Schloss Neuburg am Inn:Die Geisterjäger

Ein Ziehen bei einem Fenster, ein Schwindelanfall: In Schloss Neuburg am Inn soll es nicht mit rechten Dingen zugehen. Eine Nacht mit drei Experten für Spukphänomene.

Peter Wagner

Schloss Neuburg am Inn ist eine mächtige Anlage. Von dort kann man weit nach Österreich hinübersehen und angeblich kann man sich dort auch fürchten. Es gibt Spuk-Geschichten von einer angrenzenden Ruine und in einem seltsamen Zimmer. Zumindest erzählt das Lucia Moiné, 33, promovierte Archäologin und Eventmanagerin in Passau. Die Schlossherren haben ihr für diesen Abend einen Generalschlüssel in die Hand gegeben, damit sie sich in Ruhe ihrem Hobby widmen kann. Sie sucht nach Erklärungen für Spukphänomene.

Neuburg am Inn, 1925

Ein Zimmer in Schloss Neuburg am Inn: In einem der Räume in dem alten Gemäuer soll es angeblich spuken.

(Foto: Scherl/sz.sonstige)

Lucia ist nicht allein bei ihrem Rundgang in den Gemäuern. Ihr Mann Frederik und Jörg Heyer begleiten sie. Wer glaubt, dass es bei ihm zu Hause nicht mit rechten Dingen zugeht, kann sich an die drei wenden. Jörg Heyer hat in Ulm die Gruppe "Paranormal Süd" begründet, Lucia und Frederik Moiné stehen in Passau hinter dem Verein "Central European Paranormal Investigations". Sie sind Geisterjäger, glauben aber nicht an Geister. Sie suchen nach natürlichen Erklärungen für unnatürliche Wahrnehmungen. Vielleicht sind sie so etwas wie Phänomenjäger.

Die drei steigen jetzt zwei Stiegen im Schloss hinauf. Lucia öffnet die Tür zum sogenannten Geisterzimmer. Sie erzählt von Oskar von Miller, dem Begründer des Deutschen Museums. Er soll hier einst den Ersten Weltkrieg vorausgeträumt haben. "Und es soll eine Stelle im Zimmer geben, an der es einem kalt den Rücken herunter läuft."

Der Raum wirkt profan, misst gut 40 Quadratmeter und ist zur Abstellkammer für Stühle geworden. Er wirkt schief, obwohl, Frederik misst mit einer Wasserwaage nach, alles rechtwinklig ist. Nahe dem Fenster, tatsächlich, ist etwas komisch. Ein Schwindel stellt sich ein. So etwas wie ein Ziehen im Genick. Ist das Einbildung? Lucia lächelt.

"Dann beginnen wir doch die Untersuchung gleich hier", sagt Frederik, 34, der tagsüber als EDV-Fachmann und Fotograf arbeitet. Jörg trägt Taschen in den Raum. Er montiert eine Spiegelreflexkamera in einer Ecke des Raums auf einem Stativ, die alle fünf Minuten ein Bild machen wird. Daneben justiert er einen Camcorder, der in den nächsten Stunden die dunkle Szenerie mit Hilfe einer Infrarotleuchte aufnehmen soll. Er stellt eine Fotofalle auf, wie sie Jäger benutzen, um zum Beispiel die Existenz von Wildschweinrotten zu bestätigen.

Weiter hinten im Zimmer postiert er ein Diktaphon und ein Thermometer. Ein anderes Gerät überwacht die elektromagnetische Strahlung. Es ist die Standardausrüstung für Parapsychologische Untersuchungen, kurz PUs. Was immer sich in den folgenden Stunden im Zimmer tut, es wird nicht unbemerkt bleiben.

Spuk in der Anwaltskanzlei

Ein spektakulärer Spukfall in Bayern trug sich 1967 in einer Rosenheimer Anwaltskanzlei zu. Möbel bewegten sich und Bilder drehten sich an der Wand. Niemand fand eine Ursache, es blieb allein die Erklärung von Professor Hans Bender vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg, der die Vorkommnisse mit einer Anwaltsgehilfin in Verbindung brachte. Der Psychologe diagnostizierte im Gespräch mit der damals 19-Jährigen eine labile Psyche und Frustrationen, die sich in der Umgebung manifestierten. Als die Frau gekündigt hatte, war der Spuk verschwunden.

Zurück blieb die Frage: Ist es möglich, dass Menschen allein durch ihre Anwesenheit solche Phänomene auslösen? Walter von Lucadou glaubt, dass das geht. Er war Benders Schüler, hat Psychologie und Physik studiert und in Freiburg die Parapsychologische Beratungsstelle gegründet. Das Institut wird staatlich gefördert und es scheint gebraucht zu werden: Etwa 3000-mal im Jahr müssen Lucadou und seine Mitarbeiter Menschen wegen seltsamer Vorkommnisse beraten.

Als Jörg die Technik installiert hat, zieht er sich mit Lucia und Frederik in eine Pizzeria zurück. Die drei wundern sich manchmal über den Boom, den das Geisterjagen gerade erlebt. Vor allem seit die US-Serie "Ghost Hunters" auch in Deutschland zu sehen ist, finden sich immer mehr Menschen zur nächtlichen Suche nach dem Ungewissen zusammen. Viele bauen sich Websites, kommen rasch ins Fernsehen und interpretieren dann vor der Kamera vermeintlich aufgenommene Stimmen.

Lucia macht das Sorgen, weil sie es nicht gut findet, wenn der eine Laie dem anderen Laien einen Dämon als Grund für den Spuk nennt. "Wir haben bis jetzt alles klären können", sagt sie und glaubt nicht an die Existenz von unerklärbaren Phänomenen. Ihr Mann erinnert sich an Fälle, in denen Glühbirnen dafür sorgten, dass sich der Fernseher einschaltete. Er erinnert sich an Stromleitungen, die Tiere verrückt machten. Alles einigermaßen natürlich. Aber auf dem Stuhl neben ihm wiegt Jörg, 33, den Kopf. Der Maschineneinsteller hat gut zwei Dutzend PUs hinter sich und erzählt von einem Fall. Er war zu Gast bei einer Familie, die von Spuk in ihrem Haus berichtete.

Mutter und Tochter standen im Zimmer des verstorbenen Großvaters und sprachen von einer Stimme in einem Eck des Zimmers. "Hallo" habe sie gerufen. Jörg sagt, dass außer ihm kein Mann im Raum war. "Ich werde mich hüten, jemandem zu erklären, was das ist", sagt Jörg. "Fest steht nur, dass ich für die Stimme keine Erklärung habe." Vielleicht würde Walter von Lucadou nicken, säße er Jörg gegenüber. Lucadou hat Verständnis dafür, wenn die Ursachen ausgehen. Er glaubt, wie einst Hans Bender, an eine Kraft der Psyche, die außerhalb des Körpers Dinge bewirken kann. Er glaubt, dass Spukphänomene vor allen Dingen mit Menschen und ihren Problemen zu tun haben - und nicht mit Geistern im volkstümlichen Sinne.

Schloss Neuburg erstrahlt pünktlich zur Geisterstunde im Licht von Scheinwerfern. Der Komplex gehört dem Landkreis Passau, die Universität Passau unterhält dort ein Begegnungszentrum und ein Hotel beherbergt Gäste. Jörg, Lucia und Frederik setzen sich ins Dunkle des Geisterzimmers und lassen die Atmosphäre wirken. Sie diskutieren über Lichter und Stimmen, über Mögliches und Unmögliches. Das Hobby hat die drei zu Freunden gemacht. Sie teilen nicht nur das Interesse am vermeintlich Unerklärlichen, sie haben sich auch zu Hobbyhistorikern entwickelt, die sich der Geschichte der Orte widmen, die sie untersuchen.

Gegen ein Uhr am Sonntagmorgen baut Jörg die Geräte schließlich ab. Lucia und Frederik drängen zum Aufbruch, Lucias Eltern wollen nicht die ganze Nacht auf den Nachwuchs aufpassen. Auf Jörgs Bändern und Bildern wird später nichts zu sehen sein. Doch was ist mit dem Schwindel und dem Ziehen im Genick? Frederik überlegt.

Denn stellt man sich vor das Fenster auf dem Gang vor dem Geisterzimmer, stellt er fest, taucht das Ziehen auch auf. Vielleicht hat es mit dem Temperaturunterschied diesseits und jenseits der Fensterscheibe zu tun, mutmaßt er. Den Schwindel aber, der einen im Zimmer an einer Stelle umfängt, kann er nicht so schnell erklären. Vielleicht geht das in Ordnung. Was wäre sein Hobby, wenn alle Dinge erklärt werden könnten?

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