Schönau:Am Königssee befürchten sie den "Ausverkauf der Heimat"

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  • Am Königssee im Berchtesgadener Talkessel wollen Investoren ein großes Hotelprojekt realisieren.
  • Eine kleine Gruppe von Unternehmern aus dem Pongau möbelt in wechselnden Kombinationen seit Jahren den gesamten Talkessel auf.
  • Die Vorbehalte dagegen wachsen allerdings - der wichtigste Kritikpunkt ist die Größe.

Von Matthias Köpf, Schönau am Königssee

Welchen Weg all die Ausflügler zu nehmen haben, ist jederzeit klar. Auf knapp 400 Metern führt die Seestraße von dem riesigen Parkplatz zum Ufer des Königssees, links und rechts gibt es Salzlampen, trachtige Kleider, lustige T-Shirts, noch lustigere Weißbiergläser und allerlei andere Arten touristischen Tands. Wie viele Menschen hier entlangkommen, lässt sich nur anhand der Auslastung des Parkplatzes schätzen, gut eine Million werden es 2017 gewesen sein.

700 000 sind in eines der Elektroboote gestiegen und so in das Postkartenidyll des Königssees eingetaucht. Doch der Hinterhof des Idylls liegt gleich nebenan. Das leere Badhotel aus den Siebzigern, eine Spielhalle, fleckige Matratzen und übereinandergeworfenes Mobiliar hinter den Fenstern. Die Gemeinde Schönau und ein österreichischer Projektentwickler haben viel vor mit diesem Hinterhof, die Hotelpläne sind so groß wie die Zuversicht. Zugleich werden im Berchtesgadener Talkessel die Vorbehalte gegen die Investoren aus dem Nachbarland immer größer.

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Vielleicht liegt das auch an Sätzen wie diesem: "Alles, was man jetzt sieht, fliegt", sagt Martin Harlander inmitten des insgesamt 28 000 Quadratmeter großen Hinterhofs, und Schönaus Bürgermeister Hannes Rasp bekräftigt: "Das fliegt." Dabei ist das Hotelprojekt am Königssee nahezu unumstritten, viel zu lange schon schämen sich die Schönauer für den Schandfleck im Ortsteil Königssee. Fast ein Dutzend Gebäude liegen hier praktisch brach, im Badhotel lebten von 1982 bis 2003 Asylbewerber. Große Hotelpläne gab es auch schon mal. Vor fünf Jahren waren die Investoren und der damalige Bürgermeister Stefan Kurz mit ihrem in vielerlei Hinsicht in die Landschaft gewuchteten Vorhaben am Widerstand einer Bürgerinitiative und des Bund Naturschutzes gescheitert.

Der seit 2014 amtierende Rasp und Projektentwickler Harlander aus Schwarzach im Salzburger Pongau haben einiges anders gemacht. Harlander hat vier namhafte Büros um Entwürfe gebeten und sich für die Pläne des global agierenden Osloer Architekturbüros Snøhetta entschieden. Sie sehen mehrere Baukörper vor, das Hauptgebäude soll mit seiner Bumerangform weniger wuchtig wirken und zugunsten eines öffentlichen Platzes mit Gastronomie und Geschäften an den Hang rücken, an den sich mehrere "Waldhäuser" genannte Chalets krallen sollen.

Der 1909 gebaute, 1965 stillgelegte und inzwischen denkmalgeschützte Alte Bahnhof soll erhalten bleiben und wieder ein Wirtshaus werden. Bei einer Bürgerversammlung im April gab es lauten Beifall, und selbst der Bund Naturschutz im Berchtesgadener Land übt Kritik vor allem im Detail, etwa am zusätzlichen Verkehr, an den "Waldhäusern" im steilen Berghang und an fehlenden Personalwohnungen. Der wichtigste Kritikpunkt ist die Größe. Schließlich habe sich schon in den Achtzigerjahren gezeigt, dass Hotelpläne dieser Dimension an dieser Stelle nicht funktionierten, fasst BN-Kreisvorsitzende Rita Poser zusammen.

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Denn insgesamt könnten für knapp 100 Millionen Euro um die 500 Betten entstehen, Harlander schwebt ein luxuriöses, aber legeres Ambiente vor. Als Betreiber kämen auch Ketten in Frage, sagt Harlander, der sich als Projektentwickler und nicht als Investor sieht. Das Geld werde von einer Gruppe von Menschen kommen, die sich um ihn bilden werde. Dann fallen Namen, die ziemlich oft fallen, wenn in der Gegend jemand investiert - so oft, dass in Berchtesgaden schon vom "Ausverkauf der Heimat" die Rede ist.

Denn eine kleine Gruppe von Unternehmern aus dem Pongau möbelt in wechselnden Kombinationen seit Jahren den gesamten Talkessel auf. Manchmal schienen sie sich sogar regelrecht zu wundern, welche Möglichkeiten sich noch auftun in Berchtesgaden, wo - im Gegensatz zu Salzburg und Tirol - über Jahrzehnte nicht allzu viel Geld in neue Projekte gesteckt worden war. Türöffner war das Hotel Edelweiß in Berchtesgaden. Der Hotelier Peter Hettegger aus Großarl hatte 2006 das Hotel Post gekauft und wollte stattdessen mit dem fast einhelligen Segen der Räte ein siebenstöckiges Gebäude in den Markt klotzen, wie sie so viele Täler in Österreichs Skigebieten verschandeln. Das löste massive Proteste von Denkmalschützern, Heimatpflegern und der Regierung von Oberbayern aus. Den Ausschlag für die heutige, viel verträglichere Gestaltung gaben Klagen von Anwohnern, die dafür heftig angefeindet wurden.

Peter Hettegger und Martin Harlander sind auch an dem 2010 fertig gestellten Hackschnitzel-Heizwerk beteiligt. "Alles, was irgendwie groß ist im ganzen Talkessel, hängt da dran", sagt Harlander, von der Watzmanntherme übers Kurhaus, das Hotel Edelweiß und die Gebirgsjägerkaserne bis hin zu etlichen Kliniken. Die riesige, pittoresk verfallende Kurklinik Stanggaß aus den Dreißigerjahren will Harlander mit einem anderen Salzburger Unternehmer für 100 Millionen Euro ebenfalls in ein Hotel umbauen, gerade hat sich der Gemeinderat in Bischofswiesen damit befasst.

Und dass die erneuerte Bergbahn vom Königssee auf den Jenner gerade den Betrieb bis zur Mittelstation aufgenommen hat, liegt ebenfalls an den Investitionen von Hettegger, Harlander und anderen, die mit der Gemeinde Schönau die Jennerbahn übernommen haben und viele Millionen in die Modernisierung stecken. "Ich glaube, das wird dann der einzige Berg sein, mit dem ich jeden Tag Geld verdienen kann", sagte Hettegger dem ORF, als der von der Übergabe eines freistaatlichen Förderbescheids über 10,5 Millionen Euro berichtete.

All das wurde den Menschen im Tal langsam unheimlich. Als Harlander nun die exponiert gelegene "Villa Schön" in Berchtesgaden gekauft hat, um auf dem bisher baumbestandenen Grundstück Mehrfamilienhäuser mit 26 Wohnungen zu bauen, hielten sich einige nicht mehr zurück. "Offener Auswärtigen-Hass" breche sich da Bahn, sagt Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp, der deswegen den Bebauungsplan für ein weiteres Harlander-Wohnbauprojekt gerade lieber nicht vorantreibt.

Wirklich verstehen kann er die Stimmung unter vielen Berchtesgadenern nach eigenen Worten nicht, genau wie sein Schönauer Kollege Hannes Rasp: "Ob ich jetzt auf der Seite vom Göll wohne oder auf der anderen Seite vom Göll, das sind doch die gleichen Leute." Harlander, der die innen oft umgebaute Villa Schön als "hinige Bruchbude" ansieht, wird auch in der Hinsicht deutlich: "Der ganze Talkessel muss doch froh sein, dass wir das sind und kein anderer." Immerhin zeige man Gesicht. "Der Russe oder der Chinese, der braucht keine drei Wochen, und dann sitzt der da droben. Und dann gibt's halt keine Wohnungen."

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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