Süddeutsche Zeitung

Schnee:Wie der Winterdienst in Bayern arbeitet

Mitarbeiter, die frühmorgens aufstehen, schweres Gerät und tonnenweise Streusalz: Zahlen, Daten und Fakten zu den Räumdiensten.

Von Merlin Gröber und Ana Maria Michel

Wenn es richtig viel schneit, sind Alfred Gaupps Leute bereits um 3.30 Uhr unterwegs. Sie befreien die Straßen in Kempten von Schnee und Eis, streuen die glatten Wege - und fangen dann wieder von vorne an. In den vergangenen Tagen waren sie essenziell. Gaupp ist Einsatzleiter des Kemptener Winterdienstes. Er ist 60 Jahre alt, seit 18 Jahren macht er den Job. "Zu lange", sagt Gaupp. Dabei lässt er sich nicht von den Schneemassen aus der Ruhe bringen. In den vergangenen Jahren hat es auch im Allgäu weniger geschneit als in früheren Jahren. Jetzt sei es eben wieder einmal etwas mehr.

Was Gaupp die Arbeit eher erschwert, sind die gestiegenen Ansprüche gegenüber dem Winterdienst. In seiner Jugend hätten die Kemptner noch häufiger selbst zur Schneeschaufel gegriffen und nicht lange überlegt, ob ein Parkplatz privat oder öffentlich sei. Heute müsse vermehrt der Winterdienst der Stadt ran.

Etwa eine halbe Stunde, bevor die Räumfahrzeuge in Kempten rausfahren, sind schon die Wettermelder unterwegs. Sie kontrollieren die Lage und melden der Zentrale, wie es draußen ausschaut. Dann werden die Fahrer des Winterdienstes alarmiert. 20 Minuten später müssen sie auch schon in den Fahrzeugen sitzen. Zuerst sind die Hauptstraßen dran, dann die Nebenstraßen. Wenn es aufhört zu schneien und überall geräumt wurde, macht der Räumdienst eine Pause oder geht nach Hause. Aber wenn es nicht aufhört, muss immer weiter geräumt werden. Ganz egal, ob es die Mitarbeiter frustriert, dass die gerade geräumte Fläche wenig später schon wieder weiß ist. Der Kemptener Winterdienst ist mit dem 350 Kilometer langen Straßennetz im Moment völlig ausgelastet, Gaupps Leute arbeiten in zwei Schichten. In anderen Städten ist das Straßensystem noch länger:

Die Kollegen in Nürnberg fangen schon früher an. Und das, obwohl es in der fränkischen Stadt vergleichsweise wenig schneit. Zwischen 1 und 2.30 Uhr rücken die Räumfahrzeuge aus. Wie auch in Kempten und anderen Orten waren davor bereits die Einsatzleiter auf den nächtlichen Straßen unterwegs. Liegt viel Schnee? Wie viele Fahrer müssen raus? Das entscheiden die Einsatzplaner. Einer von ihnen ist Thomas Krapp. Er arbeitet für den Servicebetrieb öffentlicher Raum in Nürnberg, sechs Jahre lang fuhr er selbst Räumfahrzeuge. Jetzt schreibt er den Fahrern per SMS, ob sie arbeiten müssen und ruft sie an. "Der Anruf ist nötig, damit auch die verschlafenen Kollegen wach werden", sagt Krapp. Er kann auf bis zu 550 Mitarbeiter zurückgreifen. Damit verfügt Nürnberg nach München über die meisten Schneeräumer:

Sind die Kollegen da, bekommen sie eine Tour zugeteilt, auf der wichtige Verkehrspunkte festgelegt sind. Wie auch in anderen Städten werden in Nürnberg zuerst die Hauptstraßen und Gefahrenstellen geräumt, bevor Nebenstraßen und Wohngebiete von Schnee befreit werden. Relevant ist die Abstufung auch für die Art des Streuens: Nur auf den Hauptstraßen darf in Nürnberg Salz eingesetzt werden, in den Nebenstraßen wird aus Gründen des Umweltschutzes darauf verzichtet.

"Jeder fährt zunächst seine Tour ab und kommt dann wieder", so Krapp. "Dann wird entschieden, ob dieselbe Tour noch mal gefahren werden muss, oder ob's andere Arbeit gibt." Rund 50 Kilometer lang sind die Touren, je nach Straßenzustand dauern sie zwischen zwei und viereinhalb Stunden. Das Wichtigste: dass der meiste Schnee vor dem Berufsverkehr weg ist. Ist der erste Schnee weg, beginnt die Sicherung: Von Montag bis Donnerstag müssen die Straßen in Nürnberg zwischen 6 und 22 Uhr frei sein, Freitag und Samstag bis 24 Uhr.

"Jeder Winter ist anders." Ein Satz, den man häufig hört, wenn es um das Thema Winterdienst geht. Und so fallen auch die Kosten in manchen Städten von Jahr zu Jahr recht unterschiedlich aus. In Rosenheim schwanken sie teils um 300 Prozent. 500 Tonnen Streusalz kamen in diesem Winter dort bereits zum Einsatz. Auf dem Baubetriebshof stehen zwei Holzsilos mit 360 Tonnen Streusalz, mit dem die Fahrzeuge befüllt werden. Die Silos werden laufend nachgefüllt. Eingekauft wird im Sommer, wenn die Preise niedriger sind. Im vergangenen Winter reichten die 1200 Tonnen Vorrat nicht aus, 200 Tonnen mussten extra eingekauft werden. Nicht nur Streusalz muss eingekauft werden. Auch die Mitarbeiter und die Fahrzeuge schlagen zu Buche. Die Kosten für den Winterdienst gehen daher in die Millionen:

Darüber, wie viele Tonnen Schnee die Winterdienste in Bayern wegräumen, können die verschiedenen Städte nichts sagen. Anders als man denken könnte, wird der Schnee nicht aus der Stadt herausgeschafft. In der Regensburger Innenstadt gibt es einen Platz, auf den nicht nur der Winterdienst, sondern auch Anwohner weggeschaufelten Schnee bringen können. In München wird der meiste Schnee im Moment auf einem Platz in Giesing gelagert. Bei extremeren Schneemengen können sich bei Bedarf noch mehr öffentliche Plätze in Ablageflächen verwandeln.

Geräumt wird bayernweit mit ähnlichm Gerät. Für die großen Straßen setzen die Gemeinden meist sogenannte Großräumfahrzeuge ein, die wie in Nürnberg auf einer Breite von bis zu 6,60 Meter für schneefreien Asphalt sorgen. Die kleinen Streufahrzeuge schaffen eine Breite von ein bis zwei Metern. Wird es besonders eng und unzugänglich, kommen Schneeschieber zum Einsatz. Sulzemoos, eine kleine Gemeinde im Landkreis Dachau, verfügt über mindestens drei Exemplare, in Nürnberg lagern bis zu 500 Schaufeln in den Hallen des Räumdienstes.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4286952
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/gro/ebri/cat
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.