Süddeutsche Zeitung

Schönau am Königssee:Der Jenner wird zum Erlebnisberg

Die neue Gondelbahn ist bis zur Mittelstation eröffnet. Naturschützer beklagen den Rummel und die riesigen Bauten.

Von Christian Sebald, Schönau am Königssee

Für die einen ist die neue Bergbahn auf den Jenner ein seit Langem überfälliges Projekt, das den 1874 Meter hohen Paradegipfel am oberbayerischen Königssee sommers wie winters noch attraktiver macht. Für die anderen ist die neue Gondelbahn das Beispiel, wie die Alpen auch in Bayern und sogar direkt an der Grenze zum Nationalpark immer mehr zu Eventorten ausgebaut werden, bis sie mit ursprünglicher Bergnatur nicht mehr viel zu tun haben. An diesem Wochenende ist die Jennerbahn nun mit einem zweitägigen Fest eröffnet worden - allerdings vorerst nur bis zur Mittelstation auf 1200 Metern Höhe. Bis hinauf zur Bergstation auf 1800 Metern Höhe wird die Jennerbahn erst ab dem Sommer 2019 fahren.

Der Andrang zur Teileröffnung war groß. Am Samstag zählten die Mitarbeiter der Jennerbahn knapp 5000 Gäste, bis Sonntagmittag waren es weitere 3000. "Der Jenner ist ein attraktiver Wander- und Skiberg", hatte der Vorstand der Jennerbahn, Michael Emberger, bereits bei der offiziellen Inbetriebnahme am Freitag gesagt. "Uns ist wichtig, dass wir nun die gewohnten, langen Warteschlangen in den Stoßzeiten an der Talstation verhindern können und verhindern werden." Dank der neuen Zehner-Gondeln, die den Jenner doppelt so schnell hinauffahren wie die alten aus dem Jahr 1952, könne nun der Wanderer im Sommer seinen "Tourenplan und seinen Zeitplan viel besser anpassen". Aber auch für die Skifahrer im Winter sei die neue Jennerbahn eine ganz hohe Qualitätssteigerung. "Wir sind sehr glücklich, dass unsere neue Bahn schon gleich am Anfang bei den Leuten so gut ankommt", sagte Vorstand Emberger.

Peter Hettegger, der Hauptaktionär der Berchtesgadener Bergbahn AG, der die Jennerbahn gehört, zeigte sich ebenfalls sehr zufrieden. "Jeder, der diese Bergbahn sieht, weiß genau, dass wir sehr hochwertig investiert haben", sagte er. "Sie ist sehr schön geworden." Allerdings sei das auch "unser Anspruch" gewesen. Schließlich solle die neue Bahn über Jahrzehnte halten. Das Projekt ist Teil der Modernisierung des Jenner-Skigebiets. Sie ist das aktuell größte Seilbahnprojekt in den bayerischen Alpen und läuft unter dem Namen "Erlebnisberg Jenner". Natürlich werden auch die Sessellifte in dem Skigebiet modernisiert. An die Stelle von zwei alten Zweier-Sesselliften treten Sechser-Sessellifte neusten Typs. Der dritte Sessellift wurde bereits 2013 modernisiert. Und natürlich werden fast alle Pisten beschneit. Das Investitionsvolumen lag bislang bei 47 Millionen Euro. Vor Kurzem musste Emberger einräumen, dass das Projekt fast zehn Millionen Euro mehr kosten wird.

Naturschützer haben das Projekt von Anbeginn heftig kritisiert und bis zuletzt bekämpft. Anfangs in der festen Überzeugung, dass es in Zeiten des Klimawandels nicht mehr sinnvoll ist, ein Skigebiet in mittlerer Höhenlage mit Millionenaufwand zu modernisieren, wenn es nach allen Prognosen auch mit Kunstschnee nur eingeschränkt funktionieren wird. Später weil ihnen das Projekt viel zu klotzig geraten ist. So kann die neue Gondelbahn 1500 Passagiere pro Stunde befördern, die alte schaffte maximal 500. Und in Spezialgondeln können die Passagiere nun auch Sportgerät mitnehmen: Mountainbikes zum Beispiel und Flugdrachen. "Im Nationalpark und seiner Umgebung herrscht an vielen Tagen schon ein Rummel wie auf der Wiesn", sagt Rita Poser vom Bund Naturschutz (BN) im Berchtesgadener Land. "Wir brauchen einen dritten Nationalpark in Bayern allein deshalb, damit der unsere nicht immer noch mehr überrannt wird."

Die Naturschützer stören sich auch an den riesigen Bauten für die neue Bergbahn. Tatsächlich sind die Tal-, die Mittel- und die Bergstation sehr wuchtig geraten. So gibt es in der Talstation nun ein weitläufiges Sportgeschäft und in der Mittel- und der Bergstation großzügige Restaurants. Allein das in der Bergstation soll einmal 2400 Quadratmeter Fläche umfassen. Bei den Bauarbeiten hat sich die Bergbahn AG einige grobe Schnitzer geleistet. Entgegen der Auflagen richtete sie eine Baustraße so ein, dass ein Vorkommen des seltenen Birkhuhns bedroht war. Dem BN platzte schließlich der Kragen. Er klagte und ließ sich erst nach zähen Verhandlungen auf einen Vergleich ein. Zusätzlich erschwerte der außergewöhnlich lange und schneereiche Winter die Bauarbeiten, sodass die Bergbahn AG die komplette Eröffnung der neuen Jennerbahn auf 2019 verschieben musste.

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Quelle:
SZ vom 06.08.2018
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