechs Tagen Skilager können wir zwei Klassenfahrten anbieten", sagt Eisentraut.

So plant das Gymnasium eine Sommersportwoche in der nahen Umgebung mit Wanderungen zu Flussquellen oder zum Ochsenkopf, dem zweithöchsten Berg des Fichtelgebirges. Auch sind Forscherfahrten etwa zum Mathematikon in Heidelberg oder dem Deutschen Museum in München geplant. Zwar sei das Skilager ein einmaliges Naturerlebnis und auch aus sportlicher Sicht wertvoll, findet der Schulleiter. Aber: "Wir sind ein oberfränkisches Gymnasium. Skifahren gehört nicht zur täglichen Erfahrungswelt unserer Schüler."

Trotz vieler Diskussionen über hohe Kosten und Ökologie nehmen inzwischen sogar viele Schulklassen aus Norddeutschland den weiten Weg in die Alpen wieder auf sich, wie Thomas Braun berichtet, Vorstand Sportentwicklung und Bildung beim Deutschen Skiverband. "Viele denken noch Jahrzehnte später gerne an die Skifreizeit mit der Schule zurück", sagt er. "Wann kommt man noch so intensiv mit Kälte, Schnee und Winter in Berührung?"

"Das Geld sitzt nicht mehr so locker."

Ganz auf Sport im Schnee wollen aber Schulen in Alpennähe nicht verzichten: Die staatliche Realschule Memmingen im Allgäu hat das Skilager in eine Wintersportwoche umgewandelt. Zurzeit sei eine siebte Klasse in Garmisch-Partenkirchen, berichtet Schulleiter Jörg Link. "Dort bieten wir nicht nur Skifahren an, sondern zum Beispiel auch Schneeschuhwanderungen oder Schlittschuhlaufen." Auch eine Wanderung zur Zugspitze stehe auf dem Plan.

Für die Wintersportwoche in Oberbayern fielen etwa 300 Euro an, sagt Schulleiter Link: "Natürlich ist das auch eine Kostenfrage. Wir sind zurzeit in einer Findungsphase und wollen die Fahrt so ökologisch wie möglich gestalten." Zum Beispiel gebe es einen "Veggie Day" in der Herberge. Auch andernorts wird nicht auf Ausflüge verzichtet.

Das Deutsche Jugendherbergswerk stellt keinen Rückgang der Übernachtungen von Schulklassen in Skigebieten fest. Sprecher Justin Blum berichtet sogar von einem leichten Anstieg in den Mittelgebirgen. Gründe dafür seien unter anderem die kürzere Anreise und günstigere Preise. Nach Winterberg in Nordrhein-Westfalen kamen demnach in jüngster Zeit immer mehr Klassen zum Skifahren. Auch in Torfhaus im Harz (Niedersachsen) sowie den bayerischen Skiregionen seien die Übernachtungszahlen stabil. Die Jugendherbergen in Bayern profitierten nach eigenen Angaben davon, dass weniger Klassen nach Österreich und Südtirol fahren.

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), berichtet, dass viele Schulen im Freistaat auf das Skilager verzichten. Oft gaben die gestiegenen Kosten den Ausschlag: "In Zeiten starker Inflation sitzt das Geld nicht mehr so locker." Hinzu kommt, dass es in den Alpen immer weniger schneit. Daher setzen Pistenbetreiber zusehends Kunstschnee ein. "Das passt nicht zum Prinzip der Nachhaltigkeit, der sich viele Schulen verschrieben haben", sagt Fleischmann.

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