Winterchaos in Bayern:Und wieder steht die Bahn

Train stop Marktoberdorf school covered in heavy onset of winter and snowfall in the morning in Mar

Der Bahnhof "Marktoberdorf Schule" im Landkreis Ostallgäu ist wegen des vielen Schnees menschenleer.

(Foto: Peter Schatz/imago)
  • Dass bei heftigen Schneefällen der Schienenverkehr chronisch unzuverlässig ist, liegt laut Kritikern an der Sparpolitik der Bahn.
  • So würden etwa Bäume entlang der Schienenwege allzu oft nicht rechtzeitig gestutzt und brechen unter der Schneelast zusammen.
  • Die Bahn zieht aktuell ihre Reparaturtrupps im Süden Bayerns zusammen.

Von Matthias Köpf

Zumindest was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft, war die Deutsche Bahn auf den Wintereinbruch der vergangenen Tage schon seit vielen Wochen vorbereitet: Bereits Mitte November hatte sie in den Landkreis Dachau geladen und dort vorgeführt, wie ihre Leute mit schwerem Gerät die Bäume entlang einer Bahnstrecke zurückschneiden. Jetzt im wirklichen Winter ist aber wieder eher die Bahn selbst vorgeführt worden: An zahlreichen Stellen im südlichen Oberbayern und im Allgäu lagen Bäume in den Oberleitungen und auf den Gleisen, und in der Nähe von Ruhpolding fiel ein Baum sogar direkt auf einen Regionalzug. Weichen waren eingefroren, Schienen zugeschneit, die Züge fuhren oft verspätet und mancherorts tagelang gar nicht. Kritiker wie der Fahrgastverband Pro Bahn machen dafür auch die Sparpolitik vergangener Jahre verantwortlich.

"Da ist über viele Jahre zu wenig passiert", sagt Pro-Bahn-Sprecher Winfried Karg. Aus seiner Sicht fehlt es bei der DB schon seit langer Zeit an Werkstätten, an Ausrüstung und vor allem an Personal. Dass es bei einem Wintereinbruch wie derzeit in Südbayern zu großen Problemen komme, dürfe niemanden verwundern, "wenn alles nur zentral gesteuert wird und vor Ort niemand mehr ist, wenn ich keine Schneefräsen habe oder nur kaputte".

Karg richtet diese Kritik erst in zweiter Linie an die Bahn selbst, in erster Linie an den Bund als ihren Eigentümer. Mit der Umwandlung der Bundesbahn in eine Aktiengesellschaft in den Neunzigerjahren seien die Grundlagen für die heutigen Probleme gelegt worden. Der Bund habe von seinem Unternehmen und den einzelnen Sparten, in die es damals aufgespalten wurde, um jeden Preis schwarze Zahlen sehen wollen und die Bahn und ihre ganze Infrastruktur regelrecht kaputtgespart, sagt Karg. Zwar habe es in den vergangenen Jahren ein Umdenken gegeben und "auch eine Partei wie die CSU" nehme sich inzwischen ernsthaft des öffentlichen Verkehrs an.

Doch nach Kargs Einschätzung werde es noch Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, das Versäumte aufzuholen. Die Folgen würden aber jetzt deutlich. So würden die Bäume entlang der Schienenwege allzu oft eben nicht rechtzeitig gestutzt - allen PR-Präsentationen zum Trotz. Und nun sind viele Bäume unter der Last des Schnees eben doch auf die Gleise gestürzt.

Die Deutsche Bahn will dies so nicht stehen lassen. Ein Sprecher verweist auf den außergewöhnlich nassen, schweren Neuschnee und auf die großen Mengen, die in höheren Lagen im Süden Bayerns gefallen sind. Ausschließlich dort habe es an den vergangenen Tagen wirklich Probleme gegeben, vor allem in Raum Berchtesgaden, in den Landkreisen Traunstein, Miesbach und Garmisch-Partenkirchen und im Allgäu, und dort fast nur auf weniger befahrenen Regionalstrecken.

Am Dienstagnachmittag gab es kaum mehr größere Einschränkungen. Länger dauert es noch nahe Berchtesgaden, wo ein Oberleitungsmast aus der Verankerung gekippt ist, und zwischen Garmisch und Innsbruck, wo die Strecke wegen Lawinengefahr gesperrt blieb. Und zwischen Miesbach und Schaftlach stehe man noch im Wald, hieß es am Dienstag von der Bahn - und zwar buchstäblich und mit einem Turmtriebwagen.

Wie die Bahn Gleise vom Schnee befreit

Diese Turmtriebwagen sind für die zuständige Konzerntochter DB Netz AG eine Art Schweizer Taschenmesser auf Schienen, mit dem sich vielerlei Schäden einschließlich herabgerissener Oberleitungen reparieren lassen. Sieben solcher Fahrzeuge habe man seit Sonntag in den betroffenen Gebieten im Einsatz gehabt. Acht gibt es insgesamt für ganz Bayern, sie stehen sonst übers ganze Land verteilt und mit jeweils acht bis zehn Leuten besetzt rund um die Uhr in Bereitschaft.

Das Schneeräumen erledigen normalerweise schwere Loks, die nachts nach einen eigenen Fahrplan schlicht die Strecken entlangfahren und so die Gleise freihalten, heißt es von der Bahn. Schneefräsen vor den Loks brauche man selten - doch nun habe es an manchen Orten binnen zweier Tage so viel geschneit wie durchschnittlich im ganzen Monat Januar. Damit sei stellenweise auch sehr viel mehr Schnee gefallen, als vom Deutschen Wetterdienst vorhergesagt. In Anbetracht dessen sei man "eigentlich ganz gut davongekommen". Für die kommenden Tage hat die Bahn die mobilen Räumtrupps der DB Netz AG und ihrer bedarfsweise hinzugezogenen Subunternehmer, die nach den Räumfahrten oft noch die vereisten Weichen freikratzen müssen, personell verstärkt und mit Schneefräsen ausgestattet.

Wenn es nach der Bayerischen Oberlandbahn geht, die auf den Gleisen der DB von München über Holzkirchen bis in die Berge nach Bayrischzell, Tegernsee und Lenggries fährt, hätte die DB das schon vor dem Chaos-Wochenende tun sollen. Wie in den vergangenen Jahren sei die DB "zu spät und mit zu wenig Kapazitäten" ans Werk gegangen, kritisiert BOB-Sprecher Christopher Raabe und zieht den Vergleich mit einem Gleisabschnitt zum Tegernsee, der nicht von der DB Netz AG betrieben wird und auf dem durchaus rechtzeitig geräumt worden sei. Selbst könne die BOB notfalls nur Züge als Warteräume bereitstellen und sich für die Fahrgäste "auf menschlicher Ebene engagieren", für freie Gleise sei allein die DB verantwortlich.

Allerdings muss sich auch die BOB Kritik gefallen lassen, etwa vom Bayrischzeller Bürgermeister Georg Kittenrainer, der sich nach eigenen Worten erwartet hätte, dass die BOB einen funktionierenden Ersatzverkehr mit Bussen zuwege bringt. Im dortigen Skigebiet am Sudelfeld verkehrten am Dienstag wie auch am nahen Spitzingsee oder am Brauneck bei Lenggries wegen der Schneelast auf Masten und Bäumen nur wenige Lifte in tieferen Lagen, an der Zugspitze stand der Betrieb wegen des Windes still. In Bad Wörishofen blieb die Eishalle wegen der Schneelast auf dem Dach geschlossen.

Hinweis aus der Redaktion: In einer ersten Version dieses Textes wies Pro-Bahn-Sprecher Winfried Karg die Schuld für heutige Probleme vor allem der Gründung der Bahn-Aktiengesellschaft unter der rot-grünen Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) zu. Damit liegt er nicht richtig: Gegründet wurde die Bahn AG 1994 unter Bundeskanzler Helmut Kohl und seiner schwarz-gelben Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP. Wir haben den Abschnitt angepasst.

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