Schottdorf-Laboraffäre:Schwere Vorwürfe gegen CSU-Politiker

  • Im Untersuchungsausschuss Labor im Fall Schottdorf sind schwere Vorwürfe gegen CSU-Mann Hans Reichhart laut geworden.
  • Reichart soll einen Zeugen massiv attackiert und ihm rechtswidriges Verhalten vorgeworfen haben, was sich als falsch herausstellte.
  • Politiker von Grünen und Freien Wählern fordern nun seinen Rücktritt aus dem Gremium.

Von Stefan Mayr, München/Augsburg

Eine Woche nach der bislang hitzigsten Sitzung im Untersuchungsausschuss Labor erheben die Mitglieder Sepp Dürr (Grüne) und Florian Streibl (Freie Wähler) massive Vorwürfe gegen ihre Kollegen von der CSU. Streibl spricht von einer "Farce", Dürr sogar von einer "Schweinerei". Er fordert vor allem den CSU-Mann Hans Reichhart zum Rückzug aus dem Gremium auf: "Herr Reichhart sollte seinen Hut nehmen. Mit seiner unsäglichen Attacke hat er unsere Vermutung bestätigt, dass er befangen ist." Auslöser des Ärgers ist eine massive Attacke, die Reichhart am 9. März gegen den Zeugen Stephan Sattler vom Landeskriminalamt gefahren hatte. Reichhart warf dem Kriminalhauptkommissar vor, er sei bei einer Razzia "grob rechtswidrig" vorgegangen. Dieser Vorwurf entpuppt sich nun als unzutreffend. Dies legt der betreffende Durchsuchungsbeschluss nahe, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Reichharts Anwürfe wogen schwer - in juristischer und politischer Hinsicht. "Das Gesetz interessiert Sie also gar nicht", hatte der Volljurist den Polizisten attackiert. Der Zeuge wirkte überrumpelt, er widersprach nicht und schwieg konsterniert. Damit war die Glaubwürdigkeit des ersten wichtigen Zeugen in der sogenannten Schottdorf-Affäre massiv erschüttert. Seitdem wollen viele Abgeordnete und Journalisten dem Polizisten nicht mehr abnehmen, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf und Tausende Ärzte massiv behindert worden war.

Verbotene "Zufallsfunde"

Streitpunkt der Sitzung war die Durchsuchung einer Münchner Arztpraxis Ende 2008. Hans Reichhart warf dem ehemaligen Chef der Sonderkommission Labor vor, er habe dabei Unterlagen mitgenommen, obwohl die Razzia eine reine "Ergreifungs-Durchsuchung" gewesen sei. Sie habe also ausschließlich zur Festnahme des Mediziners gedient - weitere "Zufallsfunde" von Unterlagen seien verboten gewesen. "Zufallsfunde sind untersagt und Sie machen trotzdem welche?", fragte Reichhart, "ihre Rechtsauffassung hat mich schockiert." Der Dialog wirkte zeitweise nicht wie eine Zeugen-Befragung, sondern wie das Kreuzverhör eines Angeklagten. Aber jetzt, acht Tage später, scheint Reichharts Attacke als Bumerang zurückzukommen. Sein Vorwurf beruhte offensichtlich auf falschen Tatsachen. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 12. November 2008 legt nahe, dass Sattler bei der angesprochenen Razzia gesetzeskonform agierte. Im Dokument werden zwei Ziele definiert: "a) zur Ergreifung des Beschuldigten und b) zur Auffindung von Unterlagen, aus denen sich Einflussversuche des beschuldigten auf Zeugen (...) ergeben". Der Polizist durfte also Dokumente beschlagnahmen.

Sattler darf nun also auf Rehabilitation hoffen, während sich Reichhart die Frage gefallen lassen muss, ob er sorgfältig genug vorgegangen ist. "Es ist unerträglich, wenn ein Ex-Staatsanwalt mit der Unwahrheit einen Zeugen in die Ecke drängt", sagt Sepp Dürr. Zusätzlich pikant wird Reichharts Vorpreschen durch die Tatsache, dass er selbst von 2011 bis 2012 bei der Staatsanwaltschaft Augsburg tätig war.

Staatsanwaltschaft habe Verfahren verjähren lassen

Denn Aufgabe des Untersuchungsausschusses Labor ist es unter anderem, die Passivität eben jener Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen gegen Hunderte Ärzte aufzuklären. Der Behörde wird vorgeworfen, sie habe zahlreiche Verfahren verjähren lassen, obwohl am Landgericht München noch ein Pilotverfahren gegen einen Arzt anhängig war. Dieser wurde inzwischen rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt. Dennoch kamen viele Ärzte straflos davon, weil Augsburgs Staatsanwälte zuvor die Akten geschlossen hatten.

Florian Streibl kritisiert Reichhart: "Das hatte mit Sachaufklärung nichts zu tun, ich kam mir vor wie in einem Untersuchungsausschuss Sattler und nicht im U-Ausschuss Labor." Hans Reichhart wollte sich am Dienstag nicht äußern. Er verwies auf eine CSU-interne Absprache, wonach nur der Ausschussvorsitzende Alexander König Stellungnahmen abgibt. König ließ ausrichten, er wolle erst am Ende des Ausschusses seine Wertung abgeben.

Der Bayerische Rundfunk berichtet am Mittwoch um 21 Uhr in der Sendung Kontrovers.

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