Schuldenfreier Haushalt:Seehofers Vabanque-Spiel

Ausgeglichener Haushalt war gestern. Mit seiner Ankündigung eines radikalen Schuldenabbaus verblüfft der Ministerpräsident politische Freunde wie Gegner. Vom Rechnungshof gibt es Beifall für Seehofers Vorstoß, FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil mahnt dagegen zur Vorsicht.

Frank Müller und Mike Szymanski, Wildbad Kreuth

Man hätte sich denken können, dass etwas im Busch ist, als Ministerpräsident Horst Seehofer sich am frühen Abend des ersten Klausurtags aus der Landtagsfraktion ausklinkte. Seehofer suchte Rat bei Experten, er hatte die Stimmung bei seinen CSU-Parteifreunden gewittert und spürte, dass die Debatten hochkamen, ob der Freistaat zu lax mit den Finanzen umgeht: Seehofers mangelnde Vorsorge für die Pensionen der Staatsbeamten war zum Klausurstart überall Thema in Kreuth.

CSU-Winterklausurtagung in Wildbad Kreuth

Bis 2030 will CSU-Chef Horst Seehofer einen schuldenfreien Freistaat.

(Foto: dpa)

Dann gab Seehofer Gas: Der Ministerpräsident entschied sich, seinen großen Plan umgehend zu verkünden. Er beriet sich, Finanzminister Markus Söder wusste Bescheid, dann konnte es losgehen: Bis 2030 solle der Freistaat schuldenfrei sein, erklärte er hinter verschlossenen Türen den verdutzten Abgeordneten.

Es war ein Coup, wie er Seehofer gefällt: sich an die Spitze setzen, alle kalt erwischen, so kalt, wie es zu dem von meterhohen Schneewänden umrahmten Tagungsgebäude in Wildbad Kreuth passt. Doch tags darauf, am Donnerstag, gab es Regen am Gefrierpunkt. Das machte den Weg nach Kreuth zur Rutschpartie - wieder ein passendes Szenario für den bayerischen Meister in der Disziplin: Wie stehe ich halbwegs sicher auf glattem Eis?

Diesmal, passend zum Auftakt der Schicksalswahl 2013, spielt Seehofer sein bislang größtes Spiel, es heißt "Alles oder Nichts". Was Vorvorgänger Edmund Stoiber mit seinen Visionen vom ausgeglichenen Haushalt eingeleitet hatte, will Seehofer nun offensichtlich toppen. Keine Neuverschuldung, das war gestern. Heute und morgen lautet die Devise: Rückzahlung aller alten Verbindlichkeiten. Wie unerwartet das die Abgeordneten der Fraktion trifft, macht die erste Reaktion deutlich, von der Sitzungsteilnehmer berichten: Stille. Erst später kommt es zu heftigem Beifall. "Wenn Sie von einer Idee überrascht sind, dann sinnieren Sie natürlich erst einmal, wie soll das gehen", sagt Fraktionsvizechef Alexander König.

Doch vom Nachmittag des Mittwoch, an dem Seehofer seine Ankündigung macht, bis zum Klausurabschluss am Donnerstagmittag vergehen noch einmal viele Stunden. Man sitzt zusammen, beim Wein am Abend und beim Frühstück, es gibt viel Zeit für Gespräche und ein klares Hauptthema. 2030 schuldenfrei. Nach dem ersten Jubel werden manche nachdenklich: "Eine Vision, schön und gut", sagt einer, "aber was ist mit den Mühen der Ebene?" Es gibt auch Stimmen, die es "sehr sonderbar" finden, dass Seehofer weder Fraktionschef Georg Schmid noch die Haushaltsexperten der eigenen Fraktion vorab einweihte. Doch Seehofer wollte den großen Aufschlag, und sonst hätte sich vorab schon alles herumgesprochen.

Die Ansage 2030 steht, alle Details aber sind noch offen

Seehofer selbst bemüht sich am Donnerstag erkennbar, den Wirbel vom Vortag etwas einzufangen. "Es gehört dazu, dass man sich im politischen Leben Ziele setzt", sagt der Regierungschef. Die Ansage 2030 steht, alle Details aber sind noch offen - das ist Seehofers Botschaft am Tag danach. Und ungeklärte Fragen gibt es viele: Soll jährlich eine feste Summe getilgt werden, wird das gesetzlich verankert, wo kommt das Geld her, was passiert, wenn die zuletzt starke wirtschaftliche Potenz des Freistaats nachlässt?

Antworten fehlen, das kann man lückenhaft nennen oder einen offenen Prozess. Jedenfalls soll nun Finanzminister Markus Söder nacharbeiten, ein Kraftakt, der die nächsten Monate in Anspruch nehmen dürfte. Seehofer macht lediglich Andeutungen, wo er die Spielräume sieht: durch einen Verkauf der Landesbank, ein Abschmelzen des Länderfinanzausgleichs und durch Reformen beim Staat selbst. Kurzfristigen Personalabbau oder Einsparungen solle es nicht geben, sagt der Ministerpräsident und gibt sich als Mannschaftsspieler. Die Fraktion lobt er nach langer Pause wieder einmal als "Herzkammer" der CSU, was die besonders gerne hört. Natürlich werde auch der Regierungspartner eingebunden: "Wir wollen die erfolgreiche Koalition mit der FDP fortführen."

Die zeigt sich offen für Seehofers Vorstoß, macht aber erste Einschränkungen. FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil sagt: "Das Ganze steht unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Entwicklung." Eine zentrale Rolle wird Zeils Ansicht nach ein Verkauf der Landesbank spielen. "Wir müssen erst einmal dahin kommen, dass die Landesbank den Haushalt nicht weiter belastet."

"Horst und nicht Herkules"

Einsparpotenzial sieht Zeil im Verwaltungsapparat. Der FDP-Politiker will jedoch Einschnitte vermeiden, wie sie Stoiber nach 2003 vornahm: "Zu abrupt, zu undurchdacht" sei damals in Bayern gespart worden. "Solche Fehler werden wir vermeiden", sagt Zeil. Die Opposition dagegen verspottet Seehofer. "Bayerns aktueller Ministerpräsident heißt Horst und nicht Herkules", ätzt Grünen-Fraktionschef Martin Runge.

Am Ende geht die CSU in Kreuth mit vielen Fragen, aber gut gelaunt auseinander, weil man wieder einmal einen Kracher gezündet hat. Gehört hat man den in München nicht zuletzt beim Obersten Rechnungshof. Dessen Präsident Heinz Fischer-Heidlberger hatte Seehofer bis zur Weißglut geärgert, als er zu "mehr Eifer beim Schuldenabbau" mahnte. Nun ist der Eifer da. Und Fischer-Heidlberger sagt feinsinnig: "Ich freue mich über diese Entwicklung. Wenn der Plan umgesetzt wird, wäre das ein schönes Geschenk zum diesjährigen 200. Geburtstag des Obersten Rechnungshofs."

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