Hohenschwangau:Des Königs Baustelle

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Das Torhaus von Schloss Neuschwanstein ist eingerüstet. (Foto: dpa)

Bis zum Jahr 2022 wird Schloss Neuschwanstein umfassend saniert, aber die Besucher kommen trotzdem. Die Restauratoren bearbeiten 2300 einzelne Objekte, um sie für die Nachwelt zu erhalten.

Von Christian Rost, Hohenschwangau

Man muss sich das mal vorstellen: König Ludwig II. hat gebaut wie ein Irrer und ist dann wegen der Kosten für seine Schlösser und Burgen letztlich buchstäblich untergegangen im Starnberger See. Etliche Jahrzehnte später steht dann der Bürgermeister von Schwangau da, Stefan Rinke von der CSU, auf dessen Gemeindegebiet sich Deutschlands berühmtestes Schloss Neuschwanstein befindet, und diktiert der Lokalzeitung ins Blatt, dass die wesentlichen Bereiche, in die seine Kommune investieren müsse, die Feuerwehr, die Digitalisierung, die Straßen und die Kanalisationsanlagen seien. Das ist vom Aufwand her schon ein ziemlicher Kontrast dazu, wenn jemand mit großen Träumen, knapper Kasse und gegen den Widerstand seiner adligen Familie und Staatsbeamten ein paar prunkvolle Schlösser ins bayerische Alpenland setzt.

Die Modernisierung der Infrastruktur in den Kommunen im Königswinkel ist zweifellos notwendig - doch vor allem die baulichen Hinterlassenschaften von Ludwig II. tragen heute und wohl viele weitere Jahre dazu bei, dass Bayern ein Hotspot bleibt als Reiseziel für Urlauber aus aller Welt.

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Die Verantwortlichen der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung des Freistaats wissen ganz genau, wie wichtig die Erhaltung der Sehenswürdigkeiten ist, damit Orte wie Schwangau weiter auf finanziell hohem Niveau leben können. Exakte Zahlen dazu gibt es nicht vom Finanzministerium, trotz mehrerer Nachfragen. Nur soviel: Derzeit werden 20 Millionen Euro in die Sanierung des Schlosses Neuschwanstein gesteckt.

Im Ortsteil Hohenschwangau karren Busse und Kutschen die Touristen hinauf zum Märchenschloss, und unten sitzen der Bürgermeister und sein Gemeinderat zusammen und fragen sich, wie das Ortsbild bewahrt werden könne und wie die Heimat im Königswinkel künftig einmal aussehen soll. Ein Luxusproblem in einem Ortsteil wie Hohenschwangau, der nur noch aus Hotels, Souvenirläden und Großparkplätzen besteht. "Richtige Sorgenkinder haben wir keine", sagte Rinke freimütig in einem Interview, mal abgesehen von den Besuchern, die tagtäglich in Neuschwanstein anlanden. Der Schloss-Tourismus bringe auch erhebliche Belastungen mit sich. Missen will den Andrang trotzdem keiner, dafür ist er zu wertvoll.

150 Jahre nach der Grundsteinlegung wird das Märchenschloss des traurigen Königs nun vom Freistaat saniert und aufgehübscht. Die Restauratoren sind inzwischen in den Prunkräumen angekommen. Momentan ist der Sängersaal mit seinen aufwendigen Wandgemälden eingerüstet. Während weiterhin die Besuchergruppen durch das Gebäude geschleust werden - es sind 1,5 Millionen Touristen pro Jahr - sind die Restauratoren bei ihren Arbeiten durch eine durchsichtige Stoffwand zu beobachten. Gemälde, Möbel, Textilien und Wandbespannungen - mehr als 2300 Objekte werden restauriert und wieder zum Leuchten gebracht.

Im Sängersaal stehen Gerüste vor den berühmten Wandgemälden, die Touristen müssen sich mit einem eingeschränkten Blick begnügen. (Foto: Karl-Josef HiIdenbrand/dpa)

Bis ins Jahr 2022 sollen die Arbeiten dauern. Schon von weitem ist zu sehen, dass mal wieder gearbeitet wird am Märchenschloss. "Er baut mal wieder", ist ein durchaus humorvoll gemeintes Werbeplakat mit dem Konterfei des Märchenkönigs, der einen Bauhelm trägt, überschrieben. Der steinerne Mythos Neuschwanstein, der in seinem Inneren mit seiner Düsternis so manchen Besucher irritiert, ist teils ummantelt von einem Gerüst.

Neben den großen Sanierungsprojekten im Schloss Johannisburg in Aschaffenburg, der Festung Marienberg in Würzburg, der Kaiserburg in Nürnberg und der Venusgrotte im Schloss Linderhof ist Neuschwanstein eine der Großbaustellen des Freistaats. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass 2329 einzelne Positionen restauriert werden müssen: 93 Räume mit 184 Wand- und Deckenfassungen, 65 Gemälde, 355 Möbel, 228 Textilien und Lederobjekte sowie 322 kunsthandwerkliche Objekte, 315 Holzbauteile, 196 Natur- und Kunststeinobjekte und außerdem 664 Fenster und Außentüren.

Sie sollen aber nicht auf neu getrimmt werden, Ziel der Arbeiten ist es, "das gepflegte, gealterte Erscheinungsbild wieder herzustellen und dauerhaft die Konservierung der historischen Bausubstanz und Ausstattung zu sichern", so formuliert es die Schlösser- und Seenverwaltung. Der Einbau einer Lüftungsanlage zur Verbesserung des Klimas für die Kunstobjekte und Besucher soll überdies dazu betragen, dass Neuschwanstein nicht nur ein erlebbarer Mythos bleibt, sondern auch noch den künftigen Generationen im Königswinkel ein gutes Auskommen durch die Touristen garantiert.

Wie viel der Freistaat durch die baulichen Hinterlassenschaften des Märchenkönigs einnimmt, ist nicht bekannt. Da lässt sich die staatliche Finanzkasse nicht in die Karten schauen. Dass die Touristen Millionen Euro in der Region lassen, ist indes kein Geheimnis. Wer hätte zu Lebzeiten Ludwigs gedacht, dass der Mann je so wertvoll sein würde für sein Heimatland.

© SZ vom 19.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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