Katastrophenfall:Schwer lastet der Schnee

Schneemassen in Schönau Am Königssee

Feuerwehrleute befreien das Dach einer Liftstation der Jennerbahn in Schönau am Königssee von der Last.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Immer mehr Helfer kommen in den Süden Bayerns, um die Dächer freizuschaufeln. Die Lawinengefahr steigt und Skilifte bleiben weiter geschlossen. Entwarnung geben die Meteorologen noch nicht.

Von Katja Auer und Christian Sebald

In Hundham, einem Dorf nahe Miesbach, steht Harald Loher am Sonntag auf dem Dach seines Einfamilienhauses und schippt Schnee. 80 bis 100 Zentimeter hoch liegt er auf den Vordächern. Die oberen 30 Zentimeter sind komplett durchnässt, weil es hineingeregnet hat. "Da kommen locker 300 Kilogramm pro Kubikmeter zusammen", sagt Loher am Telefon. "Die müssen dringend runter."

Loher kennt sich aus. Der 73-jährige Förster hat nicht nur jahrzehntelang in den Gebirgswäldern der Region gearbeitet. Er ist ebenso lange in der Bergwacht aktiv und ein erfahrener Bergsteiger und Skitourengänger. Dass das Landratsamt so früh den Katastrophenfall festgestellt hat, findet er richtig. "Wir sehen ja jetzt seit Tagen, wie mühevoll sich die Postler und Zeitungszusteller durch den Winter kämpfen", sagt er. "Da ist es nur sinnvoll, dass man die Kinder nicht in die Schule schickt, daheim sind sie in diesen Tagen sicherer als draußen." Auch am Montag fällt der Unterricht vielerorts aus.

Der Miesbacher Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) sieht sich einmal mehr darin bestätigt, schon vor einer Woche den Katastrophenfall ausgerufen zu haben. "Die Wetterprognosen waren so schlecht, dass es uns darum ging, von Anfang an auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein", sagt Rzehak. "Dafür haben wir jetzt alles im Griff." Im Landkreis Miesbach sind längst nicht mehr nur einheimische Einsatzkräfte am Werk, mehr als die Hälfte der 1700 Frauen und Männer kommt von auswärts.

Von den Feuerwehren aus Dachau, Landsberg am Lech, Ingolstadt und Regensburg, vom Technischen Hilfswerk, der Polizei, der Bundeswehr und dem Roten Kreuz. Ihre Hauptaufgabe: die Dächer vom Schnee befreien. Aus ganz Bayern sind am Sonntag Helfer in die fünf Landkreise gefahren, in denen der Katastrophenfall gilt. Ministerpräsident Markus Söder hatte bei einem Besuch in Bad Tölz am Samstag zusätzlich 500 Bereitschaftspolizisten abgestellt, insgesamt seien dann 5000 Menschen mit dem Schnee beschäftigt. Alle Helfer seien "volle Pulle im Einsatz".

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen macht sich am Sonntag bei den Gebirgsjägern in Berchtesgaden ein Bild von der Lage. "Die Bundeswehr bleibt, so lange sie gebraucht wird", sagt sie. Im Katastrophenfall können die Soldaten unbürokratisch eingesetzt werden. Die Meteorologen geben keine Entwarnung, es schneite weiter, und wo es taute, machte der Regen den Schnee noch schwerer. Bayernweit herrschte Lawinenwarnstufe 3, im Lauf des Tages sollte sie erneut auf die zweithöchste Warnstufe 4 ansteigen.

Selbst in einigen Skigebieten sind Abfahrten wegen Lawinengefahr geschlossen. So zum Beispiel am Sudelfeld die Rosengasse oder die Grünseeabfahrt im Spitzinggebiet. Auf anderen droht immer wieder Schneebruch von den angrenzenden Fichtenwäldern. Die Anfahrt in die Skigebiete ist bisweilen ebenfalls beschwerlich. Wegen der Lawinenabgänge oder Sprengungen wurde in den vergangenen Tagen etliche Male die Straße zum Spitzing hinauf gesperrt, zuletzt am Samstagvormittag. Peter Lorenz von den Skiliften im Spitzinggebiet und am Brauneck nahe Bad Tölz freut sich dennoch über den Schnee. "Unsere Ausfälle halten sich in Grenzen. Denn die erste Woche nach den Weihnachtsferien ist immer eher ruhig", sagt er. "Dafür haben wir jetzt so viel Schnee, dass er die ganze Saison lang richtig gut ausreicht."

In den niederbayerischen Skigebieten ruht der Betrieb, die Straßen zum Skigebiet in Sankt Englmar (Kreis Straubing-Bogen) sind gesperrt. Auch am Arber geht nichts, der Liftbetrieb ist eingestellt, die Straße von Lohberg zum Arber gesperrt. Die Loipen im Nationalpark sind ebenfalls nicht befahrbar, die Nationalparkzentren geschlossen. Die Nationalparkverwaltung rät von Spaziergängen im Bayerischen Wald dringend ab, Dutzende Bäume seien bereits umgefallen.

Winter in Bayern - Berchtesgaden

Im Bahnhof von Berchtesgaden geht nichts mehr.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Auch in Schwaben macht der Schnee Probleme. Die Stadt Kempten sperrte am Samstagabend vorsorglich elf Sporthallen, zu schwer drückt die Schneelast auf die Dächer. Die Gemeinde Balderschwang ist am Sonntag von der Außenwelt abgeschnitten. Gegen vier Uhr morgens sind mehrere Schneebretter auf die Straße in Richtung Österreich niedergegangen. Der Riedbergpass war zu diesem Zeitpunkt bereits wegen Lawinengefahr gesperrt. "Bei uns hat's allein in der Nacht auf Sonntag 30 Zentimeter geschneit", sagt der Balderschwanger Bürgermeister Konrad Kienle am Telefon, "es sind diese Schneemassen, die oben an den Hängen ins Rutschen geraten sind und die Straße verschüttet haben." Personen wurden nicht verschüttet, es gab offenbar auch keine großen Sachschäden. "Und der Talboden mit unserem Dorf, der ist ja sicher", sagt Kienle. "Außerdem sind wir ja schneereiche Winter gewohnt."

Das 300-Einwohner-Dorf Balderschwang gilt als eines der schneesichersten in ganz Bayern. Deshalb ist es bei Touristen so begehrt. Derzeit halten sich im Ort etwa 900 Gäste auf. "Aber auch die sind größtenteils selbst gelassen", sagt der Bürgermeister, der selbst im Hauptberuf Hotelier ist. "Nur der eine oder andere hätte halt abreisen sollen und kann jetzt nicht raus." Und es gibt natürlich auch welche, die am Wochenende ihren Urlaub antreten wollten, aber nicht in das gut tausend Meter hoch gelegene Dorf hinaufkamen. Kienle rechnete damit, dass die Lawinensperrungen mindestens bis Montag andauern.

Die Bahn kapituliert ebenfalls, zwischen Kempten und Lindau ist die Strecke komplett gesperrt. "Räumversuche mit Schneefräse und Schneepflug sind gescheitert", teilt die Bahn am Sonntag mit. Zuvor hatten die Züge bereits ihr Tempo gedrosselt, um wegen umgestürzter Bäume rechtzeitig stoppen zu können. "Von Reisen ins Allgäu wird abgeraten", heißt es. Aber auch ins Oberland gibt es keinen Zugverkehr, Verspätungen sind auf den meisten Strecken im Süden normal. Im Bayerischen Wald sind ebenfalls Verbindungen unterbrochen.

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