Süddeutsche Zeitung

Blattmacher-Wettbewerb:Immer besser, immer digitaler

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Nemetschek-Stiftung, Kultusministerium und SZ haben zum 16. Mal Bayerns beste Schülerzeitungen ausgezeichnet - und dabei gezeigt, dass nicht nur der Unterricht, sondern auch eine Preisverleihung digital funktionieren kann.

Von Maximilian Gerl und Hubert Grundner, München

Um eine erfolgreiche Schülerzeitung zu veröffentlichen, müssen viele Dinge zusammenkommen. Kreativität und Ehrgeiz zum Beispiel, Technikverständnis und Teamfähigkeit, die Liebe zum Wort. Was es jedoch in diesen speziellen Zeiten vielleicht am meisten braucht, sind gute Nerven. Denn seit mehr als anderthalb Jahren läuft pandemiebedingt nur noch wenig nach Plan. Trotzdem haben es Schülerinnen und Schüler aus dem ganzen Freistaat wieder einmal geschafft, insgesamt 91 preiswürdige Print- und Online-Zeitungen beim Blattmacher-Wettbewerb einzureichen. Bereits zum 16. Mal wurde dieser von Süddeutscher Zeitung und bayerischem Kultusministerium veranstaltet, 21 Redaktionen konnten sich nun am Ende besonders freuen: Am Freitag wurden sie als beste Schülerzeitungen des Landes ausgezeichnet.

Grund zum Feiern. Und doch auch nicht. Schon vergangenes Jahr hatte wegen Corona die Preisverleihung ausfallen müssen, erfuhren die Redaktionen aus einem Internetfilm von ihren Platzierungen. Dieses Jahr sollte die Veranstaltung eigentlich wieder in Präsenz stattfinden, schon um den Austausch zu ermöglichen: Viele Redaktionen nutzen normalerweise die Blattmacher-Verleihung, um mit den Kolleginnen und Kollegen anderswo in Kontakt zu kommen, sich von deren Formaten und Ideen inspirieren zu lassen. Stattdessen wirbelte auch dieses Jahr die Pandemie alles durcheinander. Statt im Münchner SZ-Turm aufeinanderzutreffen, wurden die Siegerredaktionen in ein TV-Studio der Mediaschool Bayern in München zugeschaltet. Als Moderatorin führte Viktoria Spinrad von der Bayernredaktion der SZ durch die circa 75-minütige Veranstaltung, die heuer erstmals als digitaler Livestream stattfand.

"Und jetzt seid ihr dran."

Wann gab es denn überhaupt die erste Schülerzeitung in Deutschland? Mit dieser Frage begrüßte Stefan Hilscher, Geschäftsführer der SZ GmbH, die Teilnehmer der Preisverleihung, um sie dann gleich selbst zu beantworten: Vor 123 Jahren hätten in Lübeck erstmals Schüler ihre Sicht der Dinge in gedruckter Form unters Volk gebracht. Wobei kein Geringerer als Thomas Mann, der spätere Literaturnobelpreisträger, beteiligt gewesen sei. "Und jetzt seid ihr dran", forderte Hilscher mit einem Augenzwinkern die Schülerinnen und Schüler vor ihren Bildschirmen auf. Und an deren Talent hegt er offenbar keinen Zweifel. "Die Schülerzeitungen werden immer besser und immer digitaler, so wie auch die SZ", lautete Hilschers Resümee des diesjährigen Blattmacher-Wettbewerbs. Die gute Zukunft, die er der Veranstaltung abschließend wünschte, dürfte jedenfalls in Erfüllung gehen, solange Jugendliche wie etwa Mia Szymczak aus Odelzhausen mitmachen. Sie und ihre Mitstreiter landeten in der Kategorie Grundschule mit ihrem Tintenklecks auf Rang zwei. Ihre Spezialausgabe zum Thema Corona hält laut Jury, was sie verspricht. So enthält sie beispielsweise eine Bastel-Anleitung für ein grünes Coronavirus und ein Rezept für Corona-Kekse, die zum Nachmachen verführen wollen - auch wenn die in die Sendung zugeschaltete Mia eingestand, dass sie selbst die Kekse noch nicht probiert habe.

Dem Appetit auf weitere, ausgezeichnete Schülerzeitungen tat das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, die "Profis" in der Runde lobten allesamt die hohe Qualität der eingereichten Publikationen - vor allem im Vergleich zu den eigenen ersten journalistischen Arbeiten. So erinnerte sich der stellvertretende SZ-Chefredakteur Ulrich Schäfer daran, dass er am Ende seiner Schulzeit bereits die Abiturzeitung als Chefredakteur verantwortete. "Aber die sah bei Weitem nicht so gut aus wie die Zeitungen, die wir heute auszeichnen", gestand er. Wobei auch beim Beitrag der Nürnberger Bertolt-Brecht-Mittelschule weniger das Layout als der Inhalt von " BeRECHtigT" ihren Machern den zweiten Platz bescherte. Dass Neugier verbunden mit gründlicher journalistischer Recherche zum Handwerkszeug gehören und zum Ziel führen, bewies das Team um Esin Duman unter anderem mit einer spannenden Umfrage und Statistik zum Homeschooling nachdrücklich.

Etliche erzählten Corona-Geschichten

Dabei ist es angesichts der Umstände erstaunlich, was viele Schülerzeitungsredaktionen unter erschwerten Bedingungen geleistet haben. Schon in normaleren Zeiten ist der Arbeitsaufwand ja enorm; recherchieren, schreiben, fotografieren, layouten und coden die Kinder und Jugendlichen in den freien Minuten zwischen Schule, Hausaufgaben, Sport und Schlafen. Während Corona verschärften sich die Arbeitsbedingungen noch einmal. Veranstaltungen, über die man hätte berichten können, fielen im vergangenen Schuljahr häufig aus, Redaktionssitzungen mussten ins Virtuelle verlegt werden, neue technische und organisatorische Hürden gelöst werden. Als ob das nicht als Herausforderung genügt hätte, brach dann über lange Strecken der gewohnte Schulalltag weg. Im Wechsel aus Distanz- und Präsenzunterricht verlor sich manches Team ein wenig aus den Augen. Wer sich zum Schuljahresende im Juli unter Redaktionen so umhörte, bekam daher vor allem eine Sehnsucht geschildert: dass im neuen Schuljahr hoffentlich alles ein bisschen besser, ein bisschen normaler werden würde.

Viele Schülerzeitungen machten aus der Not aber auch eine Tugend. In ihren Ausgaben erzählen nun Corona-Tagebücher anschaulich vom Alltag junger Menschen unter Pandemiebedingungen. Und auch so mancher Schwerpunkt las sich als bewusst gesetzter Kontrapunkt zur Pandemie: so etwa das Themenheft der Elly-Heuss-Realschule München, das sich der Leidenschaft Musik in unterschiedlichen Facetten widmete. Der Schüler-Prophet der Staatlichen Realschule Sonthofen nahm sich Harry Potter als roten Faden - und schaffte es, unter diesem fantasievollen Motto die pragmatische Frage zu behandeln, wie sich schon in jungen Jahren Geld verdienen lässt. Die Franzi der Franziskusschule Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim fiel dagegen mit einer selbst aufgenommenen CD als Schülerzeitung zum Anhören auf.

Die finanzielle Würdigung übernahm auch diesmal die Nemetschek Stiftung. Je 200 Euro bekommen die Dritt-, je 300 Euro die Zweit- und je 500 Euro die Erstplatzierten. Letztere rücken außerdem in den sogenannten Club der Besten auf und bekommen Workshops mit SZ-Redakteuren und Journalismus-Coaches, um noch besser zu werden. Dafür müssen sie allerdings ein Jahr pausieren, damit dann andere die Chance auf den Sieg haben.

Engagement für die Demokratie

Die Beteiligung am Schülerzeitungswettbewerb Blattmacher soll letztlich der Demokratieförderung dienen, welcher sich die Nemetschek Stiftung seit 13 Jahren verpflichtet hat. Ralf Nemetschek will in diesem Engagement - auf eine entsprechende Frage von Moderatorin Viktoria Spinrad - nichts besonders Schwieriges oder gar Belastendes sehen. "Die Arbeit macht Spaß", beteuert er. Deshalb wolle die Stiftung den Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten handfeste Unterstützung geben etwa in Form von solchen Workshops. Ralf Nemetscheks Begeisterung ist jedenfalls spürbar, wenn es regelrecht aus ihm heraussprudelt: "Die Schülerzeitungen mischen sich ein, sie reflektieren sich und ihr Umfeld - und hauen das raus."

Oder wie es Stefan Graf, der Amtschef des bayerischen Kultusministeriums, formulierte, wenngleich etwas staatstragender: "Für uns ist die Schülerzeitung eine ganz wichtige Einrichtung", ein Medium, das auch lehre, wie man Konflikte austragen könne.

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