Schneefall:Ein strenger Winter? Bayern hat schon Schlimmeres erlebt

Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall

Der Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall im Januar 2006 kostete 15 Menschen das Leben. Die meisten davon waren Kinder.

(Foto: Reuters)

Langanhaltenden Schneefall und eisige Temperaturen hat es immer wieder gegeben - teils zur Freude der Menschen. Doch es passierten auch Katastrophen.

Von Dominik Kalus, Matthias Köpf, Hans Kratzer und Dietrich Mittler

Zurzeit schneit es in Bayern so viel wie lange nicht, doch ob das wirklich ein außergewöhnlicher Winter wird, darauf will sich Uwe Zimmermann, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst, jetzt noch nicht festlegen. "Was gerade passiert, ist schon extrem heftig. Aber das Wetter kann auch schnell wieder umschlagen", sagt er. Über die Jahrhunderte wurden immer wieder besondere Winter in Bayern dokumentiert. Eine Auswahl.

Burghausen, 2017: "Wir haben tolles Wetter!", verkündete der Ansager bei der Eisschwimm-Weltmeisterschaft im Januar 2017. Am Wöhrsee unterhalb der Burg hatte es minus 17 Grad, die Schwimmer kämpften im eiskalten Wasser auf Strecken bis zu 1500 Meter um den Sieg.

Bad Reichenhall, 2006: Ähnlich heftig und dauerhaft wie in diesen Tagen schneite es in Bayern zuletzt vor 13 Jahren, im Winter 2005/2006. In Bad Reichenhall stürzte am 2. Januar 2006 das Dach der städtischen Eishalle ein und begrub viele Schlittschuhläufer unter sich. 15 Menschen verloren bei der Katastrophe ihr Leben, die meisten davon waren Kinder. 34 Menschen wurden schwer verletzt. In Gerichtsprozessen danach zeigte sich, dass Mängel in der Konstruktion und Schlampereien bei den zuständigen Menschen im Rathaus zu dem Unglück geführt hatten. Seither achten die meisten Verantwortlichen sehr auf die Schneelast auf den Dächern und lassen Gebäude frühzeitig freischaufeln oder sperren.

Bayerischer Wald, 1996: Chaotische Verhältnisse verursachte ausgiebiger Schneefall am 19. Februar 1996 in Ostbayern. Der schwere nasse Schnee ließ Bäume umknicken und Stromleitungen reißen. Mehr als 1000 Einwohner in 30 Ortschaften in den Landkreisen Straubing-Bogen und Regen waren stundenlang ohne Strom. Max Kreutzer von der Netzleitstelle der Energieversorgung Ostbayern (OBAG) in Deggendorf sagte: "Das war das schwerste Schneechaos seit 1979." Um die 100 Techniker waren im Einsatz, um die Leitungen zu flicken. "Kaum hatten wir eine repariert, fiel eine andere wieder aus", sagte Kreutzer.

Dießen, 1963: Im Februar 1963 veranstaltete der Motorsportclub Dießen auf dem zugefrorenen Ammersee Motorsportrennen für Motorräder, Seitenwagen-Gespanne und Tourenwagen. Zehntausend Besucher waren an der Eisfläche. Zum ersten Mal seit 34 Jahren war wieder ein Eisrennen möglich. 60 Autos und Motorräder nahmen teil. Der Föhn ließ das Eis während des Rennens immer stärker auftauen, viele Zuschauer standen tief im Schneewasser und waren sauer. Auf den Straßen rund um Dießen kam es zu endlosen Staus.

Bodensee, 1963: Am 8. Februar 1963 meldete die SZ, zum ersten Mal seit 133 Jahren habe der Bodensee wieder zu Fuß überquert werden können. Am 11. Februar landete der Lindauer Sportflieger Franz Thorbecke mit einem Piper-Sportflugzeug auf dem zugefrorenen See. Nach der Landung rollte die Maschine entlang der Mole zum Schifffahrtshafen sowie zwischen Leuchtturm und Löwenstandbild ins Hafenbecken. Hunderte Zuschauer klatschten begeistert Beifall. Am 13. Februar wurde gemeldet, 4000 Schweizer Katholiken aus Münsterlingen hätten das ihnen nach 400-jährigem Brauch zustehende hölzerne Johannesbildnis aus der Kirche von Hagnau am deutschen Ufer über den zugefrorenen Bodensee (Seegfrörni) in die Schweiz zurückgeholt. Die Schweizer Behörden hatten die Verantwortung für die waghalsige Prozession abgelehnt, da das Eis an manchen Stellen nur noch acht bis zehn Zentimeter dick war. Der Bodensee bildet nur dann eine geschlossene Eisdecke, wenn die Temperaturen längere Zeit unter 20 Grad minus liegen. Chronikalische Nachrichten über sein Zufrieren gibt es seit dem 9. Jahrhundert. So war er 875 und 895 zugefroren, danach 200 Jahre eisfrei. Im 15. und 16. Jahrhundert gab es je sieben Totalvereisungen. Am 17. Februar 1573 wurde die Eisprozession eingeführt, die es bis heute gibt.

Passau, 1963: Am 9./10. Februar 1963 schrieb die SZ, an der Donau seien Panzerfäuste aus dem Zweiten Weltkrieg bereitgestellt worden, mit denen man bei Bedarf die gefrorenen Barrieren auseinandersprengen wollte. Damit die Donau wieder in Fluss komme. Schon im Dezember zuvor war die Schifffahrt eingestellt worden. Der Fluss war zwischen Passau und Vilshofen auf einer Länge von 17 Kilometern völlig gefroren. Teilweise hatte sich Packeis bis zu zwei Meter Höhe gebildet.

Eisrennen auf dem Ammersee 1963

Einmalig: Im Winter 1963 war der Ammersee in Oberbayern dick zugefroren. Der Motorsportclub Dießen nutzte die Chance und veranstaltete ein Rennen. Es sollen zehntausend Zuschauer da gewesen sein.

(Foto: privat)

Wellheim, 1956: "Ein furchtbar strenger Winter", so beschreibt Edmund Hausfelder, der stellvertretende Leiter des Stadtmuseums Ingolstadt, die Eiseskälte, in die er am 26. Januar 1956 in Wellheim im Landkreis Eichstätt hineingeboren wurde. Und es wurde sogar noch kälter: Bayern litt unter dem "Eis-Februar", wie dieser später genannt wurde, wo zum Beispiel in Wasserburg am Inn minus 35 Grad gemessen wurden. Hausfelder bescherte diese Eiseskälte eine kleine Anekdote: "Als ich getauft wurde, so haben mir meine Eltern erzählt, da war in der Wellheimer Pfarrkirche St. Andreas alles eingefroren. Damit meine Taufe überhaupt über die Bühne laufen konnte, hat der Geistliche damals das Taufwasser erwärmt von zu Hause mitgebracht."

Hunger, Kälte und Krankheiten

Bayern, 1946/47: "Hunger und Kälte waren die Begleiter dieses harten Winters", zog die SZ am 22. Februar 1947 Bilanz - mitten in einem der kältesten Winter des vergangenen Jahrhunderts. Mit eisigen Temperaturen einher gingen zu dieser düsteren Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auffallend mehr Krankheiten wie Lungen- und Rippenfellentzündungen oder schwere Erfrierungen. In vielen städtischen Haushalten waren die Wände von Eis überzogen, erinnern sich Zeitzeugen. Flüsse froren zu, sodass eigentlich zugesagte Kohlelieferungen nicht auf den Weg gebracht werden konnten, oder am Ende gar nicht in Bayern ankamen, weil sie bereits in der britischen Besatzungszone abgefangen wurden. Gleiches geschah auch mit Getreidelieferungen aus den Vereinigten Staaten, was die ohnehin knappe Lebensmittelversorgung verschärfte. Dass unter der Eislast auf den Flüssen - wie etwa in Vohburg - Brücken zusammenbrachen, machte die Versorgungslage nicht einfacher. "Der Kalorienstand von 1550 im Tage werde erhalten bleiben", zitierte die SZ damals die amerikanische Militärregierung. Die gab Bayerns Bauern die Schuld am Mangel von Brotgetreide und Fleisch; sie würden ihrer Abgabepflicht nicht voll nachkommen. Der Soziologe und Politologe Alf Mintzel, der als Bub mit seiner Familie in Nürnberg lebte, hielt über diese Zeit fest: Ihm sei übel gewesen "von der Leere des Magens". Seine Mutter habe das Wenige rationiert. "Jeder schielt argwöhnisch auf den Teller des anderen, ob er nicht ein Quantum zu wenig erhalten hat", hielt Mintzel fest.

Bayern, 1928/1929: Der Winter bringt arktische Verhältnisse. Vielerorts frieren Flüsse und Seen zu, in Augsburg verstopfte das von Lech und Wertach mitgeführte Treibeis die Flussläufe und verursachte Überschwemmungen. Dafür durften die Augsburger über bizarre Eisgebilde an den Kanälen staunen. Im gleichen Jahr wurde in Hüll - einem dünn besiedelten Ortsteil von Wolnzach bei Pfaffenhofen - die kälteste je in Deutschland offiziell registrierte Temperatur gemessen: Die Einwohner frieren am 12. Februar bei 37,8 Grad unter null.

Grafing, 1924: Die Grafinger Zeitung meldet am 19. Januar 1924, endlich sei es wieder einmal gelungen, ein Schlittenrennen abzuhalten. Dieses in Altbayern so beliebte Vergnügen sei vier Jahre nacheinander geplant gewesen, immer aber buchstäblich ins Wasser gefallen. "Die heurigen Schneeverhältnisse aber boten vollste Garantie", schrieb das Blatt.

Leopoldsreut, 1890: Die Höhenlage und der gefürchtete Böhmwind, der über die Kammhöhe stürmt, sorgten lange Zeit für extreme Winter, die acht Monate dauern konnten. An den Häusern türmten sich meterhohe Schneewehen auf. Tote wurden oft lange im Haus aufgebahrt, bis man sie endlich mit dem Schlitten ins Tal bringen konnte. Nicht wenige Bewohner verliefen sich im Schneegestöber und sind erfroren. Die Freyunger Waldpost schilderte das harte Leben in Leopoldsreut um 1890 recht eindringlich: "So ungenügend die Kleidung der Jugend gegen die sibirische Kälte ist, ebenso unzureichend ist die Kost, deren Hauptbestandteile Kraut und Kartoffel bilden, die der früh auftretende Winter sie vielfach nicht ernten lässt. Und doch muss unsere Jugend so aufwachsen unter Entbehrungen der strengsten Art, damit ihr Körper gestählt und sie befähigt sind, den Unbilden der Witterung zu trotzen, die von einem Holzarbeiter verlangt, bei den denkbar geringsten Löhnen stets im Kampf mit den Elementen zu leben, um sich und seine Familie kümmerlich fortbringen zu können." Weil das Leben gar so kümmerlich blieb, bis zuletzt ohne elektrischen Strom, verließen 1963 die letzten Bewohner das Dorf.

Bayerischer Wald, 1866: "Aus dem baierischen Wald" heißt Adalbert Stifters letzte Erzählung, zwei Dutzend Seiten Prosa über eine Schneekatastrophe im Jahr 1866. Stifter behauptet: "Ich habe den vielleicht in 1000 Jahren nicht wieder vorkommenden Schneefall im bairischen Walde unter erschütternden Umständen erlebt." Das war im November 1866. Stifter wurde eingeschneit in Lackenhäuser am Fuße des Dreisessels.

München, 1788: Der 30. Dezember 1788 war mit minus 31,5 Grad so frostig wie kein anderer Tag im 18. Jahrhundert. Um solcherlei Ungemach zu entgehen, verließ König Ludwig I. später oft schon im Oktober seine Residenzstadt gen Süden und kehrte erst im Frühjahr wieder zurück.

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