Justizzentrum in Garmisch:Bayern stellt 100 Richter und 15 Staatsanwälte für G-7-Gipfel ab

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  • Zum G-7-Gipfel auf Schloss Elmau entsteht im benachbarten Garmisch-Partenkirchen ein eigenes Polizei- und Justizzentrum.
  • 15 Staatsanwälte und mehr als 100 Richter sollen hier arbeiten. Die Ersten von ihnen nehmen bereits an diesem Donnerstag ihren Dienst auf.
  • Auch die Strafverteidiger organisieren sich. Sie wollen die Demonstranten vertreten, die in die Fänge der Staatsmacht geraten.

Von Heiner Effern und Thierry Backes, München

Spricht man den Münchner Strafverteidiger Andreas Schwarzer auf den G-7-Gipfel in Bayern an, kommt er schon nach wenigen Sätzen bei der "Polizeistaatsmentalität" an. Die herrsche in vielen Köpfen hier vor, sagt er, in zu vielen. Insbesondere bei denen, die das Politikertreffen am 7. und 8. Juni vorbereiteten. "Die bereiten sich offenbar auf einen Bürgerkrieg vor", sagt Schwarzer. "Oder darauf, solche Zustände um jeden Preis zu verhindern." Er rechne damit, dass die Beamten rigoros Demonstranten in Gewahrsam nehmen würden, möglicherweise Tausende, sagt der stellvertretende Vorsitzende der bayerischen Initiative der Strafverteidiger.

24 150 Polizisten insgesamt sind für den Gipfel im Einsatz. Sie sollen die Staatsgäste schützen, für einen reibungslosen Ablauf sorgen und Demonstranten im Blick haben. "Dafür sind wir bestens vorbereitet", sagt Innenminister Joachim Herrmann. Störer und Gewalttäter würden konsequent verfolgt, kündigt er immer wieder an. "Krawallmacher werden wir keinesfalls dulden", sagte er jüngst im Landtag.

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Zu den Vorbereitungen gehört auch ein eigenes Polizei- und Justizzentrum, das in Garmisch-Partenkirchen für den Gipfel eingerichtet wird. Im sogenannten Abrams-Komplex, einem früheren Hotel der US-Armee, nehmen von diesem Donnerstag an die ersten Richter und Staatsanwälte ihren Dienst auf. Dort wird entschieden, ob die Polizei Demonstranten zu Recht eingesperrt hat - sei es vorsorglich oder nach vermeintlichen Straftaten.

Die Zellen sind in Container im Innenhof des Komplexes eingebaut. Sie verfügten über einen Vorraum mit Waschbecken und ähnelten denen in einer regulären Polizeistation, sagt ein Sprecher des Vorbereitungsstabs. Für 200 Personen soll Platz sein. Medien sind bisher ins Justizzentrum nicht eingelassen worden.

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Ein eigenes Stockwerk beziehen dort die Richter des Landgerichts München II und die Vertreter der Staatsanwaltschaft München II. Beide sind regulär für den Kreis Garmisch-Partenkirchen zuständig. Ihr Personal haben sie eigens noch mal vor dem Gipfel geschult. 15 Staatsanwälte sind eingeteilt und mehr als 100 Richter. Sie werden nicht alle zugleich im Abrams-Komplex arbeiten, sie teilen sich Schichten oder sind auch nur in Bereitschaft, falls die Proteste und das Vorgehen der Polizei eskalieren.

"In der Hochphase werden fünf Richter parallel arbeiten", sagt Landgerichts-Präsident Christian Schmidt-Sommerfeld. Sie werden als Ermittlungsrichter die Anträge bearbeiten, die von den Staatsanwälten gestellt werden. "Durch die kurzen Wege können wir umgehend reagieren", sagt Ken Heidenreich, Sprecher der Staatsanwaltschaft München II. Während des Gipfels und in den Tagen zuvor sei das Garmischer Justizzentrum rund um die Uhr besetzt.

Der organisierten Staatsmacht stellen sich die Strafverteidiger entgegen. Auch sie haben sich organisiert, sogar so gründlich, dass sie sich als streiterprobte Zunft über ihr Vorgehen nicht einigen konnten. Schwarzer und die Kollegen der Strafverteidiger-Initiative bauen in München ein Anwaltsteam auf. Sie gehen davon aus, dass viele Demonstranten gar nicht bis nach Garmisch kommen werden. "Die Vorbereitungen sind darauf angelegt, dass die Polizei schon vorher rigoros Anreisende in Gewahrsam nimmt", sagt Schwarzer. So könnten ganze Busladungen an Gegnern in Zellen in München oder Augsburg landen. Sollte die Situation ausufern, könnten über das Notfall-Handy in München bis zu 200 Anwälte mobilisiert werden.

Eine spezielle Nummer für schnelle anwaltliche Hilfe gibt es auch in Garmisch-Partenkirchen: 0176/24886674. Dort werden 20 bis 50 Verteidiger bereitstehen, die sich unabhängig von der Münchner Initiative zusammengefunden haben. Sie halten Polizeieinsätze nahe dem Gipfelort Elmau für viel wahrscheinlicher. Auf Vermittlung einer einheimischen Kanzlei mietete das sogenannte Legal Team in Garmisch die Bayern-Halle an, in der sonst der Volkstrachtenverein beheimatet ist.

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"Wir richten Arbeitsplätze für Laptops mit Telefonen und Druckern ein. Auch Besprechungen können wird dort abhalten", sagt Marco Noli, einer der Organisatoren. Ein besonderer Vorteil der Bayernhalle sei aber ihre Lage: In wenigen Minuten sind die Anwälte zu Fuß bei der Justiz im Abrams-Komplex. Die Halle war neben persönlichen Befindlichkeiten einer der Streitpunkte unter den Anwälten.

Die Münchner fürchten, dass Demonstranten das große Gebäude kapern könnten und eine seriöse Trennung zwischen Anwälten und Protestierern nicht mehr möglich sei. Anwalt Noli sieht dies Problem nicht. Die Halle sei nicht öffentlich zugänglich, sagt er. Ihm gehe es darum, einen schnellen Zugang zu Mandanten zu haben und deren Recht zu wahren. "Dafür werden wir uns auf die Hinterbeine stellen", kündigt er an.

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Zu seinem Team wird auch die Anwältin Verina Speckin aus Rostock gehören. Sie bringt als Verteidigerin Erfahrungen vom letzten deutschen Gipfel 2007 in Heiligendamm mit. Die Polizei habe Hunderte Demonstranten eingesperrt, getrennt nach Geschlechtern und nach politischen Zielen, Linke hier, Rechte dort, sagt sie. Und berichtet von zwei jungen Männern, die sechs Tage im Gefängnis verbrachten, als die Polizei zwei Banner in ihrem Auto fand, auf denen stand: "Freedom for all prisoners" ("Freiheit für alle Gefangenen") und "Free all now" ("Befreit alle jetzt"). Die Beamten und einige Gerichte sahen darin eine klare Aufforderung zur Gefangenenbefreiung; der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte mehr als vier Jahre später, dass diese Form von Freiheitsentziehung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße - und verdonnerte Berlin zu einer Geldstrafe.

"Mein Eindruck ist, dass ein Ereignis wie der G-7-Gipfel gerne genutzt wird, um Bürgerrechte einzuschränken", sagt Speckin. "Dabei muss sich der Rechtsstaat gerade in diesen besonderen Situationen bewähren."

Sie ist SPD-Mitglied und Richterin am Landesverfassungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern, sieht sich als "neutral". Finanziell lohne sich ihre Anreise nicht, sagt sie, "und die Erfahrung lehrt, dass man nicht sehr viel schläft in der Zeit". Sie handele aus Idealismus, meint Verena Speckin, macht eine Pause und ergänzt: "und weil es Spaß macht".

© SZ vom 28.05.2015/SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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